Immobilien neu gebündelt
Auch wenn sie ihre Allokation nicht per se reduzieren wollen, überlegen einige Investoren angesichts der Veränderung der Märkte, ihr Immobilienportfolio umzustrukturieren und in professionelle Hände zu geben. Dabei soll aber möglichst keine Grunderwerbsteuer ausgelöst werden. Hier bietet sich das Instrument des Miteigentumsfonds an.

Während der Niedrigzinsphase von 2008 bis 2022 haben viele Investoren ihre Immobilienallokation ausgebaut, um damit Rendite zu erzielen. Weil in diesem Zeitraum die Preise am Immobilienmarkt kontinuierlich stiegen, funktionierte auch eine simple Buy-and-Hold-Strategie: Investoren konnten die Immobilien vermieten, mussten wenig daran tun, kassierten die Miete und konnten – sofern sie dies wollten – nach einigen Jahren zu einem deutlich gestiegenen Preis verkaufen. „Das war relativ leicht zu bewerkstelligen, sodass es für viele Investoren effizient war, ihre Immobilien im Direktbestand zu halten“, sagt Julian Schnurrer, Leiter Portfoliomanagement und Finanzierung Immobilien beim Real-Asset-Manager Wealthcap. „Mittlerweile hat sich das Blatt jedoch gewendet, und der Immobilienbestand verlangt deutlich mehr Aufmerksamkeit, Expertise und aktives Management, um eine gute Vermietungssituation zu schaffen. Value Add hat daher aktuell das höchste Potenzial am Immobilienmarkt.“ Damit sei aktuell eine Rendite von 5,5 bis 6,0 Prozent und mehr zu erzielen.
Für Arbeitgeber der Zukunft
Insbesondere Büroimmobilien erfordern jetzt mehr Aufmerksamkeit. „Das ist ein Segment, das es aktuell nicht so leicht hat, sich zu erholen, wie der Wohnbereich. Arbeitsplätze sehen heute anders aus als noch vor zehn Jahren. Heute brauchen Unternehmen moderne, attraktive und flexible Gemeinschaftsflächen, damit sie ihre Mitarbeiter wieder in die Büros bekommen“, meint Schnurrer. Außerdem verlangten die Mieter wenig CO2-Ausstoß und einen geringen Primärenergieverbrauch, damit die Bruttomieten nicht so stark steigen. Das käme letztlich auch den Eigentümern zugute, denn durch eine energetische Ertüchtigung könnten sie den Stranding-Zeitpunkt nach hinten verlagern. „Diese Gesamtsituation ist der Grund dafür, dass wir in letzter Zeit zunehmend Anfragen erhalten, ob wir die Bewirtschaftung und Ertüchtigung des Immobilienportfolios von Investoren übernehmen können“, freut sich Schnurrer über die aktuelle Situation. Dazu ist es sinnvoll, die Immobilien in eine Fondsstruktur einzubringen, um sie dort zu bündeln.
Entsprechend häufen sich auch bei den spezialisierten Anwaltskanzleien die Anfragen. „In den letzten drei Jahren sind wir mehrfach bei der Gründung von Immobilien-Spezial-Sondervermögen in der Ausgestaltung als Miteigentumsfonds und Einbringung von Immobilien in diese eingebunden gewesen und sind aktuell bei zwei solchen Einbringungsvorhaben im Pitch-Verfahren. Außerdem werden wir von verschiedenen Investoren für Workshops angefragt, bei denen es darum geht, wie die Einbringung von Immobilien in einen Miteigentumsfonds bewerkstelligt werden kann“, sagt Dr. Axel Schilder, Rechtsanwalt und Steuerberater bei King & Spalding LLP in Frankfurt.
Miteigentums- vs. Treuhandfonds
Doch bevor ein Immobilienbestand in eine Fondsstruktur überführt wird, sind einige Fragen zu klären – unter anderem welches Vehikel die meisten Vorteile bietet. Das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) unterscheidet Miteigentums- und Treuhandfonds. Dazu heißt es in § 92 Abs. 1 KAGB: „Die zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände können nach Maßgabe der Anlagebedingungen im Eigentum der Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) oder im Miteigentum der Anleger stehen.“ Demnach kann die KVG Eigentümerin der Vermögensgegenstände eines Sondervermögens sein, diese treuhänderisch für die Anteilsinhaber halten (sogenannter „Treuhandfonds“) oder die Anteilsinhaber werden Miteigentümer an den Vermögensgegenständen (sogenannter „Miteigentumsfonds“). Gemeinsam ist beiden Strukturen, dass die alleinige Verfügungsbefugnis über die Vermögensgegenstände der KVG zusteht. Dies bedeutet, dass die Anleger von der Verfügung über die Vermögensgegenstände ausgeschlossen sind und über diese nur indirekt, nämlich über die von ihnen gehaltenen Anteile am Miteigentumsfonds, verfügen können.
Faktisch nur „Ein-Anleger-Fonds“
„Da die Vermögensgegenstände des Miteigentumsfonds im zivilrechtlichen Eigentum der Anleger stehen, ändert sich bei jeder Übertragung beziehungsweise Rückgabe und Ausgabe von Fondsanteilen auch die Eigentümerstellung an den Vermögenswerten. Das führt vor allem bei Immobilien zu Verwerfungen, da hierbei die Eigentümerstellung durch Eintragung im Grundbuch erlangt wird“, erklärt Martin Wolff, der als Rechtsanwalt und Steuerberater gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Schilder bei King & Spalding LLP schon mehrere solche Einbringungsvorgänge begleitet hat. Er fährt fort: „Werden also Anteile an einem Immobilien-Miteigentumsfonds an einen neuen Anleger übertragen, so erwirbt dieser kraft gesetzlicher Anordnung das Eigentum an den Fondsimmobilien. Das Grundbuch wird durch eine solche Übertragung von Fondsanteilen falsch und muss berichtigt werden, was gerade bei Fonds mit zahlreichen Immobilien ein langwieriger und kostspieliger Vorgang ist“, so Wolff.
Aus diesem Grund bestimmt § 245 KAGB, dass offene Immobilien-Sondervermögen nur als Treuhandfonds und nicht auch als Miteigentumsfonds aufgelegt werden können. „Diese Regelung ist bei Spezial-Sondervermögen jedoch abdingbar, sodass Immobilien-Spezial-Sondervermögen grundsätzlich auch als Miteigentumsfonds möglich sind“, so Wolff. Faktisch komme hierbei die Ausgestaltung als Miteigentumsfonds aber wegen der angesprochenen Schwierigkeiten der Eigentümerstellung und Grundbuchsituation nur als Ein-Anleger-Fonds infrage. Bringt also ein Investor seine zuvor direkt gehaltenen Immobilien in einen solchen ein, steht er weiterhin als Eigentümer im Grundbuch. „Da die alleinige Verfügungsbefugnis allerdings auf die KVG übergeht, wird im Grundbuch ein Sperrvermerk eingetragen, der dies Dritten gegenüber kenntlich macht“, erklärt Wolff.
Bündelungseffekt
Vorteilhaft an der Bündelung des Immobilienbestands in einem Fondskonstrukt ist, dass dadurch ESG-Themen oder andere Formen des Immobilien-Upscalings leichter in die professionellen Hände einer KVG gelegt werden können. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die KVG um das Reporting kümmern kann und der Investor nur noch Anteile an einem einzigen Fonds in seiner Bilanz aufzuführen braucht. „Als spezialisierter Investmentmanager müssen wir die Infrastruktur für das ESG-Reporting sowieso aufbauen. Daher können wir das auch als Dienstleistung anbieten“, sagt Schnurrer.
„Darüber hinaus können Ein-Anleger-Miteigentumsfonds beispielsweise auch zur Bündelung von Anteilen an anderen Immobilienfonds genutzt werden, das heißt, es werden statt Immobilien Anteile an Immobilienfonds eingebracht“, erläutert Wolff. Dies kann für den Anleger einen Effizienzgewinn und leichtere Handhabbarkeit seiner Immobilienfondsinvestments mit sich bringen, da beispielsweise die KVG des „Bündelungsfonds“ dem Anleger ein einheitliches Reporting zur Verfügung stellen kann und auch die Verwaltung der Fondsbeteiligungen übernimmt.
Heben stiller Reserven
Die steuerlichen und bilanztechnischen Effekte der Einbringung muss der Anleger eines Miteigentumsfonds natürlich ebenfalls berücksichtigen: „Unabhängig davon, dass der Anleger weiterhin zivilrechtlicher Eigentümer der Immobilien bleibt, sind diese bei der Einbringung nach § 5a Investmentsteuergesetz mit dem Teilwert zu bewerten. Das hat den Effekt, dass etwaige stille Reserven nach allgemeinen ertragssteuerlichen Grundsätzen beim Anleger als Einbringendem zu versteuern sind“, erklärt Wolff. Für einige steuerbefreite Anleger, zum Beispiel berufsständische Versorgungswerke, ist dies aufgrund ihrer persönlichen Steuerbefreiung jedoch nicht relevant. „Auch bei Versicherungsunternehmen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen eine den steuerlichen Gewinn mindernde sogenannte ‚Rückstellung für Beitragsrückerstattung‘ zu bilden mit dem Ergebnis, dass Erträge aus ihren Kapitalanlagen nicht oder nur in geringem Umfang der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegen“, führt Wolff aus. Unabhängig von der möglichen Steuerpflicht verändert die Einbringung der Immobilien in einen Miteigentumsfonds aber die Bilanzwerte der eingebrachten Immobilien, weil sie dort mit dem Teilwert bilanziert werden müssen. „Das kann durchaus Charme haben, da die eingebrachten Immobilien auf Fondsebene einer transparenten und aktuellen Bewertung unterliegen, was regelmäßig zur Hebung von Potenzialen des Bestandsportfolios führt und die Bonität des Anlegers verbessern kann“, ergänzt Wolff.
Grunderwerbsteuer
Besondere Aufmerksamkeit legen Investoren auf die Frage, ob bei einer Einbringung Grunderwerbsteuer ausgelöst wird. Der Steuersatz dafür liegt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises und ist daher ein gewichtiger Faktor. Schilder umreißt die Größenordnung: „Bei Einbringungsfonds kann es um Milliardenportfolios gehen.“ In solchen Fällen geht es bei der Frage der Grunderwerbsteuer schnell um dreistellige Millionenbeträge.
„Die herrschende Auffassung in der Praxis ist, dass bei Einbringung von Immobilien in einen Miteigentumsfonds keine Grunderwerbsteuer anfällt“, sagt Schilder. „Hierbei stützen wir uns auf das Urteil vom Finanzgericht Köln vom 12. April 2016. Darin haben die Richter dogmatisch sauber begründet, warum die Einbringung von Immobilien in einen Miteigentumsfonds grunderwerbsteuerfrei ist. Sie haben damit einigen Finanzverwaltungen ihre anders lautende Sichtweise um die Ohren gehauen, und es wurde rechtskräftig“, so Schilder. Die Urteilsbegründung der Kölner Richter stellt darauf ab, dass nur die Verfügungsbefugnis auf die KVG übergeht, während die Verwertungsbefugnis beim Anleger bleibt. Der Übergang der Verfügungsbefugnis genügt jedoch unstreitig nicht für die Auslösung einer Grunderwerbsteuerpflicht. „Seit diesem wichtigen Urteil hat sich keine Finanzverwaltung mehr zu diesem Sachverhalt positioniert, es gibt keine höchstrichterliche Rechtsprechung, und ein bereits vor Langem angekündigtes umfassendes BMF-Schreiben gibt es dazu auch nicht. Dies bedeutet, dass aktuell noch keine endgültige Rechtssicherheit besteht, bezogen auf die Frage, ob die Einbringung von Immobilien in einen Miteigentumsfonds nicht doch unter den Grunderwerbsteuertatbestand fallen kann, auch wenn dies nach unserer Auffassung dogmatisch kaum zu begründen sein dürfte,“ erläutert Schilder.
Zur Schaffung von Handlungssicherheit im Zusammenhang mit beabsichtigten Einbringungen von Immobilien in einen Miteigentumsfonds könnten beispielsweise entsprechende Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft bei der Finanzverwaltung gestellt werden, führt Schilder aus und erwähnt auch die Versicherungslösung als Alternative: „Durch den Abschluss einer speziellen Steuerversicherung kann das potenzielle Grunderwerbsteuerrisiko im Rahmen der Einbringung in den Miteigentumsfonds vollständig abgesichert werden.“
Antrag auf verbindliche Auskunft
„Zuständig für die Stellung von Anträgen auf verbindliche Auskunft ist regelmäßig das Finanzamt, in dessen Bezirk die jeweilige Immobilie gelegen ist. In einigen Bundesländern gibt es aber auch zentralisierte Zuständigkeiten, etwa in Hessen, wo für die Grunderwerbsteuer zentral das Finanzamt Alsfeld-Lauterbach zuständig ist“, erläutert Wolff. Er weist daraufhin, dass eine verbindliche Auskunft kostenpflichtig ist und in tatsächlicher Hinsicht nur zu einem genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalt beantragt werden kann, dass also die Einbringung bis zum Ende dieses Verwaltungsverfahrens – bis auf vorbereitende Maßnahmen – nicht verwirklicht werden darf, also faktisch still steht.
Mit Eingang des Antrags hat das Finanzamt dann sechs Monate Zeit, diesen zu beantworten, aber das heißt nicht, dass die Antwort den Vorstellungen des Antragstellers entspricht oder final ist. „Hat man tatsächlich eine verbindliche Auskunft erhalten, kann man sich zu 100 Prozent auf sie verlassen. Sie ist sogar justiziabel!“, meint Schilder und ergänzt: „Eine verbindliche Auskunft birgt natürlich das Risiko, dass die Finanzverwaltung doch eine andere Rechtsauffassung hat.“ Eine andere Möglichkeit sei, es einfach zu tun und sich auf das Urteil des Finanzgerichts Köln und eine etwaige gutachtliche Stellungnahme einer Anwaltskanzlei zu verlassen. „Wenn bei der nächsten Betriebsprüfung dann doch Grunderwerbsteuer erhoben wird, kann der Investor vor Gericht darum kämpfen und hat aus meiner Sicht sehr gute Karten, mit seiner Position erfolgreich durchzudringen.“
Der Abschluss einer speziellen Steuerversicherung ist eine proaktive Herangehensweise, die es dem Anleger und der KVG ermöglicht, unmittelbar nach Deckungszusage die Einbringung in einen Miteigentumsfonds umzusetzen. „Die Idee für solche Versicherungen kommt aus dem angloamerikanischen Rechtsraum. Mittlerweile bieten aber auch in Deutschland einige Versicherer solche Steuerversicherungen an“, beobachtet Wolff. Im Ergebnis ersetzt die Steuerversicherung die Erteilung der verbindlichen Auskunft. „Neben dem Steuerrisiko können auch alle sonstigen damit zusammenhängenden Kosten (z.?B. Beratungs- und Gerichtskosten, Zinsen, Steuern auf Auszahlung der Versicherung) abgedeckt werden. Zudem wird im Regelfall für den Versicherungsnehmer liquiditätsschonend von der Versicherung die Zahlung der fälligen strittigen Steuer an die Finanzverwaltung geleistet“, ergänzt Wolff.
Eine Sache der Kernkompetenz
Den Trend zu Einbringungsfonds spüren natürlich auch die KVGen. „Als Service-KVG halten wir den Miteigentumsfonds für ein interessantes Produkt. Seitens der Investoren ist die Nachfrage zuletzt größer geworden, was insbesondere an der aktuellen Marktsituation liegt“, erklärt Kurt Jovy, Head of Real Estate bei Universal Investment.
In der Niedrigzinsphase sei viel neues Geld in Immobilien geflossen. Jetzt hat sich der Markt weiterentwickelt, und es gibt wieder Alternativen im Fixed-Income-Bereich. „Der eine oder andere Investor steht wirtschaftlich unter Druck und überlegt, wie er stille Reserven heben kann. Das wäre beispielsweise durch die Übertragung einer Immobilie vom eigenen Buch in eine Fondsstruktur möglich“, so Jovy. Auch das Thema Nachhaltigkeit sei ausschlaggebend: „Wenn eine Immobilie direkt auf der Bilanz eines Unternehmens liegt, geht sie ins ESG-Rating des Unternehmens ein. Wenn dieselbe Immobilie in einem Fonds ist, hat das weniger Einfluss auf das ESG-Unternehmensrating“, so Jovy.
Neben den Argumenten Nachhaltigkeit und des Hebens stiller Reserven hält er auch die Arbeitsteilung für relevant: „Viele Investoren möchten ihre Immobilien zwar behalten, möchten sie jedoch entwickeln und insbesondere in Richtung Nachhaltigkeit ertüchtigen“, beobachtet Jovy. „Wenn der Investor dazu nicht die Kompetenz im eigenen Haus hat, bringt er seinen Bestand lieber in einen Fonds ein, wo sich dann Spezialisten um die Entwicklung kümmern.“
„Dann ist natürlich der Wunsch da, die Einbringung so zu bewerkstelligen, dass keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird“, ergänzt Schnurrer. Und schon landet auch er beim Miteigentumsfonds. Natürlich müssen die spezialisierten Asset Manager entsprechende Expertise mitbringen und das nötige Personal bereitstellen. Daher muss für die Verwaltung und Ertüchtigung der Immobilien durch einen Asset Manager ein adäquater Preis gefunden werden. „Die Range ist riesig – je nach Größe der Immobilie und Umfang der nötigen Objekt- und Vermietungsmaßnahmen –, sodass das Pricing individuell nach einer Ersteinwertung erfolgen muss“, so Schnurrer.
Anke Dembowski