Dringender Reformbedarf
Die Einführung des Gesetzes zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts (MoPeG) am 1.1.2024 hat Probleme bei der Grunderwerbsteuer aufgeworfen. Doch für Investoren gibt es bis Ende 2026 eine Übergangsregelung. Das BMF plant eine Anpassung des Grunderwerbsteuerrechts.
Immobilienbestandshalter wissen es: Bei der Regelung der deutschen Grunderwerbsteuer muss etwas geschehen: Umstrukturierungen im Konzern sind nur in eng begrenzten Fällen grunderwerbsteuerfrei, und die Veränderungen der grunderwerbsteuerlichen Schwellwerte (mittlerweile 90 Prozent, früher 95 Prozent) führen zu komplexen Zurechnungsfragestellungen, ob Objektgesellschaften ihren Gesellschafterbestand anpassen dürfen. Hinzu kommt, dass es beim (grunderwerbsteuerpflichtigen) Share Deal zu einer „doppelten“ Grunderwerbsteuer kommen kann, wenn das Nebeneinander der verschiedenen Vorschriften mehrfache Anzeigen des wirtschaftlich identischen Erwerbsvorgangs (Kaufvertrag und Anteilsübertragung) mit sich bringt. Gleichzeitig sind Investmentanteilsübertragungen bislang grunderwerbsteuerfrei, obwohl sie wirtschaftlich einem Share Deal nahekommen, während Übertragungen an KVG-Anteilen gegebenenfalls Grunderwerbsteuer auslösen.
„Im Ergebnis ist also das bisherige Grunderwerbsteuerrecht trotz des scheinbar eindeutigen prozentualen Schwellenwertansatzes beim Share Deal weder rechtssicher noch inhaltlich überzeugend“, erklärt Dr. Oliver von Schweinitz, Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei Schalast in Frankfurt. Nun kommt hinzu, dass im Rahmen des MoPeG unklar war, ob beim Übergang auf eine Gesamthand oder von einer Gesamthand die bisherigen Erleichterungen fortgelten. Auch bei der Gründung von Investmentfonds gibt es Fragen zur Grunderwerbsteuer, wenn zur administrativen Bündelung von Immobilienbeständen Grundstücke aus dem Direktbestand auf eine Projektgesellschaft oder in ein Immobilien-Sondervermögen übertragen werden sollen. Obwohl sich bei diesem Vorgang wirtschaftlich eigentlich nichts ändert, stellt sich die heikle Frage, ob durch diese aus administrativen Gründen vorgenommene Umschichtung Grunderwerbsteuer anfällt. Diese liegt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises und ist daher ein durchaus gewichtiger Faktor. Der Immobilienbestandshalter würde in dem Fall die Grunderwerbsteuer doppelt zahlen: einmal wenn er das Grundstück in den Direktbestand kauft, und ein zweites Mal bei der Übertragung an eine KVG (Treuhandmodell).
MoPeG-Einführung am 1. Januar 2024
Offensichtlich geworden ist der konzeptionelle Reformbedarf bei der Grunderwerbsteuer durch die Einführung des Gesetzes zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts (MoPeG) am 1. Januar 2024. Dieses Gesetz ersetzt bei Personengesellschaften das „Gesamthandsvermögen“ durch ein „Gesellschaftsvermögen“.
„Bisher konnte die Einbringung von Miteigentum in eine GbR oder umgekehrt trotz des Rechtsträgerwechsels als wirtschaftliches In-sich-Geschäft betrachtet werden. Entsprechend kam es zu einer (gegebenenfalls anteiligen) Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Durch das MoPeG hat sich aber das Konzept der Gesamthand geändert. Die GbR wird jetzt als eigener Rechtsträger angesehen, was zu einem Reformbedarf bei der Grunderwerbsteuer führt“, erklärt von Schweinitz. Bestandshalter müssen jetzt sehr genau wissen, was sie tun. „Durch das MoPeG ist der Begriff der Gesamthand weggefallen, und die Personengesellschaft wurde auf einmal rechtsfähig. In dieser Hinsicht ist sie jetzt mit der GmbH gleichgestellt. Das hat unerwünschte Nebenwirkungen“, erklärt Carina Berberich, die bei der INTREAL International Real Estate KVG die Steuerabteilung leitet. Sie fährt fort: „Als die Änderungen des MoPeG zum 1. Januar 2024 kamen, hat uns das sehr beschäftigt. Es stellte sich beispielsweise die Frage, was mit den Behaltensfristen ist. Früher haben wir eine Immobilie einfach in eine Personengesellschaft eingebracht. Ein solcher Übertrag war steuerfrei, aber man musste die Immobilie zehn Jahre halten. Durch das MoPeG wäre jetzt die Gesellschaft Eigentümer geworden, es wäre also steuerrechtlich ein Eigentümerwechsel zustande gekommen.“
Arbeitskreis Grunderwerbsteuer
Eigentlich ging es dem Gesetzgeber bei der Formulierung des MoPeG in erster Linie um die Neuregelung von Personengesellschaften. Insofern hatte das neue Gesetz vordergründig mit der Grunderwerbsteuer nichts zu tun, aber der Wegfall des Begriffs der Gesamthand führte eher ungewollt zu Konsequenzen beim Anfall von Grunderwerbsteuer. Viele sahen darin die Entstehung eines Gerechtigkeitsdefizits, zu dessen Beseitigung sich eigens der hochkarätig besetzte Arbeitskreis Grunderwerbsteuer formiert hat (siehe "Problem mit eigenem Arbeitskreis"). Er ist am Institut für Steuerrecht der Universität Leipzig angesiedelt, und die Experten im Arbeitskreis machen sich Gedanken darüber, wie man das Gerechtigkeitsdefizit beseitigen kann. Die Sache ist deshalb so knifflig, weil sie auch verfassungsrechtliche und vor allem EU-beihilferechtliche Risiken birgt. Daher kann der Gesetzgeber nicht „irgendwie“ reagieren.
Nicht ohne Versicherung!
„Das macht die Sache schwierig, denn EU-Rechtsbestimmungen überlagern deutsches Recht. Die eigentliche Gefahr ist, dass die Folgen unklar sind. Je nachdem, wie die Neuregelung aussieht, so richtig drauf verlassen kann man sich nicht“, bemängelt Carina Berberich. In der Vergangenheit wurden viele Einbringungsfälle an INTREAL herangetragen. „Bei der derzeitigen Unsicherheit sehen wir jetzt aber deutlich weniger Einbringungen“, beobachtet Berberich. Ihren Kunden empfiehlt sie angesichts der Unsicherheiten, speziell für die Grunderwerbsteuer-Frage eine Versicherung abzuschließen. „Man braucht die Versicherung vielleicht nicht, wenn man mal eine Immobilie einbringt. Aber wenn jemand das komplette Immobilienvermögen einer Gesellschaft in einen Fonds einbringen möchte, raten wir dazu, die steuerliche Seite zu versichern, meint Berberich.
Komplizierte Meldung
„Daher hat man eine Übergangsregelung geschaffen, mit der die Gesamthand auch grunderwerbsteuerlich weiter fingiert wird. Diese gilt bis Ende 2026“, erklärt von Schweinitz, „am 1. Januar 2027 tritt Artikel 30 in Kraft, und Paragraf 24 ist dann aufgehoben. Bis dahin hat der Gesetzgeber Zeit, sich Gedanken zu machen, wie er die Grunderwerbsteuer inhaltlich neu aufstellen will. So wie es jetzt ist, ist es jedenfalls nicht zufriedenstellend“, bemängelt er. Bis zum Ende der Übergangsregelung Ende 2026 können Investoren bei (grunderwerbsteuerpflichtigen) Share Deals zwar die doppelte Zahlung von Grunderwerbsteuer vermeiden, „aber das geht nur, wenn man beide Vorgänge – das schuldrechtliche Geschäft (den Kaufvertrag) und die Übertragung – richtig und rechtzeitig meldet“, erklärt von Schweinitz. Die Immobilienbestandshalter müssen hier sehr präzise und innerhalb knapper Fristen arbeiten. „Die Meldung muss auf alle Fälle fristgerecht und in allen Teilen vollständig erfolgen, innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung. Die Meldung korrekt zu erstellen ist nicht ganz einfach, und es gibt keine Chance der Nachbesserung“, mahnt von Schweinitz zu einem akkuraten Vorgehen. Nun plant das BMF, das Grunderwerbsteuerrecht anzupassen. Dazu hat es Mitte Juni 2023 den „Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Novellierung des GrEStG (Grunderwerbsteuer-Novellierungsgesetz – GrEStNG)“ an einzelne Verbände verteilt. Das offizielle Gesetzgebungsverfahren hat jedoch noch nicht begonnen.
Treuhandmodell/Miteigentumslösung
Von Schweinitz weist darauf hin, dass es bei der Fragestellung auch auf die rechtliche Ausgestaltung des Fonds ankommt: „Spezialimmobilienfonds können als Treuhandmodell oder in der Miteigentumslösung aufgesetzt sein. Wertpapierfonds sind hingegen immer Treuhandvermögen. Beim Treuhandmodell lässt sich die Grunderwerbsteuer vermeiden, beim Modell der Miteigentumslösung nicht, denn da bleibt der Fonds-Anleger der Immobilien-Eigentümer.“ In der Praxis überwiegt die Treuhandlösung, bei der das zivilrechtliche Eigentum bei der KVG liegt. Aber wirklich exotisch sind auch Miteigentumsfonds nicht. „Wir haben bereits Miteigentumsfonds bei der INTREAL, es gibt sie also durchaus. Bislang war aber die Investment-Kommanditgesellschaft die gängige Lösung. Hierbei handelt es sich um eine Personengesellschaft, und das wirft jetzt die Probleme auf“, so Berberich.
Von Schweinitz verweist darauf, dass beim offenen Immobilienfonds die grunderwerbsteuerliche Problematik nicht besteht. „Beim offenen Immobilienfonds haben die Anleger keine Kontrolle über die Immobilie. Beim Spezialinvestmentfonds hingegen stellt sich angesichts der geänderten Regelungen bei manchen jetzt ein Ungerechtigkeitsgefühl ein: Ein Versicherungsunternehmen kann dem anderen Versicherungsunternehmen Immobilienfondsanteile verkaufen, ohne dass dieser Vorgang Grunderwerbsteuer verursacht. Über eine Objektgesellschaft wäre dieser Vorgang grunderwerbsteuereinschlägig“, so von Schweinitz.
Bestandshalter müssen nun schauen, wie sie mit der Situation zurechtkommen. Für manche ist die Situation eng, für andere weniger. Insbesondere freuen sie sich über die gewonnene Zeit bis Ende 2026. Axel Uttenreuther, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Versorgungskammer (BVK), ist entspannt: „Erfreulicherweise wurde Ende letzten Jahres eine Übergangsfrist für die steuerliche Seite dieser Immobilien-Sondervermögen geschaffen, die bis Ende 2026 reicht. Für die BVK sind die Auswirkungen auch nach Wegfall der Übergangsregelung nicht allzu groß. Grundsätzlich halten die Versorgungseinrichtungen nämlich den Hauptanteil ihrer eigenen Immobilien direkt, das heißt, die jeweilige Versorgungseinrichtung ist Eigentümerin des Grundstücks, sodass kein Handlungsbedarf aufgrund des MoPeG besteht. Nach dem 31. Dezember 2026 fällt aber zum Beispiel Grunderwerbsteuer an bei der Übertragung eines Grundstücks aus dem Direktbestand auf eine Projektgesellschaft. Dies könnte in der BVK für wenige Bestandsimmobilien, die neu entwickelt werden sollen, dann relevant werden.“ Allerdings hat die BVK im November 2022 die Kapitalverwaltungsgesellschaft UI BVK KVG gegründet, in der sie ihre Kapitalanlagen nach Möglichkeit bündeln möchte. Daher wird die BVI im Einzelfall prüfen, wie sie mit den Umschichtungen umgehen wird. „Unsere Immobilienbestände befinden sich ja nicht nur in Deutschland, und die geplanten gesetzlichen Änderungen betreffen lediglich die Transaktionen mit deutschen Immobilien“, so Uttenreuther. „Wir müssen also die einzelnen Objekte an ihren jeweiligen Standorten betrachten, und möglicherweise gibt es auch Objekte, die wir nicht in die neue Struktur übertragen. Schließlich müssen wir nicht sofort alle Immobilien transferieren. Dahinter stecken ja langfristige Überlegungen, nämlich wie wir unsere Immobilienbestände letztendlich an einer Stelle bündeln, und zwar so, dass es für uns im Ganzen wirtschaftlich und administrativ sinnvoll ist.“ Nicht jeder Investor hat die Möglichkeit, so einfach entscheiden zu können, die Immobilien in eine Fondslösung einzubringen oder nicht. „Wem dazu die eigenen Kapazitäten fehlen, der kommt an einer Investment-Kommanditgesellschaft nicht vorbei. Solche Einbringungsmandate und Restrukturierungen sind unsere Kernkompetenz“, sagt Michael Stark-Urzendnik, Head of Business Development & Communication bei der Real Blue Kapitalverwaltungs-GmbH in Stuttgart. „In diesem Konstrukt bleibt die Bank über ihre Kommanditistenfunktion wirtschaftliche Eigentümerin der Immobilien. Und da die KVG in der Verantwortung ist, wird der Bankvorstand auf diese Weise enthaftet“, bringt Stark-Urzendnik einen weiteren Aspekt ins Spiel. „Im Vergleich zu einer klassischen Beteiligungslösung bietet die Investment-KG zudem für Banken auch große Vorteile hinsichtlich der Eigenkapitalhinterlegung nach der Capital Requirements Regulation CRR III“.
Aber natürlich wünschen sich auch die KVGen Rechtssicherheit: „Die Komplexität der heutigen Lage bringt Rechtsunsicherheiten mit sich und ist in vielen Bereichen nicht mehr praxistauglich. Daher begrüßen wir das Vorhaben einer Grunderwerbsteuerreform. Die im Diskussionsentwurf angelegte wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Zurechnung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften erachten wir als grundsätzlich zielführend, weil sie zu einer verursachungsgerechteren Besteuerung führen würde“, meint Holger Sedlmaier, Director Tax bei der KVG Universal Investment. „Damit könnten beispielsweise Anleger von Immobilienfonds in steuerneutraler Weise ihre Kapitalverwaltungsgesellschaft wechseln oder ihre Grundstücke in einen Immobilienfonds einbringen, weil die Immobilien ihnen ja weiter zuordenbar sind.“ Er hat aber auch Wünsche an die neue Gesetzgebung: „Sollte der Gesetzgeber einen neuen Anlauf starten, müssten die Vorschriften aber noch präziser als im Diskussionsentwurf ausgestaltet werden, sodass insbesondere das Nebeneinander von zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtung nicht zu unerwünschten Mehrfachbelastungen und Doppelzurechnungen führt. Ebenso wären detaillierte Klarstellungen für steuerneutrale Anlegerwechsel in Publikumsfonds wünschenswert, bei denen die Anleger nicht bekannt und Nachweiserfordernisse damit unmöglich sind.“
Hoffen auf eine baldige Lösung
Es ist also bei weitem noch nicht alles klar. Man hofft nun also darauf, dass der Gesetzgeber das Dilemma vor Ablauf der Übergangsfrist Ende 2026 lösen wird. „Man wird nicht grundsätzlich die großen Investoren verschonen wollen, sondern einen bestimmten Sachverhalt, nämlich die Einbringung von Immobilien in eine Struktur, die beispielsweise ein besseres Reporting oder die Verschiebung innerhalb eines Konzerns ermöglicht. Wenn man das nicht schafft, wäre das ja eine Art Substanz-Besteuerung“, meint Berberich. Auf eine allzu großzügige Regelung kann man allerdings nicht hoffen, denn die Bundesländer haben klamme Kassen. Erst im Februar 2024 veröffentlichte das Statistische Bundesamt einen drastischen Einbruch bei den Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer. Sie lagen im ersten Halbjahr 2023 um 33,5 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Auch wenn hier die gestiegenen Bauzinsen und die Krise beim Neubau die wichtigsten Gründe darstellen dürften, sind das keine guten Voraussetzungen, um Investoren besonders großzügige Erleichterungen zuzugestehen.
Anke Dembowski