Die Rollen sind aufgeteilt
Eine Einflussnahme, die den operativen Manager durch einen Investor nachhaltig dazu bringt, eine bestimmte Anlageentscheidung zu treffen, soll es nicht geben. Zu den Grenzen einer solchen Einflussnahme entwickelt die BaFin derzeit ein Merkblatt.

Insbesondere im Bereich der Immobilien-Spezial-AIFs gibt es regelmäßig einen gewissen Austausch zwischen den Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) und den Investoren hinsichtlich der bisherigen und weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Fonds. Die Aufsicht sieht eine solche Einflussnahme nicht gern beziehungsweise möchte sie in engen Grenzen halten. Daher hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 14. März 2025 den Entwurf eines Merkblatts zur Einflussnahme von Anlegern auf Investments und Desinvestments von Investmentvermögen veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. Die Konsultationsperiode war relativ kurz und lief von 14. bis 31. März 2025.
„Das Merkblatt über die Einflussnahme von Anlegern bei Investmentvermögen wird voraussichtlich im Verlauf des zweiten Quartals veröffentlicht“, erklärt ein Sprecher der BaFin. Enthalten wird es Erläuterungen, ob und in welchem Umfang die Anlegerinnen und Anleger eines Investmentvermögens die Anlageentscheidungen der KVG für Rechnung des Investmentvermögens beeinflussen dürfen.
Schreckgespenst „Millionärsfonds“
„Die in dem Merkblatt konkretisierte Verwaltungspraxis der BaFin hat erhebliche praktische Relevanz, denn damit soll der Grundsatz der Fremdverwaltung abgesteckt werden“, sagt Dr. Andreas Böhme, Partner und Rechtsanwalt bei der Frankfurter Kanzlei King & Spalding LLP. Das Merkblatt bezieht sich auf Investmentvermögen allgemein, unabhängig von der Assetklasse. „Wenn man allerdings den Entwurf für das Merkblatt liest, merkt man, dass er offenbar von einem Referat der BaFin geschrieben wurde, das sich mit Wertpapieren befasst“, meint Böhme. Dazu verweist er auf Sätze wie „Nicht zulässig sind (…) Vetorechte oder Zustimmungsvorbehalte von Anlegern in Bezug auf Einzeltitel.“ Diese Terminologie ist im Bereich der Sachwertefonds unüblich.
Die Anlehnung an den Wertpapierbereich ist insofern nicht erstaunlich, als das Thema womöglich aus diesem Bereich kommt. Im Markt ist zu hören, dass der Anlass für das Merkblatt ein konkreter Fall sein könnte, bei dem eine vermögende Privatperson die Fondsstruktur gezielt dazu genutzt hat, sich steuerliche oder sonstige Vorteile zu verschaffen. Nun will die BaFin dafür konkrete Grenzen setzen, was allerdings kein leichtes Unterfangen ist. Schon seit mehreren Jahrzehnten spukt das Schreckgespenst der „Millionärsfonds“ umher.
Dies sind Fondskonstruktionen, bei denen Privatpersonen die investmentsteuerlichen Privilegien eines Fondsvehikels in Anspruch nehmen wollen. Der Aufsicht ist es nie richtig gelungen, Millionärsfonds zu unterbinden, außer dass generell die Steuervorteile für Fonds nicht mehr so attraktiv sind wie in der Vergangenheit. Das verringert die Versuchung, einen Millionärsfonds aufzulegen – insbesondere wenn man auch die Strukturierungskosten und den Aufwand für das Fondsvehikel selbst mit ins Kalkül zieht.
Grundsatz der Fremdverwaltung
Aber auch im institutionellen Bereich möchte die Aufsicht die Einflussnahme durch Investoren unterbinden. Im Merkblattentwurf heißt es: „Anknüpfungspunkt für dieses Merkblatt ist § 17 KAGB. Demnach ist die Kapitalverwaltungsgesellschaft ein Unternehmen, dessen Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, Investmentvermögen zu verwalten.“ Damit gehört die Verwaltung des Investmentvermögens zu den Kernaufgaben einer KVG, und es ist auch die KVG allein, die für die Einhaltung der Anforderungen des KAGB verantwortlich ist – und nicht ein Berater und schon gar nicht die Investoren. „Die Erbringung der Portfolioverwaltung durch die Kapitalverwaltungsgesellschaft ist auch Grundlage für die Erteilung der Erlaubnis an die KVG“, schreibt die BaFin im Merkblattentwurf.
Schwierig macht es die Tatsache, dass der Begriff Portfolioverwaltung im KAGB nicht definiert ist, sodass die BaFin diesen Begriff nun selbst definiert. Im Merkblattentwurf schreibt sie: „Die BaFin versteht unter Portfolioverwaltung im Sinne des KAGB insbesondere die Anschaffung und Veräußerung von Vermögensgegenständen für Rechnung des Anlegerkollektivs und damit des Investmentvermögens.“ Hierfür soll nun ein exakter Rahmen abgesteckt werden. „Damit ist eine zu bedeutsame Einflussnahme der Anleger auf die Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen der Kapitalverwaltungsgesellschaft für Rechnung von Investmentvermögen nicht vereinbar“, schreibt die BaFin. Aber was genau ist eine „bedeutsame Einflussnahme“?
Wenn es im institutionellen Bereich zu einer Einflussnahme kommt, dann tendenziell eher bei Sachwert- als bei Wertpapierportfolios. „Bei Aktien muss schnell gehandelt werden. Außerdem fehlt es hier vielen Investoren an der tiefen Sachkenntnis, weshalb sie ja einen Asset Manager einsetzen“, meint Böhme. Hinweise wie „Wir sollten unser Siemens-Exposure erhöhen“ seien entsprechend selten. „Bei Immobilien ist das etwas anderes. Hier dauern die Entscheidungsprozesse länger und können inklusive der üblichen rechtlichen, steuerlichen und technischen Ankaufsprüfung (Due Diligence) mehrere Monate zwischen erstem Kaufinteresse und dem Abschluss der Transaktion betragen. Zudem handelt es sich in der Regel um große Einzelinvestments, die häufig Immobilien im Wert von zehn bis 100 Millionen Euro oder mehr betreffen.“ Hier könne es durchaus sein, dass Vertreter von Pensionskassen oder Versicherungen eine starke Meinung haben und diese gezielt einbringen wollen. „Viele Investoren haben im Immobilienbereich schon mal eine Krise durchgemacht und haben Erfahrungen und weitreichende Kenntnisse. Trotz des regelmäßig bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen der KVG und ihren Anlegern möchten Letztere bei Investitionen dieser Größenordnung gern in den Entscheidungsfindungsprozess einbezogen werden, soweit dies rechtlich möglich ist.“
Enge Grenzen für Zustimmungsvorbehalt
„Eine große Immobilie, die in einen Spezialfonds gekauft wird, sollte den Investoren natürlich gefallen. Daher wünschen sich einige Investoren einen Zustimmungsvorbehalt. Bei offenen Fonds ist das nicht möglich, bei geschlossenen theoretisch schon“, meint Böhme. Hier sieht der Merkblattentwurf allerdings enge Grenzen vor. „Unproblematisch sind (…) unverbindliche ,Investmentideen‘ oder ,Empfehlungen‘ der Anleger, da auch hier die Letztentscheidungshoheit des Portfolioverwalters nicht infrage gestellt wird.“ Dies gelte allerdings nicht, wenn eine Idee oder Empfehlung in Wirklichkeit eine indirekte Weisung darstellt. Wann eine indirekte Weisung vorliegt, müsse anhand der Umstände des konkreten Falls beurteilt werden, schreibt die BaFin: „Indizien für eine indirekte Weisung wären, wenn der Portfolioverwalter alle Empfehlungen der Anleger eins zu eins ohne eigene Recherche oder materielle Bewertung der Chancen und Risiken des Investments oder Desinvestments ausführt und seine Prüfung formal auf Erwerbbarkeitskriterien oder eine Anlagegrenzenprüfung beschränkt. Gleiches gilt, wenn die Initiative für die Anschaffung oder Veräußerung von Vermögensgegenständen selten oder nie von der Kapitalverwaltungsgesellschaft ausgeht, sondern im Wesentlichen und kontinuierlich von den Anlegern.“ Diese aufzählende Beschreibung hält Böhme für sehr praxistauglich.
Bisher schon klare Vorgaben
Kurt Jovy, Head of Real Estate bei Universal Investment, hält sich mit seinem Urteil über das Merkblatt der BaFin erst einmal zurück. Zum einen gibt es im Moment noch keine endgültige Fassung, zum anderen verfügt sein Haus als eine der größten Service-KVGen bereits über etablierte Strukturen und Prozesse. „Bei uns ist die Einflussnahme der Investoren auf das Portfoliomanagement aktuell kein Thema. Das Merkblatt wird, wenn es denn erst einmal veröffentlicht ist, für Klarheit sorgen, die es vorher so nicht gab“. Er beschreibt ein Dreieck mit den Rollen aller an einem Spezialfonds beteiligten Parteien. Es besteht aus dem Investor, der Service-KVG und dem operativen Manager. „Es gibt klare Vorgaben, wer was machen darf, nur gab es bis dato noch kein Merkblatt dazu.“
Der Fondsinvestor könne am Anfang seine Wünsche und Vorstellungen einbringen, indem er sich gezielt für ein Produkt entscheidet, das eine bestimmte Konzeption und klare Anlagerichtlinien hat. Bei einem Spezialfonds könne der Investor bei Auflage des Fonds – wenn er der alleinige Investor oder groß genug ist – bei der Formulierung der Anlagerichtlinien mitwirken. „Anschließend wird er regelmäßig durch unsere Reportings sowie auf den Anlageausschusssitzungen informiert“, erklärt Jovy, was möglich ist. Zudem erlaube das Merkblatt, dass der Investor unverbindliche Anlageideen und Empfehlungen einbringen darf
Jovy verweist darauf, dass Investoren noch ein weiteres Mittel der Einflussnahme haben: „Sie können vorab mit der KVG die wesentlichen Leistungsindikatoren abstimmen, die die operativen Manager zu erfüllen haben. Wenn diese nicht erreicht werden oder auch sonstige Störungen in der Leistungsbeziehung auftreten, können die operativen Manager ausgetauscht werden. Voraussetzung ist, dass eine Service-KVG die Administration dafür erledigt.“
Schließlich haben Investoren noch ein letztes Mittel der Einflussnahme: den Verkauf der Fondsanteile, sozusagen als Abstimmung mit den Füßen.
Klar geregelter Prüfprozess
Jovy stimmt mit der Ansicht der BaFin überein, dass es eine Einflussnahme, mit der der operative Manager durch einen Investor nachhaltig dazu gebracht wird, eine bestimmte Anlageentscheidung zu treffen, nicht geben soll. „Schon allein deshalb nicht, weil es mehrere Investoren geben kann“, so Jovys Argumentation.
„Bei uns im Hause ist die Gewaltentrennung schon immer ganz klar geregelt, und am Ende entscheiden wir als KVG“, geht er auf die Prozessbeschreibung ein. Zunächst erledige der operative Manager die Vorarbeit und komme mit einer Investitionsidee auf die KVG zu. „Wir überprüfen die Immobilie dann mit unseren Fachabteilungen für Steuer, Recht, Technik und Wirtschaftlichkeit und mit unserer Immobilienabteilung. Auch die Verwahrstelle prüft“, verweist Jovy auf das Vier-Augen-Prinzip des KAGB. Produktseitig muss die Immobilie hinsichtlich Alter, Nutzung, Rendite und Lage mit den Anlagerichtlinien übereinstimmen. „Wenn alles passt, geben sowohl wir als auch die Verwahrstelle den Kauf frei, und der operative Manager erhält eine entsprechende Einzelvollmacht für die Immobilie“, erklärt Jovy den Prozess. Genauso geht es auch beim Verkauf einer Immobilie.
Dokumentationspflichten
Aber es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern viele Schattierungen dazwischen, bei denen die Lage womöglich nicht ganz so klar ist. Denkbar ist beispielsweise ein Hinweis seitens eines Investors: „Mir gefällt die Immobilie XY in Berlin so gut. Schaut sie euch doch mal an.“ Zumindest sieht der Entwurf des BaFin-Merkblatts für solche Fälle Dokumentationspflichten vor. Im Merkblattentwurf heißt es: „Damit die BaFin und der Abschlussprüfer nachvollziehen und prüfen können, dass keine mit § 17 KAGB unvereinbaren Einflussnahmen der Anleger stattgefunden haben, hat der Portfolioverwalter jede Form der Einflussnahme von Anlegern auf die Anlageentscheidungen für Rechnung von Investmentvermögen ab Veröffentlichung dieses Merkblatts auf der BaFin-Internetseite zu dokumentieren.“
Böhme hält diese Formulierung für zu weitgehend: „Die BaFin wird nicht wollen, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaften in der Zukunft zu jedem Telefonat oder jedem Tischgespräch mit einem Anleger, in dem es – und sei es nur am Rande – auch um das Schicksal der Vermögensgegenstände des Fonds geht, eine Gesprächsnotiz anzufertigen haben.“ Seiner Meinung nach sollte sich die Dokumentationspflicht nur auf zielgerichtete, konkrete Aussagen beziehen, aber nicht auf eine Aussage wie „Wir haben zu wenig Exposure im Rhein-Main-Gebiet. Da sollten wir mal mehr machen“. „Die Dokumentationspflicht sollte deutlich eingeschränkt und zumindest auf die eindeutige und zielgerichtete Kommunikation eines Anlegers an die KVG beziehungsweise den Portfolioverwalter, die auf eine konkrete Beeinflussung einer Investment- oder Desinvestmententscheidung gerichtet ist, beschränkt werden“, findet Böhme.
Regelungsbedarf bei Einbringungsfonds
Regelungsbedarf sieht er noch bei sogenannten Einbringungsfonds, die sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit erfreuen (siehe Beitrag dazu in diesem Heft). „Bringt der Anleger selbst die Vermögensgegenstände in den Fonds ein, so ist er notwendigerweise an der Anlageentscheidung beteiligt. Diesen Fall hat der Merkblattentwurf sicher nicht vor Augen, jedoch könnte noch klargestellt werden, dass sich die betreffenden Ausführungen nicht auf diese Konstellation beziehen“, merkt Böhme an.
Aufsichtsrecht vs. Gesellschaftsrecht
Weiteren Regelungsbedarf sieht er in Fällen, wo sich Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht widersprechen, wie dies bei geschlossenen Fonds der Fall sein kann. „Die haben oft nur einen einzigen Vermögensgegenstand, zum Beispiel eine Immobilie, ein Schiff oder ein Flugzeug.
Laut Gesellschaftsrecht haben Investoren beim Verkauf des Vermögensgegenstands ein Zustimmungsrecht. Das Merkblatt sollte klarstellen, dass dies laut Aufsichtsrecht in Ordnung ist“, fordert Böhme und wünscht eine klare Ausnahme, etwa für solche Ein-Objekt-Fonds. Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA), die ordnungs- und wirtschaftspolitische Interessenvertretung der gesamten Immobilienwirtschaft, hat diese Thematik bereits aufgegriffen.
Festzuhalten ist: Bei der Einflussnahme durch die Anleger auf die Investitionen und Desinvestitionen des Investmentvermögens kann es Grauzonen geben, die schwierig zu fassen sind. Weil das so ist, sieht die BaFin dafür zumindest eine Dokumentationspflicht vor. Die Aufsicht erhofft sich hiervon eine präventive Wirkung. Die Letztentscheidungshoheit des Portfolioverwalters über die Anschaffung oder Veräußerung eines konkreten Vermögensgegenstands darf aus Sicht der BaFin nicht in Frage gestellt werden.
Anke Dembowski