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1/2021 | Steuer & Recht

»Damoklesschwert über Transaktionen«

Institutional Money spricht mit Martin Wolff, Rechtsanwalt und Steuerberater bei der ­Kanzlei Curtis, Mallet-Prevost, Colt & Mosle LLP in Frankfurt, über den aktuellen Stand des Projekts Grunderwerbsteuerreform und den Hintergrund der RETT-Blocker-Strukturen.

Wenn es um Immobilientransaktionen geht, sind Share Deals eine übliche Vorgehensweise: Der Käufer erwirbt nicht die Immobilie selbst, sondern Anteile eines Unternehmens, dem die Immobilie gehört. Die Zwischenschaltung einer Objektgesellschaft hat auch steuerliche Vorteile: Weil es sich rechtlich nicht um einen Immobilien-, sondern um ­einen Unternehmenskauf handelt, lässt sich Grunderwerbsteuer sparen. Seit 2017 wird von verschiedenen Landes-Finanzministern der Ruf nach einer Reform der Grunderwerbsteuer laut, und es gab konkrete Vorstöße, diese Lücke zu schließen. Aber die Sache hängt. Eine über vier Jahre hängende Steueränderung ist für Investoren eine lästige Angelegenheit; sie wollen planen und ­ihre Arbeit tun. Also müssen sie in der Praxis mit der Ungewissheit umgehen. Wir sprechen mit verschiedenen Branchenexperten.

Herr Wolff, wie lange schwelt die Diskussion um die steuerlichen Änderungen bei Share Deals eigentlich schon?
Martin Wolff: Die politische Diskussion über eine Reform des Grunderwerbsteuergesetzes hinsichtlich einer Eindämmung von Immobilien-Share-Deal-Transaktionen ist bereits seit Längerem im Gange. Bei solchen Transaktionen wird nicht das Grundstück selbst, sondern es werden Gesellschaftsanteile der grundstücksbesitzenden Gesellschaft veräußert. Auf diese Weise soll Grunderwerbsteuer vermieden oder erheblich reduziert werden. Ausgehend von der Finanz­ministerkonferenz der Bundesländer (FMK) wurde im Jahr 2016 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in deren Rahmen die FMK Ende November 2018 einen Beschluss zur Verschärfung der Anforderungen an eine Grunderwerbsteuerfreiheit von Share Deals gefasst hat. Am 31. Juli 2019 wurde dann ein Regierungsentwurf für ein Gesetz vorgestellt und vom Bundeskabinett beschlossen. Die Gesetzesänderung sollte eigentlich mit Wirkung zum 1. Januar 2020 in Kraft treten, allerdings hat sich im Zuge der Beratungen darüber weiterer Prüfungsbedarf ergeben. Daraufhin einigten sich die Koa­litionsfraktionen, die Reform des Grunderwerbsteuergesetzes auf das erste Halbjahr 2020 zu verschieben. Aufgrund der Covid-19-Pandemie ist die Reform gesetzgeberisch dann allerdings in den Hintergrund geraten.

Wie wurden RETT-Blocker-Strukturen in der Vergangenheit eingesetzt, und von wem hauptsächlich?
Grundsätzlich hat die Grunderwerbsteuer bei Immobilientransaktionen insbesondere aufgrund der kontinuierlich gestiegenen Steuersätze in den einzelnen Bundesländern (zwischen 3,5 und 6,5 Prozent), eine große Bedeutung. Die Ausnutzung grunderwerbsteuerlicher Vorteile durch Share-Deal-Transaktionen erfordert allerdings einen erhöhten Aufwand, etwa aufgrund der steuerlichen und rechtlichen Due Diligence der Gesellschaften, deren Anteile veräußert werden. Ferner ist für die Umsetzung der meisten RETT-Blocker-Strukturen die Mitwirkung des Veräußerers oder eines unbeteiligten Dritten notwendig. Vor diesem Hintergrund werden RETT-Blocker-Strukturen eher in großvolu­migen Immobilientransaktionen umgesetzt. In unserer Praxis haben wir im Rahmen der Beratung von institutionellen Investoren die Erfahrung gemacht, dass – unabhängig von der Grunderwerbsteuer – insbesondere Projektentwickler und Bauträger Share Deals bevorzugen, da sich für sie dann teilweise nicht unerhebliche ertragsteuerliche oder auch umsatzsteuerliche Vorteile ergeben können im Vergleich zu einem Asset Deal.

Ferner können Verkäufer in ­einem Verkäufermarkt durchaus mit der Forderung in die Verkaufsverhandlungen gehen, dass die durch eine RETT-Blocker-Struktur „ersparte“ Grunderwerbsteuer zwischen dem Käufer und dem Verkäufer geteilt werden soll.

In welche Richtung zielt die Änderungsdiskussion, was soll sich aus Sicht der Politik ändern?
Die Politik hat sich zum Ziel gesetzt, die Hürden für die Umgehung der Grunderwerbsteuer gerade bei großvolumigen Share-Deal-Immobilientransaktionen zu erhöhen. Dies soll im Wesentlichen dazu beitragen, dass den Bundesländern, denen die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer zustehen, zukünftig mehr Grunderwerbsteuereinnahmen zufließen. Hervorzuheben sind dabei insbesondere die vorgesehene Absenkung der derzeit geltenden Beteiligungsgrenze von 95 auf 90 Prozent und die Verlängerung der Haltefristen von fünf auf zehn Jahre. Das heißt, eine Vermeidung von Grunderwerbsteuer soll zukünftig bei Share Deals grundsätzlich nur noch möglich sein, wenn innerhalb von zehn Jahren weniger als 90 Prozent der Anteile übertragen werden.

Wann erwarten Sie die gesetzliche Änderung in dieser Angelegenheit? Und ab wann könnten die neuen Regelungen gelten?
Inoffiziellen Berichten zufolge soll die Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes zeitnah umgesetzt werden. Bei der Umsetzung soll im Wesentlichen an den geplanten Regelungen des vorgenannten Regierungsentwurfs vom 31. Juli 2019 festgehalten werden. Dem Vernehmen nach sollen die neuen Vorschriften bereits für Anteilsübertragungen gelten, die nach dem 31. Dezember 2020 wirksam geworden sind.

Werden sie auch für Bestandsimmobilien gelten, weil die Diskussion ja bereits seit Längerem geführt wird?
Der Regierungsentwurf vom 31. Juli 2019 sieht vor, dass die neuen Regelungen grundsätzlich auch für bestehende RETT-Blocker-Strukturen (Real-Estate-Transfer-Tax-Blocker-Strukturen) gelten sollen. Allerdings beinhaltet der Gesetzentwurf auch umfassende Übergangsregelungen. So etwa für die Anwendung der von 95 auf 90 Prozent abgesenkten Beteiligungsgrenzen für direkte und indirekte Übertragungen von Anteilen an grundstücksbesitzenden Gesellschaften innerhalb von zehn Jahren.

Wie können sich Investoren auf die möglichen Änderungen aktuell einstellen?
Für laufende oder bevorstehende Immobilientransaktionen unter Einbeziehung von RETT-Blocker-Strukturen sollte das laufende Gesetzgebungsverfahren gewissenhaft verfolgt werden. Nur dann ­besteht für die Beteiligten die Möglichkeit, zügig auf neue Aspekte reagieren zu können, die im Detail äußerst komplex sein können. Geplante direkte beziehungsweise indirekte Veränderungen bei bestehenden RETT-­Blocker-Strukturen sollten im Vorfeld detailliert auf grunderwerbsteuerliche Auswirkungen überprüft werden. Zur Erlangung von Rechtssicherheit könnte gegebenenfalls auch der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens abgewartet werden.

Und was ist bei Unit Deals zu beachten?
Das ist natürlich für die Fondsbranche interessant und noch gänzlich unge­klärt. Vom Grundsatz her erfolgt bei ­einem Unit Deal ein Anteilseignerwechsel in einem Immobilien-Sondervermögen (Immobilienfonds) ohne zivilrechtliche Änderung des Eigentums an den von dem Immobilienfonds gehaltenen Immobilien. Schließlich werden nicht die Anteilseigner als Eigentümer angesehen, sondern die anteilsverwaltende Kapitalverwaltungsgesellschaft. Nach geltender Rechtslage sind Unit Deals daher ohne Auslösung von Grunderwerbsteuer durchführbar. Die im Regierungsentwurf vom 31. Juli 2019 enthaltenen Regelungen waren nach Ansicht einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 4. Oktober 2019 wohl nicht geeignet, Steuervermeidungen durch Unit Deals zu verhindern.

Ist Deutschland das einzige Land, das auf die Idee kommt, bei Immobilientransaktionen eine solche Steuer zu ­erheben?
Im europäischen Vergleich ist festzustellen, dass auch andere Staaten Übertragungen von Anteilen an grundstücksbesitzenden Personen- beziehungsweise Kapitalgesellschaften mit Grunderwerbsteuer belegen, etwa Österreich und Portugal. In einigen EU-Staaten allerdings knüpft eine Grunderwerbsteuerpflicht an das Vorhandensein einer „Immobiliengesellschaft“ an, das heißt Gesellschaften, deren Vermögen hauptsächlich aus Grundvermögen besteht; so beispielsweise in Frankreich und den Niederlanden.

Wir danken für das Gespräch.

Anke Dembowski


Das sagen andere BranchenExperten:

»Die Unterbindung von Share Deals ist schon nachteilig für Immobilieninvestoren. Seit etwa einem Jahr gibt es den Kompromiss, die Dauer auf zehn Jahre zu verlängern; damit dürfte man aktuell auf der sicheren Seite sein. Derzeit herrscht in dieser Angelegenheit Stillstand in der Rechtspflege, und wir erwarten vor der Bundestagswahl im September 2021 auch keine Umsetzung mehr. Eine mögliche schwarz-­grüne Regierung könnte sich dann aber sehr schnell daranmachen, das ­Thema umzusetzen und Steuern auf Immobilientransaktionen zu erheben.«

Ludger Wib­beke, Geschäftsführer Real Assets der Service-KVG Hansainvest


»Deutschland ist der größte ­Investmentmarkt Europas, und die Nachfrage nach deutschen Immobilien ist hoch. Wenn hier künftig Grunderwerbsteuer anfällt, erhöht das die Kosten bei Transaktionen. Allerdings wird die RETT bereits in einigen anderen Ländern erhoben, darunter die Niederlande und Frankreich. Wenn wir eine gute Immobilie sehen und denken, dass wir dafür einen guten Preis ­bekommen, werden wir das Geschäft immer noch tätigen. Die diskutierten Änderungen in Deutschland stellen eher eine Hürde als eine Barriere dar.«

Alex Lund aus der Research-&-Strategy-Abteilung von M&G Real Estate


»Das Thema der Share Deals bleibt anhängig, ist jedoch von den Marktteilnehmern bereits eingepreist. Das ist etwas, was die Deal-Teams im Immobilienbereich beschäftigt. Es kann Einfluss auf die rechtlichen Strukturen und den Preis haben. Ganz neu ist das Thema nicht, denn Anleger kennen dies auch aus anderen Ländern.«

Axel Vespermann, Head of Real Estate bei der Master-KVG Universal-Investment


»Bei Share Deals haben Sie das Risiko der latenten Steuern, das heißt, wenn Sie Gewinne heben, müssen Sie eventuell nachversteuern. Momentan wird das Thema hauptsächlich gelöst, indem man Luxemburger Strukturen nutzt. Aber ganz kriegen Sie das Risiko der latenten Steuern nicht weg, wenn Sie innerhalb von zehn Jahren verkaufen. Dann muss eben eventuell der mögliche Erwerber- oder Entwicklergewinn versteuert werden. Für Pensionskassen und andere Lang­frist­investoren ist aber eine Haltedauer von zehn Jahren ohnehin kein Problem. Bezogen auf den Logistikbereich: Hier finden die meisten Deals als ­Asset Deal statt, das heißt, ein Investor kauft eine komplette Einheit. Das ist die einfachste und sicherste Form der Transaktion. Share Deals machen im Logistikbereich maximal zwei Prozent des Gesamtvolumens aus.«

Kuno Neumeier, CEO des Logistik­immobilien­spezialisten Logivest


»Wir vermeiden Share Deals, wo es geht, denn wir rechnen damit, dass hier der Gesetzgeber regulatorisch eingreifen wird. ­Daher kaufen wir unsere Immobilien meistens direkt. Aufgrund unserer langfristigen Verbindlichkeiten haben wir im Direktbestand einen langen ­Anlagehorizont und schauen, ob die Immobilie auch in 30 Jahren noch ­vermietbar ist und gute Cashflows erzielt.«

Markus Königstein, Leiter des Immobilien­bereichs bei der R+V Gruppe

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