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4/2024 | Steuer & Recht

Booster für die bAV?

Die Aktualisierung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG II) befindet sich auf der Zielgerade. Das neue Gesetz erweitert die Anlagemöglichkeiten vieler Investoren, baut Sozialpartnermodelle weiter aus und verbessert die Förderung für Geringverdiener.

Bevor man zu Maßnahmen wie einem Obligatorium greift, probiert man es bei der bAV ­zunächst mit anderen Mitteln. Jüngste Hoffnung: Der Kapitalmarkt soll es richten.
Bevor man zu Maßnahmen wie einem Obligatorium greift, probiert man es bei der bAV ­zunächst mit anderen Mitteln. Jüngste Hoffnung: Der Kapitalmarkt soll es richten.© hkama | stock.adobe.com

Aktuell befindet sich das Zweite Betriebsrenten­stärkungsgesetz (BRSG II) auf der Zielgerade, und seit 18. September liegt ein entsprechender Regierungsentwurf vor. Sieben Jahre nach Verabschiedung des ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes bleibt die Zielsetzung des Gesetzgebers gleich: Die Basis der betrieblichen Altersversorgung (bAV) soll gestärkt werden, wobei man insbesondere kleinere Unternehmen und Beschäftigte mit geringem Einkommen im Visier hat, weil hier die Verbreitung der bAV noch als zu gering angesehen wird. Dass man dieses Thema angeht, basiert aus dem politischen Auftrag des Koalitionsvertrags, wobei nach dem Bruch der Ampelregierung der weitere Gesetzesverlauf unklar ist.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales begründet den Kabinettsentwurf so: „Rund 54 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland haben derzeit eine Betriebsrente. Besonders in kleineren Unternehmen und bei Geringverdienern bestehen aber noch Lücken, die nun geschlossen werden sollen. Mit dem neuen Gesetz entwickelt die Bundesregierung die Rahmenbedingungen weiter, damit mehr Arbeitnehmer im Alter von guten ­Betriebsrenten profitieren können.“

Sonst droht Obligatorium

Tatsächlich verbessert der Gesetzentwurf die Rahmenbedingungen für den freiwilligen Auf- und Ausbau von Betriebsrenten – und zwar im Arbeits-, Finanzaufsichts- und Steuerrecht. Gleichzeitig macht der Gesetzgeber deutlich, dass er es ernst meint: Eine Evaluierung ist bereits im Jahr 2028 vorgesehen. Bis dahin soll die Verbreitung der bAV „erkennbar“ angestiegen sein. Andernfalls behält sich der Gesetzgeber vor, eine obligatorische bAV einzuführen, die dann arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanziert sein wird und auf einer reinen Beitragszusage beruht.

Außerdem will man einen Blick auf die Nettorenditen bei den mittelbaren Durchführungswegen werfen und prüfen, ob Zusagen ohne Garantie tatsächlich bessere Kapitalerträge und damit höhere Versorgungsleistungen erbringen.

Das erste Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ist am 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Die größte Neuerung war damals die Einführung von Sozialpartnermodellen – einer Form der betrieblichen Altersversorgung, die keine Garantien mehr enthält. Schon damals hoffte der Gesetzgeber, mit der Flexibilisierung der bAV die Verbreitung von Betriebsrenten zu erhöhen. Aber hier tat sich wenig. „Die Durchdringungsrate der bAV verharrt in Deutschland seit Längerem bei etwa 50 Prozent. Vielleicht müssen wir den 50 Prozent, die noch keine bAV abgeschlossen haben, etwas ganz anderes bieten, als wir es bisher tun“, meint Hansjörg Müllerleile, Geschäftsführer der MetallRente GmbH, auf der WTW-bAV-Konferenz in Frankfurt am 1. Oktober.

Ob das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II) tatsächlich etwas ganz anderes als bisher ermöglicht, wird sich zeigen. Aber manchmal ist es ja möglich, durch eine Vielzahl kleinerer Verbesserungen einen positiven Trend ­auszulösen. Hier bietet das BRSG II in der Tat einiges.

Mehr Spielraum in der Kapitalanlage

Von den Änderungen, die das BRSG II bringt, hält Jürgen Rings, Vorstandsvorsitzender der Höchster Pensionskasse, in erster Linie die Erweiterung der Anlagemöglichkeiten für wichtig: „In Bezug auf Pensionskassen gibt es einige Neuerungen beziehungsweise Ergänzungen, die wir sinnvoll und gut finden: zum Beispiel dass eine separate Mischungsquote für Infrastrukturanlagen in die Anlageverordnung eingefügt werden soll.“ Es wird nicht nur eine eigenständige fünfprozentige Quote für Infrastrukturinvestments in der Anlageverordnung eingeführt (siehe separater Beitrag dazu), sondern die Risikokapitalquote wird außerdem von 35 auf 40 Prozent angehoben. Beide Maßnahmen zielen darauf ab, mehr Flexibilität in der Kapitalanlage zu gewähren, was zu höheren Renditen in der bAV führen soll.

Wie dann das Versorgungswerk angesichts mehr illiquider Investments sein Liquiditätsmanagement anpassen soll, dazu enthalte der Gesetzentwurf nichts. „Wenn zu diesem Thema etwas kommt, wird es sich vermutlich um eine Klarstellung im Rahmen sogenannter Anlagerundschreiben der BaFin oder eine Einzelentscheidung handeln“, meint Sebastian Bruchwitz, Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Goodwin in Frankfurt und spezialisiert auf Private Investmentfonds. „Bisher gibt es lediglich allgemein gehaltene Ausführungen zum Grundsatz der Liquidität“, so Bruchwitz.

Alexander Kleinkauf warnt, dass es bei der Kapitalanlage sehr auf die individuelle Situation der Kasse ankommt: „Grundsätzlich sehen wir es positiv, dass es mehr Spielraum gibt. Aber es kommt sehr darauf an, ob die Kasse wachsend oder schrumpfend ist und wie das Portfolio aufgebaut ist. Davon hängt ab, wie viel Illiquidität sich die Kasse leisten kann“. Kleinkauf ist Co-Head of Distribution for Germany and Austria beim Asset und Risikomanager Insight Investment. Angesichts gestiegener Allokationen in illiquide Assets werde ein gezieltes Liquiditätsmanagement immer relevanter. „Wir nehmen wahr, dass bei immer mehr Kassen die Rentenzahlungen die Beiträge übersteigen, und diese Liquiditätsströme müssen bedient werden“, so Kleinkauf. Das Stichwort laute Cashflow Driven Investments. „Hierzu sprechen wir vermehrt mit Investoren, insbesondere mit Kassen, die jetzt in die Auszahlungsphase gehen. Sie wollen wissen, wie man Rentenzahlungen gezielt mithilfe von Kuponzahlungen und Endfälligkeiten eines individuell zusammengestellten Bond-Portfolios bedienen kann.“ Insofern hält er es für sinnvoll, das Portfolio so zu strukturieren, dass der eine Teil die Zahlungsanforderungen erfüllt und der andere Teil das Wachstum erzeugt. Dort sei die erhöhte Flexibilität hilfreich.

Dass die Kassen so vorgehen, sei bereits zu beobachten: „Wenn wir mit Pensionskassen sprechen, sehen wir eine deutlich erhöhte Nachfrage nach Fixed Income. Zusätzlich bauen Kassen jetzt im Direktbestand ihre Puffer mit 3,0 bis 3,5 Prozent Verzinsung auf. Das liegt bei den meisten Kassen oberhalb der Garantieverzinsung“, so Kleinkauf. „Das heißt natürlich nicht, dass man nicht mit Aktien- oder Infra­strukturinvestments noch einen zusätzlichen Renditetreiber hinzunehmen kann.“

Zeitweise Unterdeckung möglich

Der Gesetzentwurf sieht ferner die Möglichkeit vor, dass ­Kassen einen schwankenden Ausfinanzierungsgrad haben können, was ebenfalls der Flexibilisierung der Kapitalanlage dient. „Wir erachten es als vorteilhaft, dass jetzt auch bei ­Pensionskassen eine zeitweise Unterdeckung möglich wird, so wie es auch schon für die anderen Durchführungswege – z.?B. bei Pensionsfonds – im Versicherungsaufsichtsgesetz niedergelegt war“, erklärt Rings von der Höchster Pensionskasse. „Hier ist allerdings die Frage, wie schwierig es in der Praxis für Pensionskassen sein wird, mit einem schwankenden Ausfinanzierungsgrad umzugehen“, meint Alexander Kleinkauf. „Der limitierende Faktor ist dabei der BaFin-Stresstest, den es zu bestehen gilt. Hier muss man sehen, wie sehr der Stresstest beispielsweise Langfristanlagen wie Infrastrukturinvestments belastet, das heißt, welche Verlustannahmen zu treffen sind. Wenn die ähnlich sind wie bei Aktien, wird es schwierig“, warnt Kleinkauf.

Außerdem werde es für eine Kasse nicht leicht sein, vom Trägerunternehmen die Zusage für eine Unterdeckung zu erhalten. „Nicht nur das ist diffizil. Die Kasse benötigt ­außerdem die Genehmigung der BaFin. Dazu sind natürlich Pläne einzureichen, wie man die Unterdeckung wieder auffüllen will.“ Solche Genehmigungen können sehr bürokratisch sein, führt er weiter aus (sieht Kasten dazu).

Erweiterung der Sozialpartnermodelle

Weiters soll durch das neue Gesetz die bislang etwas schleppende Verbreitung von Sozialpartnermodellen angefacht werden, indem es Unternehmen und ihren Beschäftigten ­ermöglicht wird, sich bestehenden Modellen anzuschließen, ohne selbst einen eigenen Tarifvertrag aushandeln zu müssen. Von der Einbindung nicht tarifgebundener (und damit häufig kleinerer) Unternehmen und ihrer Beschäftigten verspricht sich der Gesetzgeber eine größere Zahl potenzieller Teilnehmer an den vorhandenen Sozialpartnermodellen. Hiervon erhofft er sich größere Anlagepools, die dann zu ­einer steigenden Effizienz der bAV führen sollen.

Verbesserte Förderung für Geringverdiener

Außerdem sieht das BRSG II eine verbesserte staatliche ­Förderung für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen vor, indem die Einkommensgrenze für den Förderbetrag angehoben und dynamisiert wird. Damit fallen Beschäftigte bei Lohnerhöhungen nicht mehr so schnell aus der Förderung heraus. Die Einkommensgrenze für den Förderbetrag wird zunächst auf 2.718 Euro monatlich angehoben.

Flexiblere Auszahlung und Abfindungen

Das neue Gesetz sieht auch erweiterte Möglichkeiten für Rentner und Rentnerinnen vor, ihre Betriebsrente flexibel zu beziehen. Künftig können sie ihre Betriebsrente auch dann erhalten, wenn sie bereits eine Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Diese Flexibilisierung soll die Attraktivität der bAV steigern und somit ebenfalls die Teilnahmequote erhöhen.

Zur Flexibilisierung bei den Unternehmen soll das Arbeitsrecht angepasst werden, indem Abfindungen erleichtert ­werden. Die bisher maßgebliche Grenze von einem Prozent der jeweiligen Bezugsgröße soll auf zwei Prozent verdoppelt werden, und für Kapitalzahlungen gilt Entsprechendes. ­Angesichts der Bezugsgröße für 2024 wären das bis zu einer Monatsrente von 70,70 Euro oder einer Kapitalleistung von 8.484 Euro. „Bei den Abfindungsmöglichkeiten hätten wir uns mehr Mut gewünscht, sodass man kleine Anwartschaften bis zu einer höheren Grenze abfinden kann“, sagt Lutz Mühl, Geschäftsführer Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC), aber im Großen und Ganzen hält er den Entwurf zum BRSG II für in Ordnung.

Die Regierung meint es ernst

Angesichts der im Durchschnitt relativ niedrigen Alters­renten in Deutschland und der zu erwartenden Rentner­lawine durch die Babyboomer-Generation will die Regierung aufs Gaspedal drücken. So gibt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil der Branche und künftigen Rentnern Folgendes mit auf den Weg: „Wir machen Betriebsrenten für Beschäftigte zur Normalität – besonders für Menschen mit geringem Einkommen und Mitarbeiter kleinerer Unter­nehmen (…). Unser Ziel ist klar: Niemand soll sich im Alter finanziell Sorgen machen müssen. Die Kombination aus ­gesetzlicher Rente und Betriebsrente, am besten organisiert von den Sozialpartnern, ist der beste Weg dorthin.“

Man wird sehen, ob die bisherigen Schritte ausreichen oder ob es doch zu unpopulären Maßnahmen wie einer Ver­längerung der Lebensarbeitszeit oder zu einer Beitragsan­hebung kommen muss.

Anke Dembowski

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