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4/2024 | Steuer & Recht

Begrüßenswerte Öffnung

Das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz II beschert Infrastrukturinvestments eine eigenständige Quote in der Anlageverordnung (AnlV). Die neue Regelung gibt Investoren – insbesondere Pensionskassen und Versorgungswerken – mehr Flexibilität bei ihrer Asset Allocation.

Die Änderungen in der Anlageverordnung bescheren Investoren nicht nur mehr Flexibilität bei der Kapitalanlage und möglicherweise attraktive Renditen, sondern damit soll auch die öffentliche Hand unterstützt werden, die dringend ergänzendes privates Kapital benötigt, um die notwendigen Infrastrukturinvestitionen zu stemmen.
Die Änderungen in der Anlageverordnung bescheren Investoren nicht nur mehr Flexibilität bei der Kapitalanlage und möglicherweise attraktive Renditen, sondern damit soll auch die öffentliche Hand unterstützt werden, die dringend ergänzendes privates Kapital benötigt, um die notwendigen Infrastrukturinvestitionen zu stemmen.© wattana | stock.adobe.com | generiert mit KI

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz II, das derzeit seine letzten Abstimmungen erfährt, enthält zahlreiche Punkte, die Investoren betreffen. Einer der wichtigsten dürfte die Einführung einer neuen, eigenständigen Quote für Infrastrukturinvestments in der Anlagever­ordnung (AnlV) darstellen – der neue § 3 Abs. 7 AnlV-E.

NRW als Vorreiter

„Im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW), das als führend in der Regulierung und Beaufsichtigung von Versorgungswerken gilt, existiert bereits seit März 2021 eine eigenständige Quote für Infrastruktur. Sie wurde zu Zeiten der absolut niedrigen Zinsen durch einen Erlass des Finanz­ministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen eingeführt und gilt für in NRW ansässige Versorgungswerke“, erklärt ­Sebastian Bruchwitz, Partner bei der internationalen ­Anwaltskanzlei Goodwin in Frankfurt und spezialisiert auf private Investmentfonds. Nicht zuletzt, weil man dort gute Erfahrungen mit der eigenständigen Quote gemacht hat, wird die fünfprozentige Infrastrukturquote nun deutschlandweit für ­Investoren, die der Anlageverordnung unterliegen, eingeführt.

„NRW wird oft als Speerspitze für Entwicklungen bei Versorgungswerken angesehen. Ende Juni gab es einen Referentenentwurf, und seit 18. September liegt ein Regierungsentwurf vor, der nun in die Länderkammer geht“, erklärt Bruchwitz den Gesetzgebungsprozess. Nachdem die Ampelkoa­lition Anfang November geplatzt ist, sind Gesetzgebungsvorhaben schwer abzuschätzen. „Die Anwendung der erneuerten Anlageverordnung würde unmittelbar mit Ver­kündung des Betriebsrentenstärkungsgesetz II gelten, eine Übergangsfrist gibt es hier nicht. Sollte dieses Gesetzesvor­haben noch umgesetzt werden, rechne ich mit einer Ver­abschiedung im Frühjahr 2025“, wagt Bruchwitz eine Schätzung. Sollte eine Verabschiedung in dieser Legislaturperiode nicht mehr klappen, stehen die Chancen aus seiner Sicht sehr gut, dass es in der neuen Legislaturperiode direkt wieder aufgegriffen wird.

Für wen gilt die neue Quote?

Sowohl die Investoren als auch auf Infrastruktur spezialisierte Asset Manager analysieren schon mal, was die neue Quote für sie bringt, und beurteilen sie insgesamt positiv. Aber für wen gilt die neue Quote? „Die Anlageverordnung regelt zwar unmittelbar nur die Anlage des Sicherungsvermögens von Pensionskassen, kleinen Versicherungsunternehmen und Sterbekassen, aber mittelbar orientieren sich auch ­berufsständige Versorgungswerke, die nicht der BaFin, sondern der jeweiligen und fragmentierten Landesaufsicht ­unterliegen, an ihr“, erklärt Lutz Boxberger. Er ist Rechts­anwalt und Steuerberater, und bei Golding Capital Partners für die Themen Steuern und Regulatorik verantwortlich.

Auch einige Versicherer, die Solvency II unterliegen, sind mittelbar von der neuen Quote betroffen, obwohl das Solvency-II-Regime gar nicht mehr mit festen Quoten arbeitet. „Teilweise haben Versicherer zudem interne Anlagerichtlinien, die auf die Anlageverordnung referenzieren“, beobachtet ­Miriam Uebel. Sie ist stellvertretende Leiterin des institutionellen Geschäfts in Europa beim Asset Manager Legal & General, der im Sektor Infrastruktur sehr aktiv ist.

Entlastung anderer Quoten

Es verwundert nicht, dass auf Infrastruktur spezialisierte ­Asset Manager von der neuen Regelung begeistert sind. ­Boxberger erklärt, warum er die Änderung der Verordnung für längst überfällig hält: „Unsere geschlossenen alternativen ­Investmentfonds klassifizieren sich regelmäßig als Beteili­gungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b) AnlV, was zur ­Folge hat, dass Versorgungswerke das Fondsinvestment der Beteiligungsquote zuzuordnen haben. Diese Quote wurde in den letzten Jahren bei vielen Versorgungswerken nahezu ausgeschöpft, weil während der Niedrigzinsphase renditeträchtige Anlagen gesucht waren, namentlich Private Equity und Infrastruktur.“ Diese Quoten würden künftig durch die Einführung der neuen Infrastrukturquote entlastet, insbe­sondere die Risikokapital- und Beteiligungskapitalquote. „Durch die neue Anlageverordnung soll ja nicht nur eine eigenständige Mischungsquote für Infrastruktur ohne ­Anrechnung auf die bisherigen Mischungsquoten etabliert, sondern auch die ­Risikokapitalquote von 35 auf 40 Prozent angehoben werden. Auch das ist ein großer Vorteil und ein großer Schritt zu bundesweit kohärenten Rahmenbedingungen für die Anlage von Versorgungswerken“, findet ­Boxberger. Aber auch so seien Infrastrukturinvestments ­attraktiv. Er verweist darauf, dass die Renditen im Bereich ­Infrastruktur auch nach dem Zinsanstieg oftmals attraktiver sind als bei zinstragenden Investments. Daher sei das Inter­esse der Investoren an alternativen Fonds, die in Infrastruktur investieren, nach wie vor groß. „Nichtsdestotrotz bleibt Voraussetzung, damit ein Investment der neuen Infrastrukturquote zugerechnet werden kann, dass es sich um eine ­zulässige Anlageform nach dem bisherigen Anlagekatalog des § 2 AnlV handelt“, erklärt Boxberger.

Auch bei Allianz Global Investors freut man sich auf die neue Quote. „Viele unserer Kunden aus NRW haben die dort geltende Quote bereits genutzt. Es ist daher nur konsequent, dass nun auch Investoren in anderen Bundesländern eine Quote für Infrastrukturinvestments erhalten“, meint ­Raluca Jochmann, Head of Private Markets Solutions bei ­Allianz GI. „Wir erwarten, dass die Investoren die neuen Möglichkeiten nutzen und ihre Infrastrukturquoten erhöhen werden“, so Jochmann. Sie erwähnt aber auch, dass es durchaus noch Investoren gibt, die derzeit hinter ihren Zielquoten liegen. „Wenn jetzt das Potenzial höher wird, könnten sie mehr Infrastrukturinvestments tätigen“, mutmaßt sie.

Auch auf Seiten der Capital Owner begrüßt man die ­Erhöhung der Flexibilität: „Die Einführung einer fünfprozentigen Infrastrukturquote – angelehnt an die Regelung für Versorgungswerke in NRW – würden wir begrüßen, da die Quote die Anlageflexibilität erhöhen würde. Gerade Versorgungswerke außerhalb von NRW würden davon profitieren, da bei zahlreichen Versorgungswerken die Risikokapitalquote tatsächlich weitgehend ausgeschöpft ist“, sagt Dr. Ulrich Krüger, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. (ABV). Er fügt hinzu: „Trotz des gestiegenen Zinsniveaus sind Anlagen in Aktien, Private Equity, Private Debt und eben auch Infrastruktur für Versorgungswerke nach wie vor von großer Bedeutung.“

Umdeklarationen möglich

Die Grenze zwischen Private Equity, Immobilien und Infrastruktur sei nicht immer trennscharf, meint Boxberger, sodass sich so manches Infrastrukturinvestment auch in den Quoten für andere alternative Investments befinden könnte. Froh ist er darüber, dass künftig umdeklariert werden darf. „Existierende Bestandsinfrastrukturinvestitionen, die sich für die neue Quote qualifizieren, sollten dort auch eingeordnet werden können. Das ist dann entsprechend zu reporten, aber möglich“, sagt Boxberger. Dazu erwartet er die entsprechenden Vorgaben in den Berichts-Templates, sobald die Verordnung umgesetzt ist. „Noch gibt es keine gesetzliche Definition für Infrastrukturinvestments, und die Abgrenzung zu Private Equity und zu Immobilien ist nach wie vor nicht immer eindeutig. Hier erwarten wir eine Klarstellung im Rahmen der Novelle des Kapitalanlagerundschreibens der BaFin, das im Prinzip wie ein Anwendungserlass zu verstehen ist.“ Das letzte Kapitalanlagerundschreiben der BaFin für ähnlich ­gelagerte Themen stammt aus dem Jahr 2017. „Die An­passung des existierenden Kapitalanlagerundschreibens sollte schnellstmöglich mit nachgezogen werden“, meint Box­berger.

Auch über die fünf Prozent hinaus

Aber nicht nur Umdeklarationen sind möglich. Als günstig sieht Uebel an, dass nach dem Wortlaut des Gesetzesvorschlags Infrastrukturinvestments im Sicherungsvermögen nicht auf die fünfprozentige Quote beschränkt werden. „Wenn ein Versorgungswerk Anlagen in Infrastruktur ­entsprechend ihrer Anlageform in eine andere Mischungsquote allokieren möchte, ist das weiterhin möglich“, so ­Uebel. Im Gesetzentwurf steht nämlich, dass Infrastruktur nicht vorrangig der Quote zugeordnet werden muss. ­„Insofern bringt die neue Quote dem Anleger nicht nur ­eine ­größere Flexibilität, sondern auch Rechtssicherheit ­dahingehend“, meint Uebel.

Ungewollter Wettbewerb der Assetklassen

Wo es bislang noch keine separate Quote gibt, werden ­Infrastrukturinvestments der Risikokapitalanlagenquote ­zugerechnet, je nach Vehikel werden sie als Eigen- oder Fremdkapitalbeteiligungen erfasst. „Teilweise flossen sie auch in die Alternatives-Quote. Auf jeden Fall konkurriert Infrastruktur aktuell mit anderen Anlageformen wie Private Equity und Private Debt. Das hat an vielen Stellen zu einem ungewollten Wettbewerb der Assetklassen geführt; genau hier findet künftig eine Entzerrung statt“, resümiert Uebel.

Auch Florian Martin, Co-CEO beim Erneuerbare-Energie-Spezialisten KGAL, ist froh, dass die ungewollte Wett­bewerbssituation bald abgemildert wird: „Nehmen Sie beispielsweise einen Windpark. Der hat geringere Erträge – vielleicht eine Rendite von fünf bis sechs Prozent –, aber auch ein deutlich geringeres Risiko als Hedgefonds, Rohstoffe und andere Risikokapitalklassen. Mit denen war er aber bisher in einer gemeinsamen Quote“, erklärt Martin. Mit der eigenständigen Quote erhalten Infrastrukturanlagen seiner Meinung nach eine bessere Positionierung. So werde nicht alles in einen Topf geworfen, was kaum miteinander vergleichbar ist.

Eher Signalwirkung

In allererster Linie hält er die neue Quote aber für ein Signal. „In unseren Augen ist die Einführung der fünfprozentigen Quote ein Signal an Aufsichtsbehörden für Pensionskassen, dass man jetzt ernsthaft privates Kapital für den Ausbau der Infrastruktur mobilisieren will“, meint Florian ­Martin. Bisher wurden die Rahmenbedingungen nicht ­effektiv und entscheidend geändert, aber jetzt gehe es an ­vielen Ecken und Enden los. „Neben der Einführung einer eigenständigen Quote für Infrastruktur in der Anlageverordnung wurde kürzlich auch die ELTIF-Regulierung nachgezogen. Ebenso wurde auch im KAGB die Möglichkeit eines offenen Infrastrukturvermögens für Privatinvestoren geschaffen. Auch das Bundesemissionsschutzgesetz, das Solarpaketgesetz und das Osterpaket 2022 zur Förderung für erneuerbare Energieanlagen und so weiter zielen in dieselbe Richtung: Privates Kapital – egal ob von ­Retail- oder institutionellen Anlegern – soll für Infrastruktur aktiviert werden.“

Ein Nachfragedefizit seitens der Investoren hat er allerdings auch ohne die geplante Quote nicht gesehen. „2009 haben wir den European Solar Power Fund (ESPF) 1 herausgebracht und waren damit einer der Infrastrukturpioniere. Auch damals hatten wir bereits signifikante Zugänge von Pensionskassen“, so Martin. Ende 2021 hat KGAL dann den ESPF 5 aufgelegt und brachte es auf ein Volumen von 375 Millionen Euro Eigenkapital – auch ohne die fünfprozentige Quote. „Aber wir begrüßen die Tatsache, dass der Gesetz­geber jetzt ein klares Statement sendet, dass er ein dezidiertes Interesse daran hat, privates Kapital in Infrastruktur fließen zu lassen. Das ist auch für die Gremien wichtig, die größeren Investitionen zustimmen müssen. Ich hoffe, dass alle Bundesländer diese Regelung nun auch für die Versorgungs­werke nachziehen.“

Warum nur fünf Prozent?

Florian Martin hält es für notwendig und wahrscheinlich, dass fünf Prozent noch nicht das Ende sind. „Ich glaube, die fünf Prozent sind ein Startpunkt. Immobilien haben eine 25-prozentige Quote; das basiert auf den alten Risikovorstellungen, als Immobilieninvestments als risikoarm angesehen wurden. Vermutlich kommt es zu einem gewissen Shift von Immobilien zu Infrastruktur, und zum neuen Core-Universum wird eine klar definierte Infrastrukturanlage zählen, beispielsweise eine, die Strom produziert“, vermutet Martin.

Kein selbstloses Geschenk

Mit der Öffnung der Anlageverordnung hat der Gesetz­geber aber nicht nur die Flexibilisierung bei der Asset Allocation institutioneller Investoren im Visier, sondern auch das dringend notwendige Kapital zur Reparatur und Transformation der öffentlichen Infrastruktur dürfte eine erhebliche Rolle spielen. „Ohne privates Kapital wird es wohl nicht ­gehen bei dem erheblichen Investitionsstau, den wir in Deutschland zu verzeichnen haben“, verweist Boxberger auf das Offensichtliche.

Uebel gibt ihm recht. „Die Staaten stehen unter Zugzwang. Es ist wichtig, dass die Infrastruktur weiterentwickelt wird. Daher sorgen viele Regierungen dafür, dass das ­Umfeld für Investoren attraktiver wird.“ Genau in diese Richtung ziele die neue Quote. Daher erwartet sie neben dem reinen Gesetzgebungsverfahren von der BaFin auch zügig die notwendigen Auslegungshinweise. „Das haben ja die Verbände auch schon so geäußert“, sagt Uebel, wobei sie ­bereits die Definition im Gesetzentwurf für klar hält. Die Auslegungshinweise der BaFin müssten dann nur noch die technischen Details regeln.

Anke Dembowski

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