»Wir passen nicht zu jedem«
Im Interview erklärt Sandro Pierri, warum eine Gesellschaft wie BNP?Paribas Asset Management gerade institutionellen Investoren in Deutschland und Österreich etwas zu bieten hat. Und warum Frankreich der wahre Vorreiter in Sachen ESG ist.
Die französische Fondsgruppe BNP Paribas Asset Management ist zwar im Grunde erst im Jahr 2000 durch den Zusammenschluss der beiden Muttergesellschaften BNP und Paribas entstanden. Sie gehört damit aber zur größten kontinentaleuropäischen Bankengruppe, die Vermögenswerte von rund 2,6 Billionen Euro verwaltet. Daher kann es kaum verwundern, dass die Fondstochter mit insgesamt verwalteten Assets von über 500 Milliarden Euro zu den vier Topanbietern unter den größten französischen Fondsgruppen gehört. Was allerdings verwundert: Die Lizenz zur Verwaltung institutioneller Mandate haben die Franzosen erst im Jahr 1980 erhalten. Dennoch hat das institutionelle Geschäft heute einen Anteil von 60 Prozent. Wir wollten mehr über die Hintergründe wissen und haben den Vorstandschef Sandro Pierri in seinem Büro am Boulevard Haussmann in Paris besucht.
Während Ihrer mehr als 30-jährigen Laufbahn in der Asset-Management-Industrie haben Sie für eine Reihe von Anbietern unterschiedlichster nationaler und kultureller Herkunft gearbeitet. Seit fünf Jahren sind Sie als Italiener in führender Funktion bei BNP Paribas Asset Management und leiten seit Sommer 2021 als CEO die Geschäfte des Asset Managers der größten französischen Bankgruppe. Wo gibt es auffällige Parallelen oder signifikante Unterschiede?
Sandro Pierri: In gewisser Weise habe ich tatsächlich schon immer in einem sehr international und global geprägten Umfeld gearbeitet. Rückblickend kann ich sagen, dass es natürlich durchaus Unterschiede in der jeweiligen Unternehmenskultur gibt. Das hat aber meiner Meinung nach nicht einmal so sehr mit der Nationalität des jeweiligen Anbieters zu tun. Es sind eher die Entstehungsgeschichte und ihre Wurzeln, die die jeweilige Organisation prägen. Das hängt sicher nicht zuletzt auch damit zusammen, dass die Vermögensverwaltung an sich in der Regel ein sehr global orientiertes und agierendes Geschäft ist. Aber auch als ich vor fünf Jahren zu BNP Paribas Asset Management wechselte, war ich natürlich neugierig auf eventuelle kulturelle Unterschiede. Aber ich muss Ihnen sagen: Am Ende stellte ich auch hier fest, dass es aus den gerade genannten Gründen einer starken internationalen Ausrichtung am Ende viel mehr Parallelen als Unterschiede gibt – wahrscheinlich sogar stärker ausgeprägt, als das bei meinen früheren Arbeitgebern der Fall war.
Wie meinen Sie das?
Natürlich hat unser Heimatmarkt Frankreich eine besondere Bedeutung für unser Geschäft. Am Ende liegt der Anteil der Beziehungen zu unseren französischen Kunden aber bei nur knapp 30 Prozent. Schon das zeigt Ihnen, dass BNP Paribas Asset Management eine enorm starke globale Präsenz aufweist, die nach meiner Wahrnehmung sogar noch etwas breiter gefächert ist als bei vielen unserer Wettbewerber. Deshalb ist mein Tagesgeschäft eher von vielen Parallelen bestimmt, die am Ende für unsere spezifische Vermögensverwaltungskultur bedeutender sind als die Kultur und die Nationalität unserer Muttergesellschaft. Das gilt in besonderem Maße für das institutionelle Geschäft.
Worin sehen Sie denn den Mehrwert, den Ihr Unternehmen speziell einem institutionellen Anbieter im deutschsprachigen Raum bieten kann? Warum sollte eine deutsche oder eine österreichische Pensionskasse oder Versicherung mit BNP Paribas Asset Management zusammenarbeiten?
Wir werden ja sicher noch über die für unser Unternehmen wirklich grundlegende Bedeutung und unser Bekenntnis zur ESG-Integration in unsere Strategien und das Unternehmen insgesamt sowie das Zusammenspiel von aktiv und passiv gemanagten Produkten sprechen. Aber lassen Sie mich gleich vorweg auf fünf Kernkompetenzen hinweisen, auf die wir uns unter dem sozusagen übergreifenden ESG-Dach konzentrieren. Als Erstes würde ich aktive und sogenannte Conviction-Strategien nennen, zugegeben ein recht weit gefasstes Thema, auf das wir gern noch näher eingehen können. Das zweite zunehmend wichtiger werdende Thema sind Investments in Schwellenländer. An dritter und vierter Stelle kommen Multi-Asset und Private Assets, und nicht weniger von Bedeutung sind an fünfter Stelle der Geldmarkt und andere Liquiditätslösungen.
Warum speziell diese fünf?
Das sind allesamt Bereiche, in denen wir unserer Auffassung nach einen deutlichen Mehrwert gegenüber vielen Mitbewerbern bieten – vor allem weil grundsätzlich all diese Elemente mit einem Ansatz kombiniert sind, den wir lösungsorientiert nennen. Und wir stellen zunehmend fest, dass Kunden bereit sind, mit uns auf der Grundlage dieses Mehrwerts zusammenzuarbeiten und nicht nur auf der Grundlage eines speziellen Produkts. Wir sehen uns und unsere Branche nicht als Verkäufer von Produkten, sondern als Unternehmen, das seinen Kunden intellektuelles Kapital zur Verfügung stellt, das in Form von Produkten, aber eben auch in Form von strategischer Zusammenarbeit bei einer Reihe von Aspekten eingesetzt werden kann.
Aber warum ist das gerade für deutsche und österreichische Investoren von Bedeutung?
Weil wir eine Reihe entsprechend maßgeschneiderter Lösungen für Versicherungs- und Pensionsfondskunden, sprich langfristig agierende Investoren, entwickelt haben, die deren tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen.
Das würden sicher auch andere Anbieter von sich behaupten. Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Wir haben zum Beispiel Lösungen für den Versicherungsmarkt entwickelt, um den Solvabilitätskoeffizienten, genauer gesagt, die Ausstattung eines Versicherers oder eines Pensionsfonds mit kapitaleffizienten Assets, zu optimieren. Wir setzen dazu eine Art Mix aus unserem Geschäft mit Private Assets ein, um entsprechende Cashflow-Matching-Lösungen, wie wir das nennen, zu schaffen. Unser Ansatz ist dabei mit einem guten Verständnis für die entsprechenden Auswirkungen in buchhalterischer und aufsichtsrechtlicher Hinsicht verbunden, aus meiner Sicht ein echter Mehrwert, den wir mit einem starken Fokus auf festverzinsliche Anlagen bieten – nach wie vor die wichtigste Allokation für deutsche und österreichische institutionelle Kunden.
Wie ist die Resonanz?
Auch wenn wir entsprechende Volumenzahlen nicht veröffentlichen: Mit der Umsetzung der eben beschriebenen Strategie ist der Umfang unseres Geschäfts mit deutschen Kunden enorm stark gestiegen. Wir haben unsere für diese Investoren verwalteten Assets dadurch nahezu verdreifacht. Das werten wir als Zeichen, dass unser Ansatz speziell für dieses Kundensegment durchaus relevant ist.
Gibt es noch andere Bereiche, von denen Sie sagen würden, dass Ihre Gesellschaft in einem für die gesamte Branche keineswegs einfachen Jahr punkten konnte?
Mich persönlich hat rückblickend sehr zufrieden gemacht, dass wir nach einem extrem schwierigen ersten Halbjahr in der zweiten Jahreshälfte wieder ordentlich Tritt fassen konnten. So konnten wir am Ende einen Nettomittelzufluss von fast zehn Milliarden Euro melden, was nach meiner Wahrnehmung eines der besten Ergebnisse in Europa ist. Zudem sehen wir inzwischen die ersten Früchte einer erheblichen Umstrukturierung des Unternehmens, die wir in den vergangenen fünf Jahren vorgenommen haben. Und das betrifft nicht nur die strategische Ausrichtung, sondern auch die Anbindung neuer Mitarbeiter, was in allen Bereichen – ob im Portfoliomanagement und in unseren Prozessen insgesamt oder auch in Bezug auf das Thema Governance – zu einer erheblichen Qualitätsverbesserung geführt hat.
Was jetzt schon ein wenig nach „Marketingsprech“ klingt. Können Sie Ihre markigen Worte auch mit konkreten Zahlen belegen?
Durchaus! Einer der wesentlichen Key-Performance-Indikatoren in unserer Branche ist der prozentuale Anteil der Vermögenswerte, die ihre Benchmark übertreffen. Auf einer assetgewichteten Basis haben wir in dieser Beziehung im vergangenen Jahr einen Wert von knapp 75 Prozent erreicht. Das heißt, drei Viertel der von uns verwalteten Vermögenswerte haben ihren jeweiligen Vergleichsindex übertroffen. Damit müssen wir uns sicher nicht verstecken, vor allem nicht nach der erwähnten umfangreichen Umstrukturierung und nach drei Jahren, die am Ende extrem unterschiedlich verlaufen sind.
Es liegt nahe, was Sie meinen, aber beschreiben Sie uns doch kurz, wie Ihre Gesellschaft die Zeit erlebt hat.
Das Jahr 2020 war mit dem Aufkommen von Covid-19 und dem einsetzenden großen Run auf Nachhaltigkeitsthemen eher so etwas wie ein enormer Beschleuniger. 2021 dagegen war im Grunde vollkommen anders und gekennzeichnet von einer sehr starken Entwicklung der Kapitalmärkte und immer noch stark von deflationären Themen geprägt, während Nachhaltigkeitsaspekte zunehmend komplexer diskutiert wurden. Und 2022 würde ich als geradezu beispielloses Jahr bezeichnen, in dem geopolitische Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine und offene Fragen nach einer ausreichenden Energieversorgung, aber auch die Angst vor einer immer weiter ausufernden Inflation und ein kompletter Paradigmenwechsel bei der Zinsentwicklung die Entwicklung beherrscht haben. Aber ohne überheblich wirken zu wollen: Dieser Zeitraum von insgesamt 36 Monaten war auch eine Art Test für unser Unternehmen, den wir meiner Ansicht nach sehr gut bestanden haben.
Das müssten Sie uns schon ein wenig erläutern.
Die gesamte Entwicklung war für mich so etwas wie der Praxisnachweis, dass wir mit unserer neuen Aufstellung in der Lage sind, unter den unterschiedlichsten makroökonomischen Bedingungen gleichbleibend gut abzuschneiden. Und auch diese Aussage kann ich mit nachprüfbaren Zahlen unterlegen. Die Zahl für unsere Nettozuflüsse im vergangenen Jahr habe ich schon genannt. Im Jahr zuvor, sprich 2021, lag dieser Wert sogar bei 35 Milliarden Euro an netto neu zugeflossenen Mitteln, und 2020 waren es sogar 40 Milliarden Euro. Ich denke schon, dass das ein?Beleg dafür ist, dass wir inzwischen über eine gut funktionierende Plattform verfügen, die sich zudem als durchaus widerstandsfähig und gut diversifiziert erwiesen hat. Und Sie werden mir erlauben, dass ich an dieser Stelle auf unsere Unternehmenskultur hinweise, die wir mithilfe aller Kollegen und durch Konzentration auf Kunden und Leistung im Lauf der Zeit aufgebaut haben.
Aber auch in Ihrem Unternehmen gibt es doch mit Sicherheit Aspekte, bei denen Sie sich mehr gewünscht hätten oder wo Sie Nachholbedarf sehen.
Es wäre ja vermessen zu behaupten, es gäbe nichts, was wir nicht verbessern könnten. Das beginnt schon bei der Performance der einen oder anderen Strategie, wo wir sicher noch zulegen können, weil sie noch nicht unseren Erwartungen entsprochen hat. Das ist etwas, an dem wir genauso arbeiten werden wie an einer strikten und ständigen Konzentration auf unsere strategische Ausrichtung. Meine Aufgabe als CEO ist manchmal geradezu einfach, wenn es die interne Seite betrifft. Denn sie besteht häufig darin, einfach nur „Nein“ zu sagen, ganz einfach um die Mitarbeiter darauf zu konzentrieren, was wir bereits aufgebaut haben und von dem wir wissen, dass es bestens funktioniert. Wir haben zwar keinen besonderen Slogan für unseren strategischen Plan bis zum Jahr 2025, aber am besten geeignet wäre wahrscheinlich ein Titel in der Manier des gern im Englischen verwendeten Ausdrucks „more of the same“, um uns alle daran zu erinnern, dass es darum geht, die strategische Richtung, die wir eingeschlagen haben, immer noch weiter zu verbessern.
Wobei sich natürlich sofort die Frage nach dem „Wie“ stellt.
Bei dieser Frage ist Technologie ein Schlüsselelement unseres Strategieplans. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine unserer langfristigen Herausforderungen darin besteht, wirklich zu verstehen, in welchem Ausmaß sich Technologie auf unser gesamtes Geschäft auswirken wird.
Neben dem Thema künstliche Intelligenz und Natural Language Processing fällt in diesem Zusammenhang auch häufig der Begriff Blockchain. Bei Ihnen auch?
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, aber lassen Sie mich eines vorwegschicken, weil bei diesem Stichwort gern Dinge vermischt werden: Wir waren nie in Kryptowährungen investiert oder involviert und haben auch nicht vor, daran etwas zu ändern. Wir haben Krypto noch nie als Anlageklasse verstanden. Woran wir aber sehr wohl interessiert sind, das ist die dahinterstehende Blockchain-Technologie, denn da steckt sehr viel mehr Potenzial drin, als darüber eine dezentrale Alternativwährung abzubilden. Wir haben beispielsweise im vergangenen Jahr in einer gemeinsamen Anstrengung mit der BNP Paribas Securities Services und der BNP Paribas Corporate and Industrial Banking an der ersten tokenisierten Anleihenemission teilgenommen, die wir in einen unserer Private-Assets-Fonds eingebracht haben, was im Übrigen sehr gut funktioniert hat. Nicht nur deshalb sind wir davon überzeugt, dass die Blockchain als Technologie eine wichtige Rolle spielen wird, da sie den Übergang von einem zentralisierten zu einem dezentralisierten Ledger-Modell ermöglicht. Das wird zu einer höheren Effizienz führen, weil es helfen kann, eine Reihe von Zwischenschritten in der gesamten Wertschöpfungskette einzusparen. Deshalb werden wir auch weiter daran arbeiten.
Als Sie eingangs von einem ESG-Dach gesprochen haben, das im Grunde alle Aktivitäten Ihres Hauses überspannt, konnte man spüren, dass Ihnen das Thema wirklich wichtig ist. Nur behauptet heute natürlich nahezu jeder Marktteilnehmer, Nachhaltigkeit sei schon immer Teil seiner DNA?gewesen.
Nur können wir es meiner Ansicht nach durchaus belegen. Nicht nur, weil wir uns klar zur ESG-Integration in unsere Portfoliomanagementprozesse bekannt haben, weil wir als eine der ersten Gesellschaften der Net Zero Asset Management Alliance beigetreten sind oder weil wir den Weg der Transition von Unternehmen durch aktives Stewardship bewusst begleiten. Wir haben auch nachweisbar eine Rolle als „Early Adopter“ bei ESG eingenommen, was heute viele lediglich von sich behaupten, ohne es belegen zu können.
Und womit können Sie es belegen?
Auch wenn viele das vielleicht im Rückblick anders sehen: Frankreich war so etwas wie ein Vorreiter in Europa, was die Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten insgesamt angeht. Im Zuge dessen hat auch unsere Gesellschaft sich vergleichsweise früh damit beschäftigt, wie entsprechende Kriterien im Asset Management umgesetzt werden können. Wir haben in diesem Zusammenhang nicht ohne Grund früher als andere einen eigenen ESG-Score entwickelt. Das hat uns zwar einiges an Arbeit beschert, uns aber auch ein besseres Verständnis für die damit zusammenhängenden Dynamiken vermittelt. Und was Ihre Frage nach einem Beleg angeht: Als die SFDR-Verordnung vor rund zwei Jahren in Kraft getreten ist, mussten wir nicht lange darüber nachdenken, was wir an unseren Produkten ändern müssten, um einen großen Teil unseres Assets nach Artikel 8 oder 9 zu klassifizieren, im Gegenteil: Wir haben sehr schnell festgestellt, dass 80 Prozent unserer Fonds bereits einer dieser beiden Klassen weitgehend entsprochen haben. Und es freut mich, dass unser Bemühen inzwischen auch von unabhängiger Stelle anerkannt wird.
Was sprechen Sie hier an?
In der jüngsten Studie namens „In Debt To the Planet“, die im Dezember des vergangenen Jahres von der anerkannten britischen Nichtregierungsorganisation ShareAction veröffentlicht wurde und in der die Strategien und Ansätze der 25 größten europäischen Banken zum Schutz biologischer Vielfalt und zur Bekämpfung des Klimawandels analysiert wurden, belegt BNP Paribas den ersten Platz.
Dann waren Sie weniger betroffen, als Anfang Dezember 2022 andere Fondsableger von Großbanken einige Fonds von Artikel 9 auf Artikel 8 herabstufen mussten?
Als Reaktion auf die Weiterentwicklung der SFDR hat unsere Gesellschaft insgesamt 29 Fonds mit einem verwalteten Vermögen von 16,9 Milliarden Euro von Artikel 9 in Artikel 8 umklassifiziert. Darunter waren 24 Indexfonds mit verwalteten Assets in Höhe von zirka 15 Milliarden Euro. Die Mehrheit unserer aktiv verwalteten Fonds nach Artikel 9 SFDR – das entspricht etwa 19 Milliarden Euro in 16 Fonds – konnte als solche klassifiziert bleiben.
Aber ist das nicht ein Beleg dafür, dass nachhaltiges Investieren in einem passiven Fondsmantel nicht wirklich funktionieren kann?
Ehrlich gesagt bevorzuge ich in der nach wie vor gern geführten Aktiv-passiv-Diskussion eine pragmatische statt einer ideologischen Sichtweise. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass wir beide Instrumente brauchen, um unseren Kunden zu helfen, durch unsichere Zeiten zu navigieren, die durch vier enorme Umwälzungen gleichzeitig geprägt sind, nämlich Nachhaltigkeit, Technologie, Demografie und Geopolitik. Dabei spielt passives Investment durchaus eine wichtige Rolle. Andererseits hat gerade ein strikter ESG-Ansatz das aktive Management wieder nennenswert ins Spiel gebracht. Passives Managen funktioniert, wenn man der dahinter stehenden Theorie vertraut, dass Informationen jederzeit und jedermann zur Verfügung stehen und deshalb unmittelbar in die Kurse von Assets eingepreist sind. Das trifft aber offenbar weniger zu, wenn ESG-Aspekte mit in Betracht gezogen werden, eben weil die Daten nicht ohne Weiteres verfügbar und vor allem nicht zu 100 Prozent genau sind. Deshalb legen wir sehr großen Wert auf unsere eigene ESG-Dateninfrastruktur, weil wir glauben, dass diese ein immer bedeutenderes Element in der gesamten Debatte sein wird. Und noch eines dazu: Ich glaube, dass die Grenze zwischen aktivem und passivem Management in gewisser Weise immer mehr verschwimmen wird.
War das auch einer der Beweggründe dafür, dass BNP Paribas Asset Management seine ETF- und quantitativen Portfoliomanagementteams zusammengelegt hat?
Wir haben diese neue Abteilung für systematische und quantitative Anlagen, abgekürzt SQI, geschaffen, weil wir davon überzeugt sind, dass für ein erfolgreiches Portfoliomanagement die verstärkte Nutzung von Daten und künstlicher Intelligenz eine zunehmend bedeutende Rolle spielen wird. Deshalb wollen wir sicherstellen, dass in dieser Beziehung gewissermaßen das gesamte Unternehmen über alle Teams hinweg und unabhängig von der Verpackung einzelner Produkte oder Lösungen vollständig integriert und organisiert ist. Dabei spielt zum einen der wachsende Trend hin zu aktiv gemanagten ETFs eine Rolle. Aber um an den Anfang unseres Gesprächs zurückzukommen: Bei allem, was wir tun, wird künftig das Thema von einem eindeutigen Bekenntnis zur Integration der gesamten Palette von Nachhaltigkeitsaspekten bestimmt sein.
Da stört Sie auch nicht, dass die Zahl der ESG-Kritiker in letzter Zeit mehr und mehr zunimmt?
Ich kann nur sagen, dass wir von einem absolut überzeugt sind: Wer es als Asset Manager in den nächsten fünf Jahren versäumt, Nachhaltigkeitsaspekte ausreichend zu berücksichtigen, wird negative Auswirkungen auf die erzielte Rendite seiner Produkte und Lösungen spüren. Deshalb sehen wir es gewissermaßen als unsere Pflicht an, mit unseren Kunden über das ESG-Thema ins Gespräch zu kommen und ihnen die Hintergründe und möglichen Auswirkungen zu erläutern. Es wird natürlich Kunden geben, denen das nicht ganz so wichtig erscheint. Aber ich habe schon an anderer Stelle gesagt, dass wir dann wahrscheinlich nicht der richtige Manager für sie sind. Wir passen nicht zu jedem.
Wir danken für das Gespräch!
Hans Heuser