Wie sie ticken
Schweizer Uhren und Schweizer Stiftungen gehören wohl zu den wichtigsten Trademarks der Eidgenossenschaft. Zwei Publikationen umreißen, wie das Stiftungswesen des Landes tickt und wie das dortige Vermögen verwaltet wird.
Im Schweizer Stiftungssektor hat sich das Vermögen in den letzten zehn Jahren beinahe verdoppelt. Die insgesamt 13.790 Schweizer Stiftungen verfügen über ein Vermögen von knapp 140 Milliarden Schweizer Franken. Das geht aus dem Schweizer Stiftungsreport 2023 hervor, der jährlich von SwissFoundations, dem Zentrum für Stiftungsrecht an der Universität Zürich und dem Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel herausgegeben wird.
Die aggregierte Bilanzsumme der Stiftungsvermögen ist damit seit 2017 um 43,4 Prozent gestiegen. Dieses deutliche Wachstum lässt sich mit neu entstandenen Stiftungen sowie dem Vermögenszuwachs bei Immobilien und Wertpapieren erklären. In der Schweiz wurden im vergangenen Jahr 337 neue Stiftungen gegründet. Somit bleibt die Wachstumsrate trotz 214 Liquidationen konstant. Die absolut meisten Stiftungen finden sich mit einer Gesamtzahl von 2.225 im Kanton Zürich, gefolgt von Bern und der Waadt mit 1.374 Stiftungen. Dicht dahinter folgt der Kanton Genf, der aufgrund der vielen Stiftungsgründungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten bald einer der drei größten Stiftungskantone sein wird.
Differenzierte Entwicklung
Bei der Betrachtung der Gesamtübersicht lassen sich über die Jahre kaum Veränderungen im Tätigkeitsbereich feststellen. Zuvorderst stehen die Bereiche Kultur und Freizeit, Forschung und Bildung sowie Sozialwesen.
Rückt man hingegen nur die Stiftungen in den Fokus, die in den letzten zehn Jahren gegründet wurden, dann ergibt sich ein differenziertes Bild: Forschung und Bildung sowie Sozialwesen sind immer noch deutlich vorn, der Bereich Kultur fällt jedoch etwas zurück. Dafür legen Stiftungen im Themenkreis Umweltschutz deutlich zu. Ebenso sind bei politischem Engagement höhere Anteile erkennbar. Jeweils die Hälfte der heute bestehenden Stiftungen in diesen Bereichen ist in den letzten zehn Jahren entstanden.
Neue Sichtweise notwendig
„Allerdings ist zu beachten, dass die Kategorien der Klassifizierung in den 1990er-Jahren entwickelt wurden und damit kaum die heutigen Schwerpunkte der Gemeinnützigkeit erfassen können. Deshalb wird über neue Systematisierungen und Klassifizierungen nachgedacht“, heißt es im Report. Und: „Aus der Praxis ist in den vergangenen Jahren vermehrt zu hören, dass die Steuerverwaltungen bei Neugründungen Wert darauf legen, dass der gemeinnützige Zweck der Stiftung möglichst in der Schweiz umgesetzt wird. Die damit verbundene Begründung, dass Schweizer Gemeinwohl in der Schweiz zu liegen hat, erscheint in Zeiten von Migrationproblemen, Klimawandel und Digitalisierung wenig zukunftsorientiert.“
Insgesamt hat die Mehrzahl der Stiftungen mit 52 Prozent einen lokal, kommunal oder kantonal gebundenen Zweck. Danach folgen 25 Prozent Stiftungen mit einem nationalen Aktivitätsradius. Zuletzt folgen Stiftungen mit internationalem Zweck (23 Prozent), wobei die meisten davon in den Bereichen Bildung und Forschung (20,2 Prozent) sowie Soziales und Entwicklungszusammenarbeit (19,9 Prozent) tätig sind.
Wie sie gemanagt werden
Der Stiftungsrat ist das zentrale und wichtigste Gremium einer Stiftung. Insgesamt gibt es in der Schweiz 71.147 Stiftungsratsmandate. Im Durchschnitt verfügt ein Stiftungsrat über 5,2 Mitglieder. Hinsichtlich der Diversität besteht nach wie vor Aufholbedarf. 30,4 Prozent der Stiftungsratsmitglieder sind weiblich, und 12,6 Prozent haben keine Schweizer Staatsbürgerschaft. Von den ausländischen Stiftungsräten stammt mehr als die Hälfte aus den Nachbarländern. Insgesamt sind 141 Nationalitäten in den Schweizer Stiftungsräten vertreten.
Immer häufiger suchen Stiftungen öffentlich über Anzeigen oder Internetportale nach Nachfolgern für ihr oberstes Leitungsgremium. „Dass ein Stiftungsratsmandat anspruchsvoll ist, lässt sich aus der Tatsache schließen, dass über 90 Prozent der Mandatsträger:innen nur ein Stiftungsratsmandat übernehmen“, so der Report.
Wie sie investieren
Doch wie agieren die Stiftungsmanager mit all dem verwalteten Vermögen am Finanzmarkt? Auf diese Frage gibt der „Benchmark Report“ der Interessenvertretung SwissFoundations einen detaillierten Einblick: „Der Report führt in den einzelnen Stiftungen, aber auch im Sektor insgesamt zu wichtigen Denkanstößen, welche zu einer professionellen Vermögensverwaltung beitragen“, wie es Sabrina Grassi, Präsidentin der Stiftungsvertretung, formuliert.
2023 haben sich zu diesem Zweck 46 Mitglieder von SwissFoundations mit einem Vermögen von 10,1 Milliarden Schweizer Franken an der Umfrage beteiligt. Damit wurde ein neuer Teilnehmerrekord erreicht. Der Benchmark Report wird seit 2016 von SwissFoundations, dem Verband der Schweizer Förderstiftungen, herausgegeben. Verantwortlich für die Analyse ist PPCmetrics, ein führendes Beratungsunternehmen für institutionelle und private Anlage.
Gefrage Aktien
Die Wahl der Anlagekategorien hat beachtliche Auswirkungen auf die Rendite und das Risiko eines Anlegers. Mit 41 Prozent bilden Aktienanlagen im Durchschnitt den größten Anteil am Portfolio der teilnehmenden Förderstiftungen. Immobilien (22 Prozent) und Obligationen (18 Prozent) sind im Durchschnitt mit einem ähnlich hohen Anteil im Portfolio vertreten.
Rund zehn Prozent des Anlageportfolios der teilnehmenden Förderstiftungen bestehen aus alternativen und sonstigen Anlagen. Je nach Größe haben die teilnehmenden Förderstiftungen ihr Vermögen unterschiedlich investiert. Kleine Förderstiftungen halten im Durchschnitt mehr Liquidität (22 Prozent), mittlere Stiftungen dafür im Vergleich mit 54 Prozent am meisten Aktien.
Große Förderstiftungen halten im Durchschnitt deutlich mehr Immobilien (22 Prozent) als die übrigen Stiftungen. Dies könnte unter anderem damit erklärt werden, dass große Förderstiftungen eher die Möglichkeit haben, Immobiliendirektanlagen zu halten.
Stark nachhaltig
85 der Förderstiftungen berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien in irgendeiner Form und für mindestens einen Teil ihres Vermögens. Negativkriterien (97 Prozent) und Best in Class (74 Prozent) sind die am häufigsten verwendeten Nachhaltigkeitsansätze. 19 von 39 Stiftungen (49 Prozent) nehmen Aktionärsstimmrechte wahr, und 44 Prozent betreiben Impact Investing.
„Zurückzuführen ist dies auf die Marktkorrektur bei den börsennotierten Aktien und Anleihen als Folge des Zinsanstiegs“, so die Analyse im Report. Am besten schnitten Förderstiftungen mit einem hohen Anteil an nicht notierten Anlagen ab – dazu gehören Immobiliendirektanlagen oder Private Equity. „Diese Anlagen sind nicht marktbewertet und reagieren nur mit Verzögerung auf Marktbewegungen“, ist die Einschätzung des Benchmark Reports.
Vergleichende Analyse
Im Vergleich zu Pensionskassen (siehe Chartbild „Wie sich un welchen Stiftungen die Renditen entwickelten“), die laut den Report-Angaben im Schnitt ein Minus von 9,20 Prozent hinnehmen mussten, verzeichneten Förderstiftungen 2022 im Durchschnitt eine leicht tiefere Rendite von minus 10,92 Prozent. Dies ist hauptsächlich auf den höheren Anteil an Aktien zurückzuführen.
Über die vergangenen fünf Jahre (2018 bis 2022) sind die Renditen von Förderstiftungen und Pensionskassen vergleichbar und liegen bei plus 9,72 respektive 9,86 Prozent. Förderstiftungen halten mit durchschnittlich 43 Prozent deutlich mehr Aktien als Pensionskassen, die es in diesem Bereich auf 31 Prozent bringen. Pensionskassen halten dafür durchschnittlich doppelt so viele Anleihen – also 34 im Vergleich zu 17 Prozent.
Ähnlicher Immobilienanteil
Der Anteil an Immobilien (21 vs. 23 Prozent) am Gesamtvermögen ist zwischen Kassen und Stiftungen ähnlich, während der Anteil an alternativen und sonstigen Anlagen mit je 9,0 Prozent deckungsgleich ist.
„Förderstiftungen können mehr Risiko eingehen, da sie im Vergleich zu Pensionskassen Durststrecken an den Anlagemärkten meist besser durchstehen können“, so eine Erklärung im Benchmark Report. Über die vergangenen fünf Jahre (2018 bis ?2022) sind die Renditen von Förderstiftungen und Pensionskassen mit plus 9,72 versus plus 9,86 Prozent in etwa ident ausgefallen.
Inflation – welche Inflation?
Das Thema Inflation (siehe Chartbild „Inflation? Welche Inflation?“) beschäftigte nur rund die Hälfte der Stiftungen: Rund vier von zehn Förderstiftungen nahmen die gestiegene Inflation zum Anlass, ihre Anlagepolitik zu überprüfen. Bei rund drei von zehn Förderstiftungen war die Teuerung im Bereich der Administration ein Thema – beispielsweise bei Lohnerhöhungen.
Bei der Förderaktivität gab der Anstieg der Inflation noch seltener zu Diskussionen oder Maßnahmen Anlass – nämlich nur bei 17 Prozent der Befragten.
Die Geschäftsstelle wird bei großen Stiftungen primär durch interne Mitarbeitende (85 Prozent) geführt. Die Hälfte der mittleren Stiftungen beauftragt Externe. Bei kleinen Stiftungen ist jeder zweite Stiftungsvorstand selbst für die Geschäftsleitung verantwortlich.
Rochaden bei den Report-Herausgebern
Einiges an News gab es zuletzt übrigens auch von Seiten der Benchmark-Report-Herausgeber. Wie berichtet hat die Interessenvertretung SwissFoundations ihr Präsidialsystem auf einen turnusmäßige Präsidentschaft umgestellt (Anm.: Siehe Interview in der letzten Ausgabe von Institutional Money mit der ersten turnusmäßigen Präsidentin Sabrina Grassi).
Seither ist es auch zu einem Wechsel in der Geschäftsführung gekommen. In der entsprechenden Aussendung heißt es, dass „der Vorstand von SwissFoundations zur Wahrung der Kontinuität Susanne Wittig ab Anfang 2024 zur Geschäftsführerin ad interim ernannt hat“. Susanne Wittig wird demnach ab November die beiden scheidenden Co-Geschäftsführerinnen Julia Jakob und Aline Freiburghaus bis zu deren Austritt Ende Jahr begleiten und sukzessive Aufgaben im Verband übernehmen.
Susanne Wittig führt seit 2015 ihre eigene Beratungsfirma, mit der sie unter anderem Stiftungen und den öffentlichen Sektor in der Wirkungserzielung unterstützt.
Julia Jakob wird ihre Funktion als Co-Geschäftsführerin von SwissFoundations Ende Dezember abgeben. Ende November legt Aline Freiburghaus ihr Amt nieder. Der Vorstand von SwissFoundations hat deshalb entschieden, dass Susanne Wittig bereits ab November 2023 in den Verband eintritt und sukzessive dessen Agenden übernimmt.
Hans Weitmayr