Weitere Verbreitung.
Die ZielrenteCHEMIE hat grünes Licht von der BaFin erhalten und stellt das vierte Sozialpartnermodell in Deutschland dar. Durchgeführt wird die ZielrenteCHEMIE von der Höchster Pensionskasse und organisiert vom globalen Vermögensverwalter Fidelity International.
Der Zug kommt ins Rollen, aber offenbar war es ein mächtiges Stück Arbeit: Im Mai 2024 erhielt das vierte Sozialpartnermodell in Deutschland grünes Licht von der Aufsichtsbehörde BaFin: die neue ZielrenteCHEMIE. Weil es ja ein Sozialpartnermodell ist, sitzen die Sozialpartner der chemischen und pharmazeutischen Industrie gemeinsam im Boot: der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und die Chemiegewerkschaft IGBCE. Durchgeführt wird die ZielrenteCHEMIE von der Höchster Pensionskasse; die Kapitalanlage verantwortet der globale Vermögensverwalter Fidelity International.
Ab Dezember 2024 geht’s los
„Damit erhalten die rund 1.700 Unternehmen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie die Möglichkeit, ihren Mitarbeitenden über eine Pensionskasse eine moderne betriebliche Altersvorsorge (bAV) in Form der reinen Beitragszusage anzubieten“, erklärt Christof Quiring, Leiter betriebliche Altersvorsorge und Mitglied der Geschäftsführung Deutschland bei Fidelity International. Seine Kollegin Annika Milz ergänzt: „An die neue ZielrenteCHEMIE können sich nun auch viele der kleineren Unternehmen aus der Chemie- und Pharmabranche und deren assoziierten Branchen anschließen und ihren Mitarbeitenden eine Betriebsrente mit guten Renditeaussichten anbieten. Ziel des Gesetzgebers war ja, nach Möglichkeit weitere Unternehmen in solche Modelle zu holen, damit die bAV auf eine breitere Basis geführt wird.“ Annika Milz leitet bei Fidelity International das institutionelle Geschäft in Deutschland und ist Co-Head des europäischen institutionellen Geschäfts.
Ab 1. Dezember 2024 steht die ZielrenteCHEMIE über die Höchster Pensionskasse den Unternehmen und ihren Mitarbeitern zur Verfügung. Was die Zielrichtung der teilnehmenden Unternehmen ist, dürfte in Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel klar sein: „Für Unternehmen der chemischen und pharmazeutischen Industrie ist dieses Sozialpartnermodell ein attraktiver Baustein im Wettbewerb um die besten Talente“, heißt es unumwunden in der Pressemeldung, die die beteiligten Parteien im August verschickt haben.
Alle sind happy
Dabei stellt die ZielrenteCHEMIE schon das zweite Angebot auf Basis des 2022 im Tarifvertrag eingeführten Sozialpartnermodells für die Chemiebranche dar. Klaus-Peter Stiller, BAVC-Hauptgeschäftsführer und damit Vertreter der Arbeitgeberseite, erklärt, was das Attraktive an dem neuen Plan ist: „Mit der ZielrenteCHEMIE steht den Unternehmen in unserem Tarifbereich ein weiteres attraktives Modell zur Verfügung. Wir sind stolz darauf, dass wir den Betrieben jetzt sogar eine Auswahl bei dieser zukunftsweisenden Form der betrieblichen Altersversorgung bieten können. Das ist bislang einzigartig in Deutschland.“
Auch die Arbeitnehmervertretung ist zufrieden: „Dass es im Chemietarifbereich nun ein zweites Angebot für ein Sozialpartnermodell gibt, ist eine gute Entwicklung, die beweist, dass das Modell zukunftsfest und gefragt ist. Gleichzeitig kann es so zum Vorbild für weitere Branchen und Unternehmen werden“, erklärt IGBCE-Tarifvorstand Oliver Heinrich.
Jürgen Rings, Vorstandsvorsitzender der Höchster Pensionskasse, freut sich, dass BAVC und IGBCE seiner Kasse deutschlandweit als erster Pensionskasse die Durchführung eines Sozialpartnermodells ermöglichen: „Mit der ZielrenteCHEMIE können Unternehmen ihren Mitarbeitenden eine zukunftsorientierte und attraktive Altersversorgung anbieten und sich im Wettbewerb um die besten Talente positionieren. Ein innovatives Altersversorgungsprodukt, ein geringer Verwaltungsaufwand durch digitale Prozesse und damit niedrige Kosten sowie eine attraktive Kapitalanlage zeichnen unser Angebot aus.“
Christof Quiring erklärt, warum die Kapitalanlage im Sozialpartnermodell so attraktiv gestaltet werden kann: „Ohne teure Garantien können Renditechancen deutlich besser genutzt sowie attraktivere Rentenleistungen erzielt werden. Daher läuten reine Beitragszusagen eine neue Ära in der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland ein und machen die zweite Säule sowohl für Beschäftigte als auch für Unternehmen attraktiv und zukunftsfest.“ Angestrebt wird bei der Kapitalanlage im neuen Sozialpartnermodell eine langfristig attraktive und trotzdem vergleichsweise schwankungsarme Rendite. Dazu werden die Beiträge für die späteren Betriebsrenten breit gestreut und über verschiedene Anlageklassen, Länder, Regionen sowie Branchen hinweg investiert.
Kollektiver Sicherungspuffer
Ein kollektiver Sicherungspuffer dient zum Ausgleich möglicher Rentenschwankungen und erhöht damit die Sicherheit des Systems. Aufgebracht wird er durch einen zusätzlichen Beitrag der Arbeitgeber. „Das ist aber nur für Worst-Case-Szenarien vorgesehen“, sagt Quiring.
Als Vertreter eines internationalen Asset Managers verweist er darauf, dass es fast überall auf der Welt reine DC-Modelle gibt, nur in Deutschland bis vor Kurzem nicht. „Die beste Garantie in der Altersvorsorge ist schließlich die Partizipation am Produktivkapital. Zum Glück hat es jetzt in Kooperation mit der Höchster Pensionskasse in der Chemiebranche geklappt, einen solchen Plan auf die Beine zu stellen.“
Möglichkeiten wurden 2018 geschaffen
Gesetzlich möglich sind Sozialpartnermodelle seit sechs Jahren, genauer gesagt seit Januar 2018. Erlassen wurde das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) am 17. August 2017, und in Kraft getreten ist es am 1. Januar 2018. Der deutsche Gesetzgeber wollte damit Betriebsrenten attraktiver machen und auf eine breitere Basis stellen. „Die Betriebsrente ist die älteste, wichtigste und kostengünstigste Zusatzversorgung im Alter“, unterstrich die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD), bei der Gesetzesverabschiedung im Bundestag, und der damalige Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) ergänzte: „Es setzen noch zu wenige Menschen auf eine Betriebsrente. Wir bieten daher sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern zusätzliche Anreize, damit mehr Betriebsrenten abgeschlossen werden.“
Das Bonbon für die Unternehmerseite ist der Wegfall der ansonsten verpflichtenden Garantien (mit einem entsprechenden Haftungstatbestand), während das Zuckerl für die Arbeitnehmer die steuerlichen Anreize und eine Nichtanrechenbarkeit bei der Grundsicherung im Alter (in gewissen Grenzen) sind – und natürlich die höheren Kapitalmarktchancen, die durch eine offenere Kapitalanlage ohne Garantien zugänglich sind. „Das Problem der Doppelverbeitragung von arbeitnehmerfinanzierten Beiträgen oberhalb von vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze hat der Gesetzgeber leider nicht entfernt“, bedauert Quiring. Trotzdem überwiegen die Pluspunkte, und mit den Vorteilen für beide Seiten hofft man auf eine Verbreiterung der Betriebsrente – insbesondere bei kleineren Unternehmen und bei Geringverdienern, denn dort ist die Verbreitung längst noch nicht so ausgeprägt wie von der Politik gewünscht.
Die Tarifparteien als Gestalter
Nachdem das Sozialpartnermodell als Prestigeobjekt der Rentenpolitik verabschiedet wurde, tat sich lange Zeit nichts – zumindest nichts nach außen hin Sichtbares. In Wirklichkeit jedoch haben sich die Tarifparteien an die Arbeit gemacht, denn ihnen wurde im Sozialpartnermodell sowohl die Gestaltung des jeweiligen Modells als auch die Formulierung der Anlagestrategie überlassen. Und es ist offenbar eine enorme Anstrengung, eine Betriebsrente in einen großen Tarifvertrag zu gießen. Um ein Sozialpartnermodell zu kreieren, braucht es nämlich zunächst eine tarifvertragliche Vereinbarung, und auch in der laufenden Steuerung müssen sich die Tarifvertragsparteien daran beteiligen. Gerade für die Gewerkschaftsseite war es ungewohnt, über die Chancen des Kapitalmarktes – ohne Garantien – nachzudenken, anstatt sie einfach als „Casino-Rente“ schlechtzureden. Nun sitzen sie selbst mit im Boot und müssen den Kapitalmarkt so nehmen, wie er nun mal ist: nicht exakt berechenbar. Es muss also tief in den komplexen Themenbereich der betrieblichen Altersversorgung und der Möglichkeiten der diversifizierten Kapitalanlage eingestiegen werden. Im Anschluss müssen die zugrunde liegenden Pensionspläne von der BaFin für unbedenklich erklärt werden, und das alles zusammen dauert seine Zeit.
Mindestens ein weiterer Plan ist noch im Genehmigungsverfahren bei der BaFin, die sich aber bedeckt hält. Der Markt ist gespannt, welche Branche als Nächste ein Sozialpartnermodell auf die Beine stellt. Die beiden großen Gewerkschaften Verdi und IG-Metall stehen noch aus, aber auch in den handwerklichen Betrieben gibt es viele Mitarbeiter, die nicht zu den Topverdienern gehören und daher eine gute Betriebsrente gebrauchen könnten.
Bisher gab es drei Sozialpartnermodelle
Bisher haben es erst drei Sozialpartnermodelle in die reale Umsetzung geschafft. Gleich zwei kamen in der zweiten Jahreshälfte 2022 auf den Markt: Das eine wurde federführend vom Energieunternehmen Uniper und verschiedenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen der Energiebranche konzipiert und investiert in einen bestehenden Spezialfonds, eine globale Multi-Asset-Strategie. Der dazugehörige Pensionsplan „Metzler rBZ 1“ bekam im September 2022 die Unbedenklichkeit der BaFin.
Das zweite Sozialpartnermodell wurde von der Chemiebranche ins Leben gerufen und investiert in das Sondervermögen SPM Chemie, eine globale Wertsicherungsstrategie. Die Unbedenklichkeitsbestätigung für den dazugehörigen Pensionsplan erteilte die BaFin im Oktober 2022.
Das dritte Sozialpartnermodell ist die BVV Maxrente, die für die Unternehmen der Finanzbranche konzipiert ist und zwei Produktvarianten enthält: Stabilität und Dynamik, jeweils mit klassischer und dynamischer Kapitalanlage. Die Durchführung erfolgt über den BVV-Pensionsfonds des Bankgewerbes AG. Für die beiden Pensionspläne hat die BaFin im Januar 2024 die Unbedenklichkeit festgestellt. Und nun die ZielrenteCHEMIE als Nummer vier.
Robuste Kapitalanlage, mehr Freiheitsgrade
„Für die Beschäftigten bringt die ZielrenteCHEMIE zahlreiche Chancen: Vor allem wegen der höheren Freiheitsgrade in der Kapitalanlage können sie eine höhere Rendite auf ihre Sparbeiträge und damit auch eine höhere Rentenleistung erwarten“, erklärt Christof Quiring. Für die teilnehmenden Arbeitgeber sieht er als wichtigste Vorteile den einfachen Anschluss an die ZielrenteCHEMIE, das hohe Maß an Planungssicherheit, die Eliminierung von Haftungsrisiken sowie die nicht bestehende Beitragspflicht in der gesetzlichen Insolvenzsicherung.
Ein zentrales Element der ZielrenteCHEMIE ist die robuste Kapitalanlage mit einer höheren Aktienquote, wobei die Sozialpartner und die Höchster Pensionskasse maßgeblich auf die langjährige Erfahrung von Fidelity International setzen. „Als internationales Haus sehen wir hier unsere Expertise. Global betreuen wir mittlerweile 35.000 Firmenkunden, darunter auch viele multinationale Unternehmen“, so Quiring.
In Deutschland lag der Fokus bislang eher auf Sicherheit. Dazu erklärt Annika Milz: „In Deutschland war das Thema Altersvorsorge stark vom Bedürfnis nach Sicherheit und Garantien geprägt, das vor allem die Versicherungsbranche vorangetrieben hat. Mit der reinen Beitragszusage treiben wir nun einen kulturellen Wandel voran. Das Sozialpartnermodell ist ein Vorstoß in diese Richtung.“
401-(k)-Pläne in den USA
Sie erklärt, dass es auch in den USA eine Weile gedauert hat: „Als dort die 401-(k)-Pläne in den 1980er-Jahren aufkamen, setzte Ned Johnson, damaliger CEO von Fidelity, sofort auf diese Karte. Zwar haben die ersten Unternehmen ihre Verträge gemacht, aber das Geschäft entwickelte sich anfangs nur langsam. Daher stiegen die ersten Asset Manager schon bald wieder aus dem 401-(k)-Business aus. Aber Ned Johnson rechnete damit, dass sich 401-(k)-Pläne durchsetzen würden. Heute wissen wir, dass das bAV-Geschäft in den USA die übliche J-Curve genommen hat und wie gigantisch groß das Geschäft inzwischen geworden ist“. Mittlerweile ist Fidelity Investments Marktführer bei 401-(k)-Plänen und verwaltet darin ein Volumen von rund 3,8 Billionen US-Dollar für 32,5 Millionen Planteilnehmer. „Die 401-(k)-Pläne in den USA sind relativ einfach geregelt. Dort gibt es keinen Puffer; den einzigen Puffer stellt die strategische Asset Allocation dar. Wir versuchen immer, gute Hilfestellung bei der langfristigen Portfoliozusammenstellung zu geben, aber letztlich kann der Mitarbeiter dort selbst über die Kapitalanlage und die Höhe der Einzahlungen entscheiden“, erklärt Quiring und ergänzt: „Wir wissen, dass alle beteiligten Parteien mit dem Sozialpartnermodell in Deutschland einen langen Atem brauchen, und den haben wir!“ Sein Haus kennt das in Deutschland von den Lebensarbeitszeitkonten, die anfangs eine Weile brauchten, um sich durchzusetzen. Mittlerweile verwaltet Fidelity hier 750 Millionen Euro an Wertguthaben, und mit der steigenden Flexibilisierung der Arbeit und dem Mangel an Talenten steigt auch hier die Nachfrage.
An das Betriebsrentenstärkungsgesetz 2.0, für das am 24. Juni 2024 ein Referentenentwurf vorgelegt wurde, knüpft Quiring ganz konkrete Hoffnungen: eine Öffnung der Sozialpartnermodelle über die Branchen hinweg, die Abschaffung der Doppelverbeitragung der Betriebsrente in der Kranken- und Pflegeversicherung und die Ausweitung der Idee, Betriebsrenten ohne Garantien zu konzipieren. „Das sollte man sich auch für andere Durchführungsweg überlegen, denn die Öffnung der Kapitalanlage ermöglicht einfach höhere Renten“, so Quiring.
Noch Informationsbedarf
Jetzt sieht Fidelity seine kommunikative Aufgabe aber erst einmal darin, die Mitarbeiter der Chemiebranche davon zu überzeugen, dass das neue Anlagekonzept, das ohne Garantien auskommt, die bessere Alternative ist. „Unsere Ambition ist dabei, eine deutlich höhere Rente zu erzielen“, sagt Annika Milz und denkt dabei auch an die höhere Kapitalmarktaffinität der jüngeren Generation. „Die Babyboomer bekommen jetzt bald ihre Lebensversicherungen ausbezahlt und rechnen vielleicht mal ihre Renditen auf die eingezahlten Prämien nach. Die jüngere Generation ist renditeorientierter und kostenbewusster.“
Anke Dembowski