Logo von Institutional Money
3/2023 | Produkte & Strategien

Sanieren oder Abrissbirne?

Viele Immobilienbestandshalter fragen sich, was sie mit ihrem Bestand anstellen sollen. Nicht selten stellt sich dabei die Frage: Lieber abreißen und neu bauen oder sanieren? Aber nicht jeder Investor hat Kapazitäten für eine breit angelegte Bestandssanierung.

Sanieren oder abreißen? Diese Frage ist in nächster Zeit bei einer Vielzahl von alten ­Bestandsimmobilien zu klären. 
Sanieren oder abreißen? Diese Frage ist in nächster Zeit bei einer Vielzahl von alten ­Bestandsimmobilien zu klären. © gmf

Vor allem während der Niedrigzinsphase sind einige Investoren am oberen Limit der regulatorisch möglichen Immobilienallokation angekommen. Nun wird eine Nachhaltigkeitsregulierungs-Rakete nach der ande­ren gezündet, sodass viele Bestandshalter überlegen, wie sie mit ihrem Bestand verfahren sollen.

Lange Zeit wurde zu wenig getan

Die Zeit, da die Zinsen niedrig waren und ausreichend Bauleute zur Verfügung standen, ließen viele ungenutzt verstreichen. „Es gab branchenweit wenig kaufmännische Gründe, nachhaltig zu investieren. Lange Zeit sind sowohl die Nettokaltmieten als auch die Immobilienbewertungen ohne Zutun gestiegen“, findet Sebastiano Ferrante eine Erklärung dafür, warum man mit der energetischen Sanierung des ­Bestands noch nicht weiter fortgeschritten ist. Er ist Deputy Head of Europe beim großen Bestandshalter PGIM Real ­Estate. Aber nicht nur vor, sondern auch nach der Zins­wende vom Juli 2022 halten viele Investoren inne – eine Art Schockstarre. „Politisch gewünscht ist ganz klar die Sanierung – nicht Abriss und Neubau. Ich rechne daher damit, dass das Wirtschaftsministerium demnächst umfangreiche Fördermittel in die Altbausanierung geben wird“, meint ­Jürgen Huth, Geschäftsführer von Faros-Consulting, und fährt fort: „Wegen vier Prozent Ausschüttungsrendite kauft jetzt keiner mehr einen Immobilienfonds, insbesondere nicht, wenn er perspektivisch Geld für die Sanierung in die Hand nehmen muss.“ Käufer haben inzwischen höhere Renditeanforderungen. Auf der anderen Seite sieht Huth auch keine groß angelegten Verkäufe durch institutionelle Investoren, zumindest vorerst nicht. „Das Damoklesschwert kommt erst dann, wenn die Zinsbindungsfrist ausläuft und refinanziert werden muss. Investoren, die vor sieben oder acht Jahren gestartet sind und einen Leverage von 50 Prozent haben, müssen sich dann überlegen, ob sich der Leverage noch lohnt. Sie müssen dann entweder Eigenkapital nachschießen oder Objekte verkaufen. Dadurch kann Preisdruck entstehen“, warnt Huth.

„Für unsere European-Core-Strategie haben wir eine ­Bestandsanalyse gemacht und sind dabei Immobilie für ­Immobilie durchgegangen. Wir haben überlegt: Was ist machbar? Auf welchen Standard können wir das Gebäude durch unsere Maßnahme bringen? Und wie viel kostet das?“, erklärt Ferrante. Dabei hat er auch das Stranding-Risiko im Blick und legt dann einen Fahrplan fest. „Wir berücksich­tigen unter anderem, ob die Immobilie derzeit voll belegt ist und ob die Mieter eine Maßnahme überhaupt zulassen würden. Bei der Kalkulation gehen wir immer davon aus, dass es keine Förderungen gibt, denn wir wollen uns die Maßnahmen nicht über die Zuschüsse schönrechnen.“ Schließlich habe man erlebt, dass Fördertöpfe innerhalb ­kürzester Zeit ausgeschöpft waren. Im Fahrplan von PGIM Real Estate steht dann, welche Immobilie bis zu welchem Datum auf welchen Stand gebracht werden soll. „Wenn rauskommt, dass wir ein Wohngebäude von G auf C bringen, dann ist das der konkrete Nachhaltigkeitsbeitrag. Manchmal lässt sich im Bestand einfach nicht mehr reali­sieren“, so Ferrante. Verpflichtungen gegenüber den Mietern und den Investoren gebe es schließlich auch.

Alles neu bauen ist keine Option

Ferrante gibt zu bedenken: „Natürlich ist ein Neubau viel besser planbar als die Sanierung eines Bestandsgebäudes. Beim Neubau wissen Sie sofort, welcher KfW-Standard ­herauskommt.“ Man müsse sich aber darüber im Klaren sein, dass es keine Option ist, jetzt den gesamten westeuropäischen Immobilienbestand abzureißen und neu zu bauen. „Das ist erstens von den Ressourcen her nicht möglich, und zweitens würden wir durch den immensen Beton- und Stahlbedarf CO2-technisch deutlich näher an die kritische Grenze stoßen“, meint Ferrante.

Bei Logistikimmobilien hält er die Maßnahmen für am leichtesten planbar. „Da bringen Sie als Erstes eine Solar­anlage aufs Dach und verbessern damit oft bereits die ­Effizienzklasse des Gebäudes“, so Ferrante. Häufig werden solche relativ einfachen, aber CO2-technisch effizienten Maßnahmen nicht durchgeführt, weil es in Deutschland schnell zu Problemen mit der Gewerblichkeit kommt. „In einer unserer großen Logistikimmobilien haben wir einen geeigneten Kooperationspartner gefunden, der die Dach­fläche von uns mietet und selbst die Solaranlage betreibt.“ Der Mieter, ein großes Logistikunternehmen, kann den Strom gleich selbst nutzen, ohne ein Problem mit der ­Gewerblichkeit zu haben. „Das Thema Gewerblichkeit ­haben wir nur in Deutschland. Es führt zu großer Frustra­tion bei institutionellen Investoren, die ja fast alle großen ­Bestandshalter sind“, so Ferrante.

Schwieriger sei die energetische Sanierung bei Wohn­immobilien. „Die Mieter müssen den Baulärm ertragen und befürchten neben Mieterhöhungen etwa Schimmelbildung, wenn eine Wärmedämmung angebracht wird. Darüber ­hinaus sind bei Wohngebäuden die Dachflächen für die Nachrüstung einer PV-Anlage im Verhältnis zum Strom­bedarf im Regelfall relativ klein“, sagt Ferrante.

Auch eine soziale Frage

Huth bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: „In verschiedenen Ländern ist die Miethöhe aus sozialen Gesichtspunkten gedeckelt. Die Politik muss sich dann die Frage stellen, wie die Gesetze zur energetischen Sanierung sozial flankiert werden sollen.“ Er beobachtet, dass Institutionelle derzeit gern in gefördertes Wohnen gehen, für das es vergünstigte Darlehen oder Tilgungszuschüsse gibt. „Das sind keine ­Sozialwohnungen, sondern die Mieter kommen aus der Mittelschicht.“ Statt am freien Markt 15 bis 16 Euro müssten die Investoren dann nur 11 bis 12 Euro verlangen. „Durch die Förderung wird das möglich. Die Mieten werden dann auf eine Weise indexiert, dass die Mieter sie bezahlen können. Für Investoren sind das interessante Objekte: Sie haben eine Indexierung und gleichzeitig stabile Mieter, die auch in zehn Jahren ihre Miete noch bezahlen können. So etwas sind gute Core-Investments, die einen stabilen Cashflow bieten. Außerdem erfüllen sie den sozialen Aspekt im Themenkanon ESG. Gefördertes Wohnen dürfte ein wichtiges ­Thema für die nächsten Jahre werden“, erwartet Huth.

Nebenkosten sind ein Thema. „Sie sind in den letzten Jahren bei Wohnimmobilien immer weiter in den Fokus gerückt, und Mietinteressenten werden hier zunehmend sensibel“, beobachtet Christian Motter, Geschäftsführer beim Fondsinitiator Deutsche Zinshaus Fonds Luxembourg. Er kann sich vorstellen, dass extrem hohe Nebenkosten bei ­unsanierten Gebäuden künftig ein Ausschlusskriterium darstellen könnten. „Daher versuchen wir, unsere Immobilien auf dem aktuellen Stand zu halten und schauen uns laufend vorhandene Optimierungspotenziale an: Was haben wir für eine Heizung? Besteht die Möglichkeit der Fernwärmenutzung? Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere die Modernisierung von Heizungssystemen und Fenstern ein verhältnismäßig gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis darstellen kann“, so Motter. Nebenkosten seien eben mehr als nur ein durchlaufender Posten für den Vermieter, denn über eine Senkung könnte man seinen Mietern einen Mehrwert bieten. Das ist ihm wichtig: „Wenn Sie ein gutes Objekt haben, das gepflegt ist, haben Sie damit mehr Erfolg am Markt. Unsere Mieter sollen gern bei uns wohnen. Letztlich kostet jeder Mieterwechsel Geld“, erklärt Motter.

Net-Zero-Ziel verschieben?

Zu den Nebenkosten gehört auch die CO2-Abgabe. Hier sieht Huth kritisch, dass man diese ausgerechnet zu einer Zeit um 50 Prozent erhöhen will, wo niedrige Einkommensgruppen mit der Inflation kämpfen. „Was die Ampelregierung da plant, wird zu sozialen Verwerfungen führen, und das stärkt die politischen Ränder. Dieser Problematik wird sich die Politik nicht verschließen können.“ Da sowohl das soziale als auch das umweltpolitische Ziel im Auge zu behalten sei, könne es sein, dass man das Net-Zero-Ziel verschieben muss, meint Huth.

Eine solche Aussage ist derzeit unpopulär, aber auch an anderer Stelle hat man sich bereits von den ambitionierten Klimazielen gelöst. So sagte der neue Chef des Weltklimarats (IPCC), Jim Skea, in einem „Spiegel“-Interview: „Wir sollten nicht verzweifeln, wenn die Welt die 1,5 Grad überschreitet“. Die Menschheit werde deshalb nicht aussterben. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung nimmt im Deutschlandfunk direkt Bezug auf Skeas Aussage und erklärt, dass das 1,5-Grad-Ziel angesichts der Weltlage in der politischen Praxis nicht mehr zu halten sei: „Physikalisch kann man es noch erreichen, aber dazu müsste man es eben anpacken, wie wenn man in einer Kriegssituation ist und das einfach die Top-Priorität hat.“ Womöglich wird am Ende doch nicht alles so heiß gegessen wie gekocht. Das meint auch Motter: „Natürlich ist die Herausforderung da, und die Richtung vorgegeben: Der Energieverbrauch bei Immobilien muss optimiert und auch reduziert werden – das hat die gesamte Branche meiner Meinung nach auch verinnerlicht. Aber ob die Umsetzung mit der politischen Brechstange tatsächlich hilfreich ist, wird sich zeigen.“

Mono-Technologie ist problematisch

Tatsächlich scheint die Gesetzgebung derzeit die technische Ist-Situation zu überholen. Am geplanten Heizungsgesetz in Deutschland kritisiert Ferrante, dass es allein Wärmepumpen favorisiert: „Die Wärmepumpe ist eine wichtige Technologie, aber besser wäre ein Mix an Maßnahmen. Mono-Technologie führt oft zu einer Überforderung der Systeme“, meint Ferrante: „Wenn jetzt alle Wärmepumpen installieren wollten, stellen sich einige Fragen: Woher soll die Energie kommen? Sind die Netze entsprechend ausgelegt? Was ist mit den Lieferketten, wenn auf einmal so viele Wärmepumpen bestellt werden?“ Auch Huth kritisiert das geplante Gesetz: „Es war einfach nicht durchdacht“, findet er und verweist auf die ­Erfahrungen des Wohnungsspezialisten Vonovia. Der hat in einige seiner Bestandsobjekte Wärmepumpen eingebaut, konnte sie aber nicht anschließen, weil das Stromnetz nicht ausreichte. „Wenn Sie einen Altbau haben, den Sie nicht sanieren können, dann läuft die Wärmepumpe im Winter voll über Strom. Wir haben in Deutschland aber keine Stromproduktion, die 100-prozentig CO2-neutral ist, sondern der Mehrstromverbrauch wird über Braunkohleverstromung kommen.“ Klimapolitisch sei das kontraproduktiv, stellt Huth klar. Ferrante hat eine Idee, wie es funktionieren könnte: „Wir brauchen ein klares Signal, dass der Einstieg in die Transformation stattfinden muss – ich denke, dass ist inzwischen geschehen. Aber wir brauchen für die Umsetzung der Maßnahmen einen Zeitraum, der der Her­ausforderung gerecht wird. Möglicherweise ist er länger, als die Regierung wahrhaben möchte – vielleicht beträgt er 10 bis 15 Jahre“, meint er.

Eine Frage der Wirtschaftlichkeit

Auch bei der DKW Deutsche KapitalWert AG, einem Service-Developer und Immobilieninvestor aus Berlin, ist man sich über die Richtung im Klaren. „Die Immobilienbranche ist für etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, daher sollten wir uns als Branche in der Nachhaltigkeit ­weiterentwickeln, das haben wir verstanden“, meint Patrick Herzog, der sich als Vorstand der DKW um Projektentwicklung und Baurechtschaffung kümmert. „Die Investoren sind derzeit sehr zurückhaltend. Das liegt unter anderem daran, dass auch die finanzierenden Banken zurückhaltend sind. Dort verändert sich allerdings die Sichtweise: Die Banken fürchten zunehmend, dass Immobilien, die nicht saniert werden, auf der Strecke bleiben. Außerdem kommen wir bei zu sanierenden Immobilien langsam in ein Preisniveau, dass man mit dem Ankauf einer leerstehenden Gewerbe­immobilie und deren Sanierung ein gutes Geschäft machen kann, wenn man sich mit energetischen Sanierungen auskennt“, meint Herzog.

Derzeit werde die DKW öfter von Bestandshaltern angesprochen. „Bestandshalter und Fonds kommen auf uns zu und sagen: Wir müssen etwas tun“, berichtet Herzog. Die Revitalisierung von Gebäuden sei eine Sparte, die viele noch nicht auf dem Schirm haben. „Sie ist auch nicht einfach. Ein Neubau ist leichter zu planen, allerdings sind hier zuletzt die Bau- und Finanzierungskosten gestiegen. Bei der DKW fahren wir aktuell den Neubau zugunsten von Sanierungen zurück. Heute liegt unser Verhältnis etwa bei 60 Prozent Sanierung und 40 Prozent Neubau. 2021 waren es vielleicht 20 Prozent Sanierung und 80 Prozent Neubau.“ Er hat insbesondere Büroimmobilien im Fokus. „Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man Bürogebäude klassisch aus Stahlbeton gebaut. Damit können wir ganz gut revitalisieren. Aber in den 90er-Jahren wurde teilweise so gebaut, dass sich die ­Objekte nicht oder schwer sanieren lassen. Die Statik, der Brandschutz … außerdem ist es hier manchmal schwierig, die energetischen Werte zu erreichen, die wir brauchen.“ ­Büros wurden in den 90er-Jahren viel gebaut, und damals war der energetische Weitblick noch nicht so wie heute. „Da ging es eher um tolle Glaspaläste. Jetzt, im Zuge der Energiepreiskrise, ist das Thema Betriebskosten präsenter als noch vor 2022“, so Herzog. Aus seiner praktischen Erfahrung weiß er: „Eine Fassade energetisch zu sanieren, Fenster auszutauschen oder eine Dachsanierung, das kriegt man relativ leicht hin. Teuer wird es bei den Themen Brandschutz und Haustechnik. Wenn Sie statische Eingriffe vornehmen müssen, um die Haustechnik zu erneuern, dann verlieren Sie den Bestandsschutz für die Brandsicherheit. Wenn es beispielsweise eine neue Heizung gibt, überlegen wir, ob wir auch die Stränge anfassen, denn dann brauchen wir gleich einen neuen Brandschutz.“ So müssten bei einer Sanierung viele Themen, die sich im weiteren Bauablauf ergeben können, im Vorfeld bedacht werden.

Ein besonderes Augenmerk legt die DKW auf Nutzungsneutralität. „Wenn ein Objekt 30 Jahre als Büro gedient hat, können dort heute auch Serviced Apartments, ein Hotel oder echtes Wohnen relevant werden. Die Flächennutzungspläne in den Städten sollten daher möglichst flexibel ­bleiben, denn unsere Gebäude müssen es auch“, so Herzog. Daher sei überlegenswert, wie die künftige Nutzung des Gebäudes aussehen soll. Die typischen Büroimmobilien der 90er-Jahre haben tiefe Gebäudekörper und große Spann­weiten. „Das funktioniert nur für einen Single Tenant, aber nicht wenn Sie Büroraum an mehrere unterschiedliche Mieter vermieten. Außerdem muss laut Arbeitsstättenver­ordnung die Deckenhöhe bei Büros mindestens drei Meter betragen, bei Wohnen gilt diese Regel nicht. Wenn die notwendige Deckenhöhe nicht gegeben ist, macht wirtschaftlich manchmal nur der Rückbau Sinn“, sagt Herzog. Man müsse eben Objekt für Objekt betrachten und überlegen: Was geht, und wo wird es schwierig oder unwirtschaftlich? Wie erhält man sich größtmögliche Flexibilität? Immer ­stärker ins Blickfeld rücke auch die Entsorgung des Bau­materials. „Wir versuchen, viele der Stoffe, die wir aus einem Rückbau erhalten, wiederzuverwenden. Mit altem Stahl geht das gut. Stahlbeton können wir heute so brechen, dass er sich als Recyclingmaterial nutzen lässt. Für belasteten Boden gibt es mittlerweile Bodenwaschanlagen, sodass Sie ihn nicht kostspielig entsorgen müssen, sondern wiederver­wenden können. In diese Richtung schauen wir uns viele Themen an“, erklärt Herzog.

Bei einem Objekt ist er gerade dabei, mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ein Rückbauzertifikat aufzusetzen. Dabei geht es nicht nur um Materialrecycling, sondern geprüft wird auch, in welcher Entfernung und wie die Materialien entsorgt werden oder wie die Bauarbeiter beansprucht werden. „Wenn wir fegen, müssen wir einen Wasserschlauch vorhalten; verarbeiten wir Asbest, müssen wir Schleusen bauen. Einer der Punkte war auch ein Hybrid-Bagger, für den es extra Punkte gegeben hätte. Aber der kostet das Fünffache eines dieselgetriebenen Baggers, und die Aufladezyklen hätten uns die Bauzeit extrem verlängert. Angesichts der steigenden Zinsen versuchen wir, unsere Prozesse effizienter und zeitsparend zu gestalten, ­daher haben wir auf den Hybrid-Bagger verzichtet“, spricht Herzog bestehende Zielkonflikte an.

Im Zuge von Rückbaumaßnahmen möchte Ferrante gern, dass der gesamte Immobilienlebenszyklus berück­sichtigt wird. „Es macht wenig Sinn, dass es in der aktuellen Regulierung ausschließlich um die Energieeffizienz des ­fertigen Gebäudes geht“, kritisiert er. „Das schafft keinerlei Anreiz, auch das gebundene CO2, das embedded carbon, zu berücksichtigen.

Gebundenes CO2 unberücksichtigt

Unter den jetzigen regulatorischen Vorgaben ist es einfacher, abzureißen und neu zu bauen, anstatt den Bestand energetisch zu sanieren.“ Auch andere Faktoren wie die Bau­substanz, ob das Gebäude bewohnt wird oder leer steht, ob es dem Denkmalschutz unterliegt, etc. würden von der ­Regulatorik nicht berücksichtigt. Ferrante ist klar, dass die Lösung Abriss und Neubau uns dem großen Ziel, die ­Gesamtbilanz der CO2-Emissionen zu reduzieren, nicht ­näher bringt. „Sie können ein Bestandsgebäude mit vertretbarem Aufwand maximal um 30 bis 50 Prozent energie­effizienter machen. Daher werden Sie mit einer Bestands­sanierung aus Sicht der bestehenden Regulatorik bei der Energieeffizienz immer hinter dem Neubau hinterherhinken. Das ist das Problem!“ Zusammen mit anderen Bestandshaltern setzt er sich dafür ein, dass es zu einer Regulierung kommt, die auch das gebundene CO2 berücksichtigt. „Unter dem Gesichtspunkt der kurz- bis mittelfristigen CO2-Emission ist es deutlich besser, ein bestehendes Wohngebäude von G auf C zu bringen, als es abzureißen und neu zu bauen, auch wenn der Neubau Energieeffizienzklasse A entsprechen würde. Ein Gebäude kann rund 40 Jahre ­genutzt werden, bis sich die CO2-Bilanz mit dem Neubau amortisiert. Und bei der CO2-Emission ist die Zeit ein ­wichtiger Faktor“, warnt Ferrante. Er bemängelt, dass dieser Zusammenhang in Deutschland noch nicht berücksichtigt wird. „In Großbritannien ist man da weiter. Marks & Spencer wollte an der Oxford Street in London sein Flagship-­Gebäude abreißen und neu bauen. Die Stadt London hat aber die CO2-Gesamtbilanz betrachtet und den Mode­händler aufgefordert, das Gebäude zu sanieren, anstatt es ­abzureißen“, verweist Ferrante auf Beispiele im Ausland.

Kim Politzer sieht ebenfalls große nationale Unterschiede. „Wie schnell Sie eine Genehmigung für eine Sanierung oder einen Neubau erhalten und unter welchen Auflagen, hängt stark von der lokalen Politik und der Einstellung gegenüber Immobilieninvestoren ab“, beobachtet Politzer. Sie leitet das Research für europäische Immobilien bei Fidelity International, das in Europa ein Immobilienportfolio von rund zwei Milliarden Euro hält. Auch wenn viele Deutsche der Meinung sind, dass die Bauanforderungen im eigenen Land besonders hoch sind, sei Deutschland hier eher ins Hintertreffen geraten. „In anderen Ländern sehen wir mehr Regulierungen, die Bestandshalter dazu ermuntern, ökologisch die richtigen Dinge zu tun“, so Politzer. Sie hält bei Immobilien eine weitere Harmonisierung für sinnvoll. „Beispielsweise würde es vieles vereinfachen, wenn wir europaweit einheitliche Energiestandards für Gebäude hätten.“

Klar ist: Die energetische Sanierung von Gebäuden muss vorangetrieben werden, aber womöglich geht es nicht ganz so schnell, wie man es sich erhofft.

Anke Dembowski

Dieses Seite teilen