(Miss)erfolgskontrolle
Eine Studie von PPCmetrics untersuchte, wie sich potenzielle Portfolios von institutionellen Investoren 2022 entwickelt haben, welche Performancetreiber es im abgelaufenen Jahr gab und wie hoch die durchschnittlich erzielten Renditen waren.
Dass das Anlagejahr 2022 für institutionelle Investoren kein Honiglecken war, muss nicht weiter ausgeführt werden. Wenn praktisch alle Assetklassen parallel in die Knie gehen, kann es nur noch um Schadensbegrenzung gehen. Wem das auf welche Weise im Vorjahr mehr oder weniger gut gelungen ist, dürfte daher heute jeden Investor interessieren – vor allem aber den institutionellen Bereich, weil hier nur ein Teil der tatsächlich erzielten Ergebnisse bekannt ist. Eine Untersuchung des Schweizer Beratungsunternehmens PPCmetrics wollte etwas mehr Licht ins Dunkel bringen. Die Studienautoren Luca Freiermuth, Oliver Kunkel, Stephan Skaanes, Rico Streun und Luca Tonizzo untersuchen darin, wie sich potenzielle Portfolios von institutionellen Investoren in der Referenzwährung Euro im Jahr 2022 entwickelt haben, welche Performancetreiber es im abgelaufenen Jahr gab und wie hoch die durchschnittlich erzielten Renditen waren. Auf diese Weise lässt sich zumindest rückblickend sagen, welche Anlageentscheide, welche Strategien sich wie ausgezahlt hätten. Folgende Anlageentscheide wurden untersucht:
• Gewichtung der Anlagekategorien
• Steuerung der Zinsrisiken (Duration)
• Eingehen von Kreditrisiken
• Absicherung der Währungsrisiken
• Investition in Emerging Markets
• Investition in Small Caps
• Einsatz alternativer Anlagen
„Vergleiche der Renditen allein sind jedoch wenig aussagekräftig für eine Beurteilung, ob der Strategieentscheid zum Zeitpunkt der Strategiefestlegung ‚korrekt‘ war. Bei der Wahl der Anlagekategorien und -strategie spielen neben dem zu erwartenden Ertrag auch das Risiko, die Handelbarkeit sowie andere Kriterien eine zentrale Rolle“, sagt Oliver Kunkel, Partner von PPCmetrics und Mitautor der Studie. Trotzdem komme der Anlagestrategie, also der Gewichtung der einzelnen Assetklassen, für den Anlageerfolg eine wichtige Rolle zu. Die Experten zitieren die Studie von Brinson, Hood, Beebower (1986) mit Daten von rund 90 US-Pensionskassen. Sie ergab, dass im Zeitraum von 1974 bis 1983 über 90 Prozent der Portfoliorisiken durch die Strategie erklärt werden konnten. Spätere Untersuchungen sowie eigene Analysen von PPCmetrics hätten die hohe Bedeutung der Strategiewahl für das Anlageresultat bestätigt.
In der Studie werden die einzelnen Anlagekategorien durch gängige Marktindizes abgebildet. Dabei werden die folgenden Anlagekategorien mit den entsprechenden Indizes berücksichtigt:
• Europäische Anleihen: FTSE EMU Government Bond Index (EGBI)
• Anleihen in Fremdwährungen: Bloomberg Global Aggregate ex EUR Index (hedged in EUR)
• Europäische Aktien: MSCI EMU Index
• Weltweite Aktien (ohne Europa): MSCI World ex EMU Index
Die größte Katastrophe des Vorjahres erlebten Großanleger bekanntlich auf der Rentenseite. Weil infolge des Inflationsanstiegs die historische Tiefzinsphase endete – was davor von vielen als Ding der Unmöglichkeit betrachtet wurde –, gerieten praktisch alle Anleihenmärkte ins Rutschen, wobei europäische Anleihen im Jahr 2022 mit einem Minus von 18,5 Prozent noch schlechter abschnitten als Aktien aus dem Euroraum (–12,4 Prozent). „Somit verloren institutionelle Anleger mit einem hohen Anteil an europäischen Anleihen am meisten an Gesamtrendite“, erklärt PPCmetrics-Partner Stephan Skaanes.
Dass die Kombination Aktien/Anleihen 2022 praktisch keine Chance hatte, zeigt eine Gegenüberstellung von Musterstrategien, die zwischen fünf und 40 Prozent Aktien- und 60 und 95 Prozent Anleihen beinhalteten (siehe Tabelle „Musterstrategien im Kurz- und Langzeitvergleich“). Für die Berechnung der Jahresrendite 2022 wurden die Portfolioanteile monatlich auf den Zielwert zurückgeführt. Dabei anfallende Transaktionskosten sowie Kosten für die Vermögensverwaltung wurden nicht berücksichtigt.
Die Ergebnisse zeigen, dass Strategien mit einem hohen Aktienanteil höhere Renditen erzielten als Strategien mit einem höheren Anteil an Anleihen. Im Vergleich weist die Strategie F (40 Prozent Aktien / 60 Prozent Anleihen) mit minus 14,9 Prozent die „beste“ Rendite für das Anlagejahr 2022 aus, womit die schlechteste Kombination (95 Prozent Bonds) aber nur unwesentlich geschlagen wurde.
Das Zinsniveau deutscher Staatsanleihen (Bundesanleihen, Kassazinssatz) mit einer Laufzeit von zehn Jahren ist im Jahr 2022 gestiegen und schloss mit einem Zinssatz von plus 2,53 Prozent ab. Entsprechend wurde das Eingehen von höheren Zinsrisiken – also Anleihen mit langer Laufzeit – nicht mit einer Mehrrendite entschädigt. Sämtliche Laufzeitensegmente des FTSE Germany GBI rentierten über das Kalenderjahr 2022 negativ. Das kurze Laufzeitensegment (FTSE Germany GBI 1–3 Jahre) verzeichnete dabei mit minus 4,7 Prozent die höchsten Renditen, während eine Positionierung im langen Laufzeitensegment (FTSE Germany GBI 10+ Jahre) mit minus 33 Prozent zur schlechtesten Rendite führte. Wenn man bedenkt, dass insbesondere Lebensversicherer und Pensionskassen teilweise in Papieren mit sehr langen Laufzeiten investiert sind, macht dies deutlich, wie stark hier stille Reserven abgeschmolzen wurden.
Das Kreditrisiko bezeichnet das Risiko, dass ein Emittent seinen Zahlungsverpflichtungen gänzlich oder teilweise nicht nachkommt. Investoren erwarten eine Zusatzrendite für das Halten von Anleihen mit Kredit- oder Ausfallrisiko gegenüber vergleichbaren Anleihen ohne Ausfallrisiko.
Aus Sicht eines europäischen Anlegers verzeichneten nach Absicherung des Währungsrisikos alle Segmente negative Jahresrenditen. Gleichzeitig wurden über alle Subkategorien hinweg eingegangene Kreditrisiken gegenüber US-Staatsanleihen im Anlagejahr 2022 nicht mit einer Zusatzrendite entschädigt (Excess Return 2022). So verzeichneten vor allem in US-Dollar denominierte Anleihen und Anleihen von Schuldnern mit niedriger Bonität (d.?h. Rating Baa) einen höheren Renditeabschlag. Ebenfalls haben sich Investitionen in Unternehmens- sowie in gesicherte Anleihen deutlich weniger ausgezahlt.
Die Wechselkurse der wichtigsten Währungen geben an, wie viele Euro für eine Basiseinheit in Fremdwährungen bezahlt werden müssen. Eine positive Währungsrendite bedeutet, dass eine ungesicherte Fremdwährungsposition aus Sicht eines Anlegers mit Referenzwährung Euro aufgrund der Wechselkursentwicklung an Wert gewonnen hat. Im Jahr 2022 werteten sich der US-Dollar und der Schweizer Franken gegenüber dem Euro auf. Der japanische Yen sowie das britische Pfund werteten sich im Kalenderjahr 2022 gegenüber dem Euro kontinuierlich ab und schlossen letztlich unterhalb des Ausgangsniveaus.
Eine Währungsabsicherung verfolgt typischerweise das Ziel, das Portfoliorisiko über mehrere Jahre ohne signifikante Renditeeinbußen zu reduzieren. Im Jahr 2022 bewirkte eine Währungsabsicherung von globalen Aktien in Euro jedoch einen negativen Renditeeffekt. Dieser wurde im Wesentlichen durch die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar getrieben. Insgesamt fiel der negative Effekt der Währungsabsicherung aufgrund der einheitlichen Entwicklung des US-Dollars relativ stark aus. „Bei den globalen Anleihen hatte eine Währungsabsicherung keinen materiellen Renditeeffekt“, fasst Skaanes das Resultat aus Währungsabsicherungen in Euro für das Jahr 2022 zusammen.
Als Nächstes wurde betrachtet, wie sich eine Ausweitung des Portfolios in Richtung Emerging Markets auf die Rendite ausgewirkt hätte. Fazit: Die Anleihen und Aktien sowohl von entwickelten als auch von Schwellenländern rentierten über das Kalenderjahr 2022 allesamt negativ. Dabei erzielten Anleihen aus Schwellenländern, die in US-Dollar emittiert wurden, niedrigere Renditen als Anleihen von entwickelten Ländern. Im Gegenzug erlitten per Jahresende 2022 Anleihen aus Schwellenländern in Lokalwährung geringere Verluste als jene aus entwickelten Ländern. Aktien aus Schwellenländern (MSCI World EM, Gross) verzeichneten im Vergleich zu jenen aus entwickelten Ländern (MSCI World DC, Gross) höhere Verluste.
Untersucht wurde auch der Small-Cap-Effekt auf die Portfolios im Jahr 2022. In der Vergangenheit konnte durch Investitionen in Small Caps in verschiedenen Zeitperioden gegenüber Large Caps eine Mehrrendite erwirtschaftet werden. „Obwohl die Zusatzrendite über sehr lange Zeitperioden statistisch eindeutig positiv ist, können Small Caps dennoch über längere Perioden eine Underperformance gegenüber Large Caps aufweisen“, warnt Oliver Kunkel. So habe beispielsweise die kumulierte Rendite von Small Caps gegenüber Large Caps zwischen 1981 und 2000 minus 26 Prozentpunkte betragen.
„Im Anlagejahr 2022 führte jedoch eine Beimischung von Small Caps bei Aktien aus dem Euroraum zu einer niedrigeren Rendite gegenüber Large Caps. Bei den globalen Aktien wiesen klein kapitalisierte im Vergleich zu groß und mittel kapitalisierten Titeln ähnliche Renditen aus“, fasst Kunkel das Ergebnis der Betrachtung des Small-Cap-Effekts zusammen.
Angesichts der Tatsache, dass viele institutionelle Investoren in den Jahren der Niedrigstzinsen ihre Anlageuniversen um Alternatives ausgeweitet haben, ist eine Betrachtung der Renditen in diesem Bereich von praktischer Relevanz.
Mit dem Einsatz von alternativen Anlagen können Investoren unterschiedliche Anlageziele verfolgen. Anlegern steht eine umfangreiche Palette an verschiedenen Produkten zur Verfügung. „Die in der Studie gezeigten Vergleiche erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinzu kommt, dass die Anlageresultate stark von der konkreten Umsetzung abhängig sind und sich nur teilweise durch Indizes abbilden lassen“, sagt Skaanes.
Die Studienergebnisse zeigen: Im Anlagejahr 2022 variierten die Renditen von alternativen Anlagen erheblich. Während alternative Anlagen im Bereich der Nominalwerte (z.?B. ILS, High Yield, Senior Loans) an Wert verloren, konnten gewisse Anlagen in Sachwerten, darunter vor allem Rohstoffe, eine positive Rendite erzielen.
Sieht man sich die alternativen Anlagen aus dem Bereich der Nominalwerte an, angefangen bei inflationsgesicherten Anleihen bis zu hochprozentigen Bonds, verloren sie 2022 ebenfalls ausnahmslos an Wert (siehe Chart „Alternative Anlagen – Nominalwerte“). Inflation-Linker büßten dabei mit minus 18,9 Prozent am stärksten an Wert ein und brachten damit als einzige Kategorie ein schlechteres Ergebnis als Staatsanleihen (FTSE WGBI hedged in EUR). Das „beste“ Resultat brachten Senior Loans mit immer noch 2,7 Prozent Verlust. Der hohe Verlust bei den Insurance-Linked Securities (ILS) im Herbst des Vorjahres war auf den Hurrikan Ian in den USA zurückzuführen.
Insgesamt dürften sich im Jahr 2022 jene Investoren bestätigt gefühlt haben, die verstärkt in den Alternatives-Bereich investieren. Bei Betrachtung alternativer Anlagen aus dem Bereich der Sachwerte zeigte sich, dass diese 2022 zwar heterogene Anlageresultate aufwiesen, dabei aber auch positive Ausreißer zu finden sind. Anlagen in Rohstoffen konnten etwa um 23,7 Prozent zulegen, notierte Infrastrukturanlagen, Gold sowie Hedgefonds beendeten das Jahr praktisch unverändert. Anlagen in notierten Immobilien im Ausland sowie in notierten Private-Equity-Anlagen wiesen mit 19,5 beziehungsweise 26,2 Prozent Verlust negative Renditen auf (siehe Grafik „Alternative Anlagen – Sachwerte“). „Bei den nicht notierten illiquiden Anlagen waren 2022 keine oder nur sehr geringe Preiskorrekturen zu beobachten, während börsennotierte Anlagen schneller und stärker auf neue Informationen in Bezug auf Zins- und Teuerungserwartungen reagiert haben“, stellt Kunkel fest. Entsprechend konnten Anleger mit einem höheren Anteil an nicht notierten illiquiden Anlagen tendenziell eine höhere Rendite erzielen. „Die Wertermittlung bei nicht notierten illiquiden Anlagen wie Immobilien, Infrastrukturen, Private Equity und Private Debt / Hypotheken erfolgt aufgrund der geringen Handelsaktivität durch periodische Schätzungen. Diese neigen dazu, aktuelle preisrelevante Marktereignisse wie den im Jahr 2022 erfolgten hohen Zinsanstieg mit einer Zeitverzögerung zu reflektieren“, relativiert Kunkel die positiven Ergebnisse.
Anke Dembowski