Lange Vorgeschichte
© magele-picture | stock.adobe.com, Insight Invest
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz, das im Januar 2018 in Kraft trat, sollte die betriebliche Altersversorgung reformiert und gestärkt werden, um das Risiko, dass breite Bevölkerungskreise von Altersarmut betroffen sind, zu reduzieren. Kernpunkt der Reform war die Einführung einer „reinen Beitragszusage“ (rBZ) ohne Arbeitgeberhaftung. Organisiert werden sollte dies durch ein neuartiges Sozialpartnermodell. Damit sollten flexible Anreize gesetzt werden, um mehr Menschen in die bAV zu holen. Lange Zeit sah es aber so aus, als würden die Tarifvertragspartner nicht auf den Köder, der für sie ausgelegt wurde, beißen.
Viel Arbeit im Vorfeld
Doch in der zweiten Jahreshälfte 2022 kamen gleich zwei Sozialpartnermodelle auf den Markt und ließen die bAV-Branche aufatmen. Schließlich wäre es peinlich, wenn erst mit viel Verve eine gesetzliche Änderung gefordert wird und nach Verabschiedung einer solchen keine entsprechenden Produkte auf den Markt kommen. Dass es nun eine Weile gedauert hat, erklärt Annika von Albedyll so: „Im Vorfeld ist mit vielen Gruppen und Interessenvertretern abzustimmen, was man haben will. Dann muss ein Konsens gefunden werden, wobei es unterwegs noch etliche Änderungen am Konzept gibt, die auch wieder abzustimmen sind. Außerdem müssen die Tarifverträge entsprechend angepasst werden. Das ist schon ein umfangreicher Prozess, der einige Zeit in Anspruch nimmt.“ Annika von Albedyll, Syndikusrechtsanwältin beim Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC), hat das Sozialpartnermodell der Chemiebranche bei der Jahresauftaktveranstaltung betriebliche Altersversorgung der Pensions-Akademie am 9. Februar in Frankfurt vorgestellt.
Uniper und Chemiebranche als Vorreiter
Mittlerweile gibt es zwei: Das eine Sozialpartnermodell wurde von der Chemiebranche ins Leben gerufen und investiert in das Sondervermögen SPM Chemie, eine globale Wertsicherungsstrategie. Die Unbedenklichkeitsbestätigung für den dazugehörigen Pensionsplan erteilte die BaFin im Oktober 2022. „Die Chemiebranche hatte immer eine starke bAV. Sie war es auch, die in Deutschland den ersten Pensionsfonds auf den Markt gebracht hat, als diese 2002 gesetzlich eingeführt wurden. Den Arbeitgebern in der Chemiebranche ist das Thema bAV sehr präsent; das macht sie attraktiv. Und in der Chemiebranche arbeiten viele Menschen, sodass dies von der Anzahl der Köpfe, die man in die bAV bekommt, eine große Rolle spielt“, meint Alexander Kleinkauf, Business Development Manager beim Fixed-Income-Manager Insight Investment in Frankfurt. Zuvor hat er als Aktuar und Investment Consultant gearbeitet und hat daher einen guten Überblick über die bAV in Deutschland.
Das zweite Sozialpartnermodell wurde federführend vom Energieunternehmen Uniper und verschiedenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen der Energiebranche konzipiert und investiert in den „Pensionsplan Metzler rBZ 1“, wofür die BaFin im September 2022 die Unbedenklichkeit festgestellt hat.
„Wie ich verstanden habe, soll das Sozialpartnermodell von Uniper die Aufnahme inhaltsgleicher Tarifverträge oder Unternehmen erlauben. Dadurch könnten beispielsweise auch mittelständische Unternehmen ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente nach dem Sozialpartnermodell anbieten. Die spannende Frage ist ja: Kann es zu einer Verbreitung von einer attraktiven BAV führen, insbesondere bei Unternehmen, die aktuell keine ausreichende Versorgung der Mitarbeiter haben?“, meint Kleinkauf. Dazu ist es nötig, zumindest einige Sozialpartnermodelle auch für außertarifliche Mitarbeiter und für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu öffnen.
Kleinkauf ergänzt: „Darüber hinaus hat die Talanx noch ein Sozialpartnermodell in der Entwicklung, das im ersten Schritt für die eigenen Mitarbeiter gelten soll.“
Daneben ist noch eine niedrige einstellige Zahl an Sozialpartnermodellen bei der BaFin im Prüfprozess, teilt die BaFin auf Anfrage von Institutional Money mit – man darf also gespannt sein, was noch kommt.
Wenige und große Sozialpartnermodelle
Die Frage ist, wie viele Sozialpartnermodelle es insgesamt geben soll, damit die Landschaft nicht allzu zerklüftet und die Einheiten nicht zu klein werden. Dazu erklärt ein Sprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS): „Die beiden ersten Sozialpartnermodelle Betriebsrente haben ihren Betrieb aufgenommen, und in weiteren Branchen finden aktuell entsprechende Gespräche statt. Das BMAS begrüßt den Aufbau dieser neuen Form der betrieblichen Altersversorgung und würde es befürworten, wenn solche Systeme in weiteren großen Wirtschaftszweigen entstünden.“
Aktuell geht das BMAS der Frage nach, wie es ermöglicht werden kann, dass sich dann auch nichttarifgebundene Arbeitgeber und Beschäftigte diesen anschließen können. „Große und schnell wachsende Systeme versprechen die höchste Effizienz, etwa im Hinblick auf Skaleneffekte“, so der BMAS-Sprecher. Gelegentlich ist angeklungen, dass es auf dem deutschen Markt am besten drei bis fünf große Sozialpartnermodelle geben sollte und sich die anderen Unternehmen diesen dann anschließen könnten.
„Die deutsche bAV denkt in großen Zeitschienen. Bis es eine zweistellige Anzahl von Pensionsfonds gab, hat es auch lang gedauert. Vielleicht werden ja noch mehr Sozialpartnermodelle entwickelt“, überlegt Kleinkauf, schränkt aber gleich ein: „Die Gewerkschaftslandschaft in Deutschland ist nicht ganz eindeutig. Am Ende kann es bei den Konzepten nur nennenswerte Unterschiede bei der Höhe der Beiträge und für den Sicherheitspuffer geben, und natürlich bei der Kapitalanlage.“
Mit dem kollektiven Risikopuffer, den es im Sozialpartnermodell gibt, habe man bei der Kapitalanlage die Möglichkeit, stärker ins Risiko zu gehen, meint Kleinkauf. „Bei vernünftiger Anlage sollten zwischen 3,5 und 5,5 Prozent Rendite pro Jahr drin sein. Das macht dann den Unterschied. Am Ende der Ansparphase, also bei Renteneintritt, ist ausschlaggebend, ob 100.000 oder nur 90.000 Euro in eine Rente umgewandelt werden.“ Falls es dann durch einen Einbruch am Kapitalmarkt doch zu einer Rentenkürzung kommt, steht der kollektive Sicherheitspuffer zur Verfügung.
„Die spannende Frage bleibt: Was passiert, wenn wirklich mal eine Rentenkürzung ansteht? Schließlich kommen wir aus einem System, wo es das als Möglichkeit nicht gab“, fragt sich Kleinkauf.
Anke Dembowski