Logo von Institutional Money
1/2023 | Produkte & Strategien

Ländermatch Deutschland-Österreich

Eine quantitative und qualitative Analyse von in Deutschland und Österreich zugelassenen ESG-Fonds offenbart Erstaunliches. Wo ist eher das drin, was draufsteht?

Sind nachhaltige Fonds wirklich nachhaltiger als konventionelle Fonds? Und gibt es hier etwa Unterschiede zwischen deutschen und ­österreichischen Fonds? Das wollten Dr. Josef Obergantschnig, Geschäftsführer und Gründer von Obergantschnig Financial Strategies, ETHICO – Verein zur Erstellung von wirtschaftsethischen Maßnahmen und Agenden und deren operative Umsetzung, beide in Wien, und Mag. Armand ­Colard, Geschäftsführer der ESG Plus GmbH mit Sitz in Wolkersdorf und Wiener Büro, wissen. Die Nachhaltigkeitsgüte konventioneller und nachhaltiger Fonds miteinander zu vergleichen und länderspezifische Unterschiede der Produkt­anbieter und ihrer in Deutschland und Österreich zum Vertrieb zugelassenen Fonds zu ­untersuchen, war kein einfaches Unterfangen. Insgesamt analysierte man 1.963 Publikums-­Aktienfonds.

Wichtige Erkenntnisse
Wenig überraschend steigen die Nachhaltigkeitsbewertungen und ESG-Scores im Hinblick auf die Analyse von Artikel-6-, -8- und -9-Fonds sukzessive an, wobei gemäß Cleanvest-Analysen Artikel-6-Fonds im Schnitt die niedrigsten und Artikel-9-Fonds die höchsten ESG-Scores verzeichnen. Der Cleanvest-Score schwankt zwischen 0 (schlecht) und 10 Punkten (sehr gut). Prinzipiell ist festzuhalten, dass Artikel-6-Fonds im Schnitt die schlechteste Nachhaltigkeitsgüte aufweisen. Die Aussage, dass hellgrüne Fonds (Artikel 8) oder dunkelgrüne Fonds (Artikel 9) zwingend ­eine bessere Nachhaltigkeitsgüte in Form des Cleanvest-Scores aufweisen, können die Autoren nicht pauschal bestätigen. Die unterschiedlichen Verteilungsdichten der Artikel-6-, -8- und -9-Fonds sowie jener mit dem Österreichischen Umweltzeichen (UZ 49) und der nicht kategorisierten Fonds illustriert die gleichnamige Grafik. Der Höcker der Verteilungsdichte – das ist der Bereich, dem die meisten Fonds zuzuordnen sind – liegt bei Artikel-6-Fonds am weitesten links, weil diese Kategorie die niedrigsten Cleanvest-Scores ausweist. Bei Artikel-8-Fonds verschiebt sich die Verteilungsdichte etwas nach rechts, da diese Fondskategorie tendenziell bessere Score besitzt. Die höchste Nachhaltigkeitsgüte im ­direkten Vergleich weisen Artikel-9-Fonds auf, sie werden aber getoppt von Fonds, die sich dem Kriterienkatalog des ältesten europäischen Nachhaltigkeits-Gütesiegels für Finanzprodukte, des Österreichischen Umweltzeichens (UZ 49), unterworfen haben.

Bei der Analyse stellt sich heraus, dass auch nachhaltige Fonds laut SFDR, also (Artikel-8- und -9-Fonds), nicht vollständig frei von diversen ­Kontroversen – etwa in Bezug auf Kohle, Atomenergie, Waffen und Kinderarbeit – sind. Innerhalb der Artikel-8-Fonds finden sich sehr große Unterschiede bezüglich der ESG-Bewertungen. Die hohe Dispersion in den Ergebnissen spiegle auch den unterschiedlichen Zugang der Marktteilnehmer wider, so die Autoren. Durch diese hohe Spannweite der ESG-Scores stelle Artikel 8 damit für Endkunden aus Sicht der vorliegenden Studie eine nur begrenzt nützliche Produktklassifizierung dar, geben die Autoren zu bedenken.

Artikel-9-Fonds weisen in der Praxis über­raschenderweise nicht immer gute ESG-Scores auf. Dr. Josef Obergantschnig dazu: „Dies liegt teilweise am thematischen Fokus und Ansatz der Fonds. Der Schwerpunkt liegt dabei mehr auf den Sustainability Development Goals (SDGs) als auf ESG. Dieser methodische Unterschied wird in den Ergebnissen sichtbar.“
Das Kriterium „Frei von Kohle“ ist länderübergreifend im Fokus der Asset Manager. Hier herrscht ein breiter Konsens. Andere Themen wie „Kinderarbeit“ werden in den einzelnen ­untersuchten Ländern sehr unterschiedlich ­bewertet und umgesetzt, stellen die Autoren fest. Kriterien wie „Gleichstellung von Frauen“ und „Indigene Rechte“ finden oftmals weniger Berücksichtigung bei den Fondsgesellschaften.

Was den Ländervergleich anbelangt, werden grundsätzlich Fonds, die von einer deutschen Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) gemanagt werden, mit Fonds von österreichischen Kapitalanlagegesellschaften (KAG) verglichen. Als Basis dient die SFDR-Einstufung der Fonds nach Artikel 6, 8 oder 9. „Bei den nach ihrer Vertriebszulassung unterschiedenen Fonds tun sich Divergenzen in der Nachhaltigkeitsgüte anhand der Cleanvest-Scores zwischen in Deutschland und Österreich zugelassenen Fonds auf, wenngleich hier die Anzahl der analysierten Fonds eher ­gering ist, da die meisten Fonds sowohl in ­Österreich als auch in Deutschland zugelassen sind“, konstatiert Dr. Obergantschnig. „Allerdings stellt sich heraus, dass Fonds, die nur in Österreich zugelassen sind, in jeder SFDR-Kategorie eine höhere Nachhaltigkeitsgüte zeigen als Fonds, die nur in Deutschland zugelassen sind.“ Diesen Zusammenhang illustriert die Grafik „Ländermatch Deutschland gegen Österreich“.

Es ist aber auch festzuhalten, dass in beiden Segmenten der Cleanvest-Score von Artikel 6 auf Artikel 8 und auf Artikel 9 ansteigt. Der ­Anstieg der Nachhaltigkeitsgüte zwischen Artikel 8 und Artikel 9 fällt allerdings geringer aus als jener von Artikel 6 auf Artikel 8. Hinsichtlich der Fondsgröße lassen sich im Übrigen keine ­Unterschiede in der Nachhaltigkeitsbewertung feststellen.

Resümee
Nach Abwägung der Ergebnisse ist es legitim zu sagen, dass die Österreicher im Ländermatch, betreffend gelebte Nachhaltigkeit in Fonds, leicht die Nase vorn haben. Ein Ergebnis ähnlich jenem beim Fußballländerspiel, das 1978 im ­Rahmen der WM in Córdoba (Argentinien) ausgetragen wurde und das Österreich wider jede Erwartung mit 3:2 gewann, könnte man auch hier ansetzen.

Die Ergebnisse dieser Studie belegen zwar, dass Artikel 9- und Artikel-8-Fonds im Schnitt über höhere ESG-Bewertungen verfügen als ­konventionelle Fonds, jedoch die Dispersion der Nachhaltigkeitsbewertungen insbesondere bei Artikel-8-Fonds sehr groß ausfällt. Dies spiegle auch den unterschiedlichen Zugang des Marktes wider, so die Autoren. Basierend auf den vor­liegenden Ergebnissen wird für sie die Not­wendigkeit einer Nachschärfung der SFDR ­deutlich.
Eine klarere Abgrenzung zwischen den Produktkategorien erscheint ihnen zwingend erforderlich. Zudem merken die Autoren an, dass die Asset-Management-Branche sich erst am Anfang einer langen Reise befindet, obwohl das Thema Nachhaltigkeit spürbar an Bedeutung gewinnt. „Auch die Gesetzgeber benötigen noch mehr ­Erfahrungen und Daten, um die Regulatorik zielgerichteter und treffsicherer zu machen“, führt Obergantschnig aus. „Weitere Leitlinien der Aufsichtsbehörden werden sicherlich dazu beitragen, in Zukunft ein homogeneres Bild zu schaffen. Hier sollte aber darauf geachtet werden, einzelne Finanzmarktteilnehmer hinsichtlich der Quantität und Komplexität an neuen Vorschriften und Vorgaben nicht zu überfordern.“

Diese Gelassenheit und das Verständnis für die Marktakteure haben aber nicht alle Stake­holder. Eine vergleichbare Position könnte man sich auch für die eine oder andere Aufsicht ­wünschen, die mit Razzien wie im Fall der Deutschen Bank und der DWS im Zusammenhang mit „Greenwashing“-Vorwürfen wohl kräftig übers Ziel hinausschießt.

Dieses Seite teilen