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4/2024 | Produkte & Strategien

Geschäftsmodell Rechtsstreit

Investments abseits der klassischen Kapitalmärkte lassen auf unkorrelierte ­Erträge und damit eine Portfoliodiversifikation hoffen. Der erste Prozessfinan­zierungsfonds stellt ein solches „alternatives“ Investment dar. Ein Überblick.

Die mit großvolumigen Rechtsstreitigkeiten verbundenen Beträge und Risiken stellen auch ein Geschäftsmodell dar, das im angelsächsischen Raum schon seit ­geraumer Zeit von Großanlegern genutzt wird. Nun präsentiert sich auch hierzulande ein erstes Fondsangebot. 
Die mit großvolumigen Rechtsstreitigkeiten verbundenen Beträge und Risiken stellen auch ein Geschäftsmodell dar, das im angelsächsischen Raum schon seit ­geraumer Zeit von Großanlegern genutzt wird. Nun präsentiert sich auch hierzulande ein erstes Fondsangebot. © nampix | stock.adobe.com

Um auf diesem sehr speziellen Terrain erfolgreich zu sein, ist es wichtig, vertrauenswürdige Partner mit entsprechender Expertise im Bereich Prozessfinanzierung mit ins Boot zu holen. Denn das Risikoprofil eines Prozessfinanzierungsfonds erinnert stark an Privatmarktinvestments, wo es ebenfalls Top-Quartil-Manager braucht, um als Upside für die inhärenten Risiken einschließlich der Illiquidität der Anlage die Chance auf angemessene Renditen zu haben. In diesem Zusammenhang spielen Kennziffern wie beispielsweise die IRR (Internal ­Rate of Return), Multiples und Erfolgsbeteiligungsquoten eine wichtige Rolle.

Neu – und auch wieder nicht

Im angelsächsischen Raum sind solche Investments unter dem Begriff „Litigation Finance“ bereits ziemlich weit verbreitet. In den USA etwa gibt es mehrere Arten von Investments, etwa in Rechtsanwaltskanzleien, die dort häufig auf Erfolgsbasis arbeiten, dafür aber im Fall des Erfolgs mitunter 40 Prozent der erstrittenen Summe vom Kläger bekommen. Allerdings handelt man sich hier zusätzlich andere Risiken ein, zum Beispiel das Risiko der operativen Kosteneffizienz der Kanzlei. Dann gibt es Ausfallsversicherungen, wo Hedgefonds zu den Investoren zählen, und die klassischen Prozessfinanzierungsverträge für die Finanzierung individueller Klagen, die auch über Fondsvehikel institutionellen Investoren zugänglich gemacht werden. Apropos Hedgefonds: Zu den großen Akteuren in diesem Bereich zählen D.E. Shaw & Co und Elliott Management Corporation, wie „Hedgeweek“ berichtet (siehe: QR-Code 1). Aber auch Fortress soll fünf bis zehn Prozent der verwalteten Assets in diesem Bereich allokieren und hat 2024 erstmals Einblicke in seine 6,6 Milliarden US-Dollar schwere Strategie betreffend Legal Assets gegeben, nachzulesen bei „Bloomberg Law“ vom Oktober 2024 (siehe: QR-Code 2). „Die Fonds zeigen Renditen von 15 bis 20 Prozent und hatten seit Auflage kein negatives Jahr zu berichten“, sagt Harald Steinbichler, Managing Partner der Axessum GmbH. Ihm ist es gelungen, als Consultant innerhalb eines Jahres die Partner für den ersten Prozessfinanzierungsfonds im deutschsprachigen Raum zusammenzubringen. Es brauchte neben einem renommierten Prozessfinanzierer mit Wachstumsambitionen nämlich eine KVG, einen Asset Manager, eine Verwahrstelle und einen Wirtschaftsprüfer, die diese ungewöhnlichen ­Assets – es handelt sich um „nicht verbriefte bedingte Forderungen mit aufschiebender Wirkung“ – aus administra­tiver und risikomanagementtechnischer Sicht managen ­können.

Mitinitiator und Fachberater mit Know-how

Als Mitinitiator und Fachberater des neuen Fonds fungiert die Foris AG mit Sitz in Bonn. Foris hat die Prozessfinanzierung vor einem Vierteljahrhundert als Pionier in Deutschland implementiert und bietet diese seither erfolgreich an. Als ausgewiesener Experte verfügt das Unternehmen über das notwendige Know-how und die langjährige Erfahrung, um den Prozessfinanzierungsfonds mit der benötigten fachlichen Expertise zu unterstützen. Immerhin hat man bislang aus eigenen Mitteln 15.000 Finanzierungsanfragen geprüft und gut 1.000 Verfahren im Mid-Cap-Segment mit Streitwerten überwiegend zwischen 100.000 und 30 Millionen Euro finanziert. Hierbei kann auf eine Erfolgsquote von 73 Prozent und ein Multiple von drei verwiesen werden, sprich: man erwirtschaftete mit erfolgreichen Prozessfinanzierungen im Schnitt das Dreifache des eingesetzten Kapitals. Das entspricht IRRs (Internal Rates of Return) zwischen zehn und 30 Prozent. Zum Vergleich: Auf globaler Basis gewinnen die Kläger in 55 Prozent der Fälle. Doch nun will Foris das bewährte Geschäftsmodell auf die nächste Ebene heben und sich auch verstärkt bei der Finanzierung von Prozessen mit Streitwerten jenseits der 30 Millionen Euro im Large-Cap-Segment etablieren. In der Regel steigen die Prozesskosten mit zunehmendem Streitwert nur mehr unterproportional an, was die Finanzierung von Fällen mit großen Streitwerten wirtschaftlich sehr attraktiv macht. Ab einem Streitwert von 30 Millionen Euro sind beispielsweise in Deutschland die gesetzlichen Gebühren gedeckelt, was die Chance auf höhere Multiples ermöglicht (siehe Grafik „Starker Hebel bei hohen Streitwerten“). „In diesem Segment war Foris zwar bereits in einigen Einzelfällen tätig, doch war dies in größerem Umfang, insbesondere wenn man auch eine gute Streuung über viele Fälle haben will, rein aus Eigenmitteln schwer zu stemmen. Daraus entstand die Idee, den ersten Prozessfinanzierungsfonds in der DACH-Region aufzusetzen“, führt Foris-Vorstand Frederick Iwans aus. „Mit diesem strategischen Schritt erhöhen wir unsere Finanzierungsbandbreite erheblich. Künftig werden wir vermehrt Prozesse mit Streitwerten von 100 Millionen Euro und mehr finanzieren können. ­Bisher haben wir zumeist Prozesse im Mid-Cap-Segment ­finanziert, wo die Streitwerte überwiegend zwischen 100.000 und 30 Millionen Euro lagen. Bei höheren Streitwerten gibt es aufgrund der Asymmetrie von Kosten und Ertrag aber ­einen stärkeren Hebel, hier sind im Erfolgsfall Multiples von fünf bis zehn möglich.“

Das aus Eigenmitteln betriebene Geschäft im Mid-Cap-Segment wird Foris auch künftig beibehalten. Fälle, die größere Investitionen notwendig machen, sollen künftig jedoch über den Fonds finanziert werden. Je nach Fallkonstellation und benötigter Investition werden das Fälle mit Streitwerten von regelmäßig mehr als 25 Millionen Euro sein. Foris selbst ist an dem Fonds mit fünf Millionen Euro beteiligt – und somit indirekt auch an den Fällen im Fonds. Iwans: „Damit ist auch das Moral-Hazard-Argument vom Tisch, wir könnten uns die aussichtsreichsten Fälle im Foris-Portfolio behalten und die weniger aussichtsreichen dem Fonds zuweisen.“ Das Gros der Fälle umfasst Streitigkeiten im Bereich des Kartell- und Wettbewerbsrechts, aber auch marken-, muster- und patentrechtliche Konflikte sowie Post-IPO-Auseinandersetzungen gehören dazu. Die Marktchancen für Prozessfinanzierungsfonds sind grundsätzlich gut, wächst doch der Markt für Prozessfinanzierung global ordentlich, wie die gleichnamige Grafik illustriert. Für 2025 wird vom Wettbewerber Deminor erwartet, dass dieser zu drei Viertel von Nordamerika dominierte Markt ein Volumen von 17,8 Milliarden US-Dollar haben wird, gegenüber 11,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020. Das entspricht einer annualisierten Wachstumsrate von 9,7 Prozent. Was den ROI (Return on Investment) betrifft, so braucht sich laut Goldman Sachs die Prozessfinanzierung gegenüber Private Equity, Credit und Hedgefonds nicht zu verstecken, ganz im Gegenteil: Bei den Multiples auf das eingesetzte Kapital liegt man hier sogar vorne (siehe Grafik „Ganz vorn dabei“). Wenn man die Erfolgsbilanz von Foris hierzu in Relation (Erfolgsquote mal Multiple) setzt, landet man bei einem Multiple von 2,2.

Rechtliche Ausgestaltung

Nach einem arbeitsintensiven Jahr hatte Harald Steinbichler die Partner, die es für ein solch anspruchsvolles alternatives Fondskonzept braucht, beisammen, und der Foris Centris Prozessfinanzierungsfonds I, ein Alternative Investment Fund (AIF) nach Liechtensteiner Recht, war geboren: Neben Initiator Foris sind die Partner der Asset und Risiko­manager Centris Capital mit Sitz in Wien, der auch als Vertriebsbeauftragter agiert, Administrator Caiac Fund Management (KVG), Wirtschaftsprüfer Grant Thornton und die Liechtensteinische Landesbank als Verwahrstelle. Bei ihm, Steinbichler, liegt die Investorenbetreuung.

Die Rolle von Centris Capital ist dabei durchaus anspruchsvoll. Das Haus verfügt über eine langjährige Erfahrung im Fonds- und Portfoliomanagement, hat sich seit über 15 Jahren auf die Verwaltung von komplexen Finanzinstrumenten spezialisiert und verfügt über ein Team aus Portfoliomanagern, Finanzmathematikern, Analysten und ein eigenes Execution Team. Zugute kam Centris, dass man sich bereits in der Vergangenheit mit Investitionen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen befasst hat und somit kein Neuland betrat. Centris muss ­jeden einzelnen von Foris juristisch vorselektierten Fall analysieren und wirtschaftlich modellieren. Im Rahmen eines mehrstufigen Iterations- und Auswahlprozesses werden die Fälle analysiert, bewertet und nach positiver Beurteilung in das Portfolio aufgenommen. Fällt die Entscheidung für eine Prozessfinanzierungsidee, akquiriert Foris den Fall und tritt ihn an den Fonds ab. Foris erhält für den Aufwand im Zusammenhang mit der Akquise, Prüfung und Aufbereitung der akzeptierten Fälle inklusive der Aushandlung des Finanzierungsvertrags in Abstimmung mit Centris eine Aufwandsentschädigung von 0,25x dem Rechtsanwaltstarif (RVG) mit einem Maximum von 75.000 Euro. Centris ­unterstützt auch bei der Bonitätsprüfung des Klagsgegners. Alles andere als trivial ist zudem die Bewertung des Erlös­potenzials der einzelnen Fälle, von denen insgesamt zirka 25 als Assets in den Fonds eingebracht werden sollen. Auf Basis der Daten, die man von den klagsführenden Anwälten erhält, wird die Bewertung anhand eines Modells vorgenommen, das die Erfolgswahrscheinlichkeit jedes Falls berechnet und die künftigen Cashflows mit einem entsprechend ­knackigen Diskontierungssatz abzinst, der sich historisch in der Größenordnung von zirka 20 Prozent bewegt. Diese NAV-Berechnungen geschehen quartalsweise. Ebenfalls nicht trivial ist das Liquiditätsmanagement, denn das Cashmanagement ist essenziell für den IRR-Erfolg des Fonds. Zu hoch und zu früh getätigte Cash Calls an die Investoren würde diesen die Rendite schmälern. Das entsprechende Feintuning, um einerseits liquide genug zu sein, wenn die Klagsanwälte ihre Rechnungen an den Fonds zur Kostenübernahme schicken, andererseits etwa im Fall früher Vergleiche frühzeitig Cash zu erhalten, das man für das Netting einsetzen kann, ist ohne Frage kein leichtes Unterfangen.

Fondsziele

Der Foris Centris Prozessfinanzierungsfonds I soll in etwa 25 Fällen die Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten überwiegend in Zentraleuropa gegen Erfolgsbeteiligung übernehmen, wobei die Streitwerte jenseits von 25 Millionen Euro pro Fall angesiedelt sein sollen. Die rechtlichen Auseinandersetzungen sollen in kontinentaleuropäischen Ländern mit einem gut funktionierenden Rechtssystem und kalkulier­baren Prozesskosten sowie an anerkannten internationalen Schiedsstandorten stattfinden. Schwerpunkt wird hierbei die DACH-Region sein. Materiell soll es sich überwiegend um wirtschaftsrechtliche Fälle handeln. Im Fokus stehen Rechtsmaterien wie Kartellrecht, gewerblicher Rechtsschutz, Insolvenzrecht, D&O (Managerhaftpflicht), Bank- und Kapitalmarktrecht und Post-M&A-Streitigkeiten. Jedenfalls hat Foris „skin in the game“ und wird als Ankerinvestor mindestens zehn Prozent des Fondsvolumens selbst investieren. Geplant ist ein Closing bei 50 Millionen Euro, wovon Foris min­destens fünf Millionen selbst beisteuern wird. Während der Investmentperiode von vier Jahren ist ein Recycling möglich. Das heißt, dass Erlöse aus schnell erledigten Causen (z.?B. per Vergleich) in der vierjährigen Investmentphase in neue Fälle investiert werden könnten. Steinbichler dazu: „Dabei handelt es sich allerdings nur um eine Option. Die Idee des Fonds ist es nämlich, alles auszuschütten, was man verdient, um den Investoren gerade beim ersten Produkt dieser Art möglichst früh schon Rückflüsse zeigen zu können.“ Die erwartete IRR liegt bei stattlichen 20 Prozent, ­wobei kein Leverage eingesetzt wird. An den Start gegangen wird mit gleich zwei Anteilsklassen: Die Anteilsklasse A sieht ein Mindest-Commitment von einer Million Euro vor, die Anteilsklasse B für semiinstitutionelle Investoren ein solches von 250.000 Euro (siehe Tabelle „Der Fonds in Zahlen“). Die Kosten erinnern dabei stark an die bekannte „2/20-Struktur“, die man aus der Private-Equity- und Hedgefondswelt kennt. Fairness wird aber großgeschrieben. Steinbichler: „Die Fees beziehen sich nur auf die tatsächlich gemachten Kapitalabrufe. Und die 20 Prozent Performance Fee beziehen sich nur auf den Rückfluss, der über acht Prozent jährlich hinausgeht.“ Des Weiteren haben die handelnden Akteure vor, die Abschichtung nach fünf Jahren zu ­beginnen und nach sieben, allerhöchstens neun Jahren zu finalisieren.

Schlussbemerkungen

Den Akteuren ist bewusst, dass der erste Prozessfinanzierungsfonds in der DACH-Region ein Erfolg werden muss. Das anvisierte Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro soll der Start einer erfolgreichen Serie mehrerer Prozessfinanzierungsfonds aus dem Hause Foris und Centris Capital werden. Mit dem ersten Fonds geht es vor allem darum, Investorenvertrauen zu gewinnen. Schließlich wollen die Initiatoren mit dem Foris Centris Prozessfinanzierungsfonds I und einer mustergültigen Leistung mit zweistelliger IRR die ­Basis für weitere Fonds legen. Nicht zu vergessen bei all den angestrengten Vergleichen mit Private Equity ist ein wichtiger Problemkreis, der bei Litigation Financing entfällt: die Exit-Frage. Denn dieser ist bei der Prozessfinanzierung nicht von den Launen des Kapitalmarktes oder von der allgemeinen Wirtschafts- oder Branchenlage abhängig – vielmehr gibt es immer ein Verfahrensende. Und Prozessökonomieüberlegungen sind, wie bereits erwähnt, jederzeit part of the game in den Finanzierungsverträgen.

Aber auch die Risiken sollen nicht verschwiegen werden. Neben den allgemeinen Anlagerisiken treten spezielle hinzu – Liquiditäts-, Bonitäts- und Bewertungsrisiko. Auch eine ­hohe Volatilität in den einzelnen Fällen je nach Entwicklung der einzelnen Verfahren ist mit dem Produkt verbunden, wobei die Streuung über mehrere Verfahren und Rechtsgebiete im AIF für einen Risikoausgleich sorgen sollte. Und damit sollte man gewappnet sein, falls sich im Einzelfall der alte Anwaltsspruch bewahrheiten sollte: „Vor ­Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“

Dieses All-Wetter-Investment, das praktisch nicht mit dem Kapitalmarkt und seinen Risiken korreliert, stellt aus Gründen der Diversifikation für institutionelle Investoren, Family Offices sowie HNWIs eine interessante Portfolioergänzung dar. Zwar werden sich die klassischen institutionellen Kapitalsammelbecken angesichts der Tatsache, dass der Fonds der erste seiner Art ist und daher vorerst nur die langjährige ­Erfolgsbilanz von Foris als Track Record dienen kann, in den meisten Fällen nobel zurückhalten. Doch Family ­Offices scheinen mit dem im angelsächsischen Raum etablierten Thema vertrauter und eher bereit zu sein, die Idee mit ­einem Startinvestment anzuschieben. Steinbichler wittert jedoch bereits andere Investorengruppen etwa im Pri­vate-Debt-Fonds-Bereich, die eine Portion Litigation Finance neben Corporate Credit aus Gründen der Diversifikation in der Rubrik „Specialty Financing“ allemal benötigen könnten.

Dr. Kurt Becker

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