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1/2023 | Produkte & Strategien

Geldgrab Bundesbank?

Die Deutsche Bundesbank hat im Schatten der EZB viel an Bedeutung und Einfluss verloren. Gemessen daran sind allerdings der Personalaufwand und sonstige Kosten der Institution verblüffend groß.

Bundesbankgesetz: „Die Deutsche Bundesbank ist bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig“ 
(§ 12 BBankG).
Bundesbankgesetz: „Die Deutsche Bundesbank ist bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig“ 
(§ 12 BBankG).

© blende11.photo | stock.adobe.com, Tim Flavor

Die geldpolitische Wende hat die Bilanz der Bundesbank im Jahr 2022 geprägt. Das Ergebnis der Gewinn-und-Verlust-Rechnung für 2022 wird mit null ausgewiesen. Dazu greift die Bundesbank im Umfang von einer Milliarde Euro auf die Risikovorsorge zurück.“

So beginn der Jahresbericht der Deutschen Notenbank für 2022, den Bundesbankpräsident Joachim Nagel Anfang März präsentierte. Als Gründe für das unerfreuliche Ergebnis führt er den Anstieg der US-Zinsen an, die zu einem Wertverlust der Devisenreserven geführt haben, und den ­Anstieg der Leitzinsen im Euroraum. Somit kann die Bundesbank für 2022 die erhoffte Überweisung an das Bundesfinanzministerium nicht mehr leisten. Seit 1979 führt die Bundesbank ihre Bilanzgewinne in Höhe von meist meh­reren Milliarden Euro an den Bund ab. 2019 – unter dem ­damaligen Präsidenten Jens Weidmann – lag der Bilanz­gewinn noch bei 5,8 Milliarden Euro und kam der Haushaltsfinanzierung des Bundes zugute. Seit 2020 ist Schluss mit den Gewinnabführungen. Für das Geschäftsjahr 2024 könnte sogar erstmals ein Verlust in der Bundesbankbilanz stehen, warnt Nagel, weil dann die Risikovorsorge aufgebraucht sein könnte. Somit wird der Bundesfinanzminister auf die sonst so hilfreichen Finanzspritzen der Bundesbank verzichten müssen. Allerdings besteht die zentrale Aufgabe der Notenbanker nicht darin, möglichst hohe Gewinne einzufahren oder Staatshaushalte zu finanzieren. Ebenso wenig ist es ihre Aufgabe, von einer Finanzmarktrettungsaktion zur nächsten zu eilen.

Dass die Bank of England im September 2022 den Markt für britische Staatsanleihen stabilisieren, die US-Notenbank Fed gemeinsam mit der Einlagensicherungsbehörde FDIC und dem US-Finanzministe­rium die Einlagen der Silicon Valley Bank schützen und die Schweizerische Nationalbank im März 2023 der strauchelnden Credit Suisse unter die ­Arme greifen musste, legt nahe, dass da ­etwas aus dem Lot geraten ist. Eigentlich besteht die wichtigste Aufgabe einer Zentralbank darin, für Preisstabilität zu sorgen. Dass Federal Reserve Board, EZB und andere Währungshüter sich schon lange nicht mehr daran halten, wird ihnen seit Jahren von Experten vorgeworfen. Und damit werden auch die Anstrengungen einer Deutschen Bundesbank, die lange Zeit als ­Garant für Preisstabilität galt, hinfällig. „Dank“ Euro kann sie sich nicht allein gegen zu lockere Geldpolitik zur Wehr setzen.

10.300 Mitarbeiter

Der Stabilitätsanker Bundesbank scheint im sandigen europäischen Boden Europas nicht zu greifen. Wozu braucht es dann noch eine Crew von 10.300 Mitarbeitenden bei der Bundesbank? Könnte die Aufgaben nicht vielleicht auch die Hälfte des Teams erledigen? Personalkosten in Höhe von 1.239 Millionen Euro, die im aktuellen Geschäftsbericht der Bundesbank für das Jahr 2022 aufgeführt sind, sind schließlich kein Pappenstiel. Verbirgt sich da Einsparpotenzial? ­Immerhin wurden viele der früheren Bundesbank-Aufgaben an die EZB verlagert, etwa das Banknotenprivileg, die Geld- und Zinspolitik oder die Aufsicht über systemrelevante Banken. Ist da die Bundesbank in ihrer jetzigen Größe ein teurer Luxus, den sich Deutschland leistet? Diese Frage zu stellen tut etwas weh, denn über beinahe sieben Jahrzehnte hat man sich an die Existenz der Deutschen Bundesbank gewöhnt und sie dabei fast liebgewonnen. „Die Existenz der Bundesbank ist kein Luxus, sondern Gesetz. Für das Stabilitätsempfinden in Deutschland ist die Bundesbank zentral und auch von einer hohen symbolischen Bedeutung. Wir brauchen deren Repräsentanten, die in die deutsche Öffentlichkeit hinein kommunizieren“, meint Henning Vöpel, ­Vorstand der Denkfabrik Centrum für Europäische Politik sowie Volkswirtschaftsprofessor an der BSP Business and Law School in Berlin. Er verweist auf die kürzlich auf ­Phoenix ausgestrahlte Diskussion zwischen Bundesbank-Chef Nagel und dem Präsidenten der französischen Zentralbank, François Villeroy de Galhau. „So etwas ist ein gelungenes Stück Kommunikation und extrem wichtig, denn die EZB steht im Kreuzfeuer der nationalen Öffentlichkeiten.“

Vöpel erklärt, dass Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der EZB besonders im Fokus stehen, beispielsweise weil die fiskalischen Möglichkeiten in den südlichen EU-Ländern ­geringer sind als in den anderen. „Auch die Inflationsraten und die Konjunkturlagen in der Eurozone sind unterschiedlich; die einzelnen Mitgliedsstaaten haben eben immer noch ihre strukturellen Eigenheiten. Da ist es schwierig, eine einheitliche europäische Geldpolitik zu finden. Aus diesem Grund ist es institutionell wichtig, eigenständige Vertreter auf der nationalen Ebene zu haben, eine Repräsentanz wie die Bundesbank. Jens Weidmann hat immer versucht, eigenständige Positionen der Bundesbank zu formulieren. Christine Lagarde muss als EZB-Chefin hingegen versuchen, innerhalb der EZB die verschiedenen nationalen Meinungen zusammenzuführen. Sie ist dabei, wie man hört, konsens­orientierter, als es Draghi war“, beobachtet Vöpel.

Auch wenn man Vöpel folgen kann, dass eigenständige Vertreter auf der nationalen Ebene wichtig sind, müssen es dann gleich 10.300 sein? Ein wenig hat die Bundesbank ihre Personalstärke bereits angepasst: „Bezogen auf den Stand ­Ende 2001 mit 14.800 Beschäftigten verzeichnete die Bundesbank einen Rückgang des Stammpersonals auf Vollzeitbasis um 4.523 oder 30,5 Prozent zum 31.?12.?2022 auf 10.294“, heißt es auf der Website der Bundesbank. Von ­außen lässt sich schwer beurteilen, ob rund 30 Prozent ­Personalabbau proportional zum Wegfall der Aufgaben stehen. „Ich kenne den Abbauplan der Bundesbank nicht, aber langlaufende Arbeitsverträge und ältere Beamtenverhältnisse dürften hier eine Rolle spielen. Rein strukturell käme man vermutlich auch mit der Hälfte der Personalstärke aus. Daher sollte der weitere Personalabbau nachverfolgt werden“, so Vöpel.

Verglichen mit der EZB, die an ihrem Standort in Frankfurt 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, und der BaFin mit ihren rund 2.700 Bediensteten hören sich die knapp 10.300 Beschäftigten der Bundesbank viel an. Sie teilen sich etwa 60 zu 40 in Beamte und Tarifbeschäftigte. Durch den hohen Beamtenanteil ist zementiert, dass die ­Personalaufwendungen für die Bundesbank-Pensionäre auch in Jahrzehnten noch hoch sein werden.

Laut aktuellem Geschäftsbericht lagen die Personalkosten im Jahr 2022 in Summe bei 1.239 Millionen Euro, und sie teilen sich wie folgt auf: 671 Millionen Euro Bezüge, 474 Millionen Euro Aufwendungen für Altersvorsorge und 94 Millionen Euro Sozialabgaben. Etwa 70 Prozent der Gehaltssumme für die derzeit aktiv Beschäftigten fließen also in die Altersvorsorge, was darauf schließen lässt, dass ein großes ­Augenmerk darauf gelegt wird, den Mitarbeitern eine ordentliche Altersvorsorge zu bieten. Gegenüber dem Vorjahr sind die Aufwendungen für die Altersversorgung um 51,8 Prozent angestiegen, zeigt der Rechenschaftsbericht 2022. Die direkten Pensionsverpflichtungen werden zum 31. Dezember 2022 mit 7,25 Milliarden Euro bewertet. Auf jedem der heute aktiven Mitarbeiter lasten also 703.800 Euro Pensionsverpflichtungen, und das beinhaltet noch nicht die Rückstellungen für die Gesundheitskosten für die verbeamteten Mitarbeiter. Die fallen zusätzlich an.

Umfangreicher Aufgabenkatalog

Dem gegenüber stehen die umfangreichen Aufgaben, die die Bundesbank wahrnimmt. Sie reichen von der operativen Durchführung der europäischen Geldpolitik über die ­Vertretung Deutschlands in nationalen, europäischen und ­internationalen Gremien bis hin zur Bargeldversorgung und zur Beaufsichtigung der deutschen Banken – außer den ganz großen. Neben ihren hoheitlichen Aufgaben sammelt und veröffentlicht die Bundesbank auch wertvolle statistische Daten, und sie betätigt sich wissenschaftlich. Dabei ­erforscht sie aktuelle ökonomische Fragestellungen und ­publiziert die Ergebnisse, ähnlich wie ein Wirtschaftsforschungsinstitut. „Die Deutsche Bundesbank hat die Bundesregierung in Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung zu beraten und ihr auf Verlangen Auskunft zu geben“, heißt es im Bundesbankgesetz. Während die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute mit einigen Dutzend oder wenigen hundert Mitarbeitenden auskommen, sind es bei der Bundesbank einige tausend, verteilt auf die diversen Büros und bei in Summe umfangreicherer ­Aufgabenstellung. Auf Anfrage von Institutional Money teilt die Bundesbank mit: „Die Aufteilung der 11.132 Beschäftigten im Stammpersonal nach Bereichen sah zum 31.?12.?2022 wie folgt aus: Zentrale: 5.813; Hauptverwaltungen: 2.912; ­Filialen: 2.407.“

Teure Zentrale

Apropos Büros: Neben ihrer Zentrale in Frankfurt, wo knapp die Hälfte der Beschäftigten sitzt, ist die Bundesbank in Deutschland an rund 40 Standorten vertreten, darunter neun Hauptverwaltungen (die ehemaligen Landeszentralbanken) und 31 Filialen. „Die Bundesbank ist aus der Bank deutscher Länder entstanden. Vielleicht hat der Geldföderalismus der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren dazu ­geführt, dass die Bundesbank noch heute personell besonders groß ist“, meint Vöpel und fährt fort: „Für die heutigen Aufgaben braucht man nicht mehr neun Hauptverwal­tungen, und die DM-Umtauschstellen, die es noch gibt, könnte man auch anders organisieren. Mir scheint es da ­Effizienzpotenziale zu geben.“

Im Ausland unterhält die Bundesbank Repräsentanzen in New York und Tokio. Zusätzlich arbeiten Bundesbankmitarbeiter in den Botschaften beziehungsweise Generalkonsulaten von London, Moskau, Singapur, Peking, Istanbul, São Paulo, Mumbai und Pretoria. In Brüssel und Paris sind die Mitarbeiter in den Ständigen Vertretungen Deutschlands bei der EU und bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eingesetzt.

Neuer Campus in Arbeit

Die Zentrale in Frankfurt soll demnächst – nach fast 50 Jahren Dienstbetrieb – saniert und zu einem Campus erweitert werden. Die dafür anfallenden Kosten werden wohl deutlich über 1,3 Milliarden Euro betragen, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Der Neubau der EZB in Frankfurt im Jahr 2014 kostete seinerzeit 1,3 Milliarden Euro und erntete Kritik, weil dies vielen zu teuer erschien. Ein Teil der staatlichen Goldvorräte, nämlich 1.710 Tonnen im Wert von 93,8 Milliarden Euro, lagert in den Tresoren der Bundesbank in Frankfurt. Natürlich sollen die auch im umgebauten Campus sicher untergebracht sein. (Der Rest der deutschen Goldbestände lagert bei der Federal Reserve Bank in New York und bei der Bank of England in London.) Aber ist es angemessen, dass neue Tresore, ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept und ein nach allen Nachhaltigkeitsregeln umgebauter Campus weit über eine Milliarde kosten? „Für mich klingt das sehr viel“, meint Vöpel. „Die Kosten für die Sicherheitsanforderungen, also die Tresore und die Server-Einrichtungen, lassen sich natürlich von außen schwer einschätzen. Die digitale Infrastruktur und die Cybersicherheit der Bundesbank sollten State of the Art sein – zum einen wegen der hohen Sicherheitsanforderungen, zum anderen wegen der möglichen Einführung des digitalen Euro. Trotzdem scheinen mir 1,3 Milliarden Euro für einen Umbau recht viel“, sagt Vöpel vorsichtig. Niemand wird ernsthaft die Existenzberechtigung der Bundesbank anzweifeln, die Stärke der Personaldecke könnte man durchaus in Frage stellen. ­Alpay Soytürk warnt jedoch vor solchen Fragestellungen: „Selbst wenn ich Detailkenntnisse zur Organisation der Bundesbank hätte, stünde mir hier gar kein Urteil zu. Andererseits bin ich der Meinung, dass angesichts der Aufgaben, die die europäische Bankenaufsicht bereits hat, und derjenigen, die noch auf sie zukommen werden, die Personalstärke in den nationalen Notenbanken keine Größe ist, über die wir unbedingt diskutieren müssten. Etwas anderes wäre es, wenn es Mechanismen gäbe, die die Besetzung unabhängig von den Aufgaben automatisch erhöhen, so wie es beispielsweise beim Bundestag der Fall ist.“ Soytürk ist Head of Compliance bei Spectrum Markets. Er vertritt einen MiFID-II-regulierten Handelsplatz. Auch die Größe des Bundestages wird derzeit diskutiert und soll angepasst werden. Das deutsche Parlament hat als gesetzgebendes Organ aktuell 736 Abgeordnete; gesetzlich vorgesehen sind 598 Volksvertreter. Sandra Navidi sieht solche Tendenzen öfter bei öffentlichen Stellen: „Ganz grundsätzlich haben öffentliche Stellen die Tendenz, gern zu wachsen, aber bei Wegfall von Aufgaben ungern zu schrumpfen“, beobachtet Navidi. Sie ist in Deutschland und den USA zugelassene Rechtsanwältin und mit ihren Finanzbüchern Bestsellerautorin. Aber auch sie bescheinigt der Bundesbank einen hohen Stellenwert: „Die Bundesbank ist unerlässlich für die geldpolitische Stabilität und die Vertretung im europäischen Kontext. Darüber hin­aus vermittelt sie den Bundesbürgern das Gefühl, dass ihre Interessen vertreten werden. Daher ist es gut, dass es sie gibt. Ob die Bundesbank mit ihren Aufgaben tatsächlich über 10.000 Mitarbeiter benötigt, ist allerdings fraglich, insbesondere im Vergleich mit ähnlichen Institutionen.“

Für das Euro-Ende gewappnet?

Obwohl naturgemäß niemand namentlich zu dieser Aussage stehen will, gibt es auch eine interessante Rechtfertigung für die scheinbar unnütze Größe der Bundesbank, die von etlichen Beobachtern geteilt wird. Sie vermuten im hohen Personalstand der Institution eine Vorbereitung auf eine hoffentlich nie eintretende Katastrophe. Nach dem Motto: „Wenn der Euro floppt und die EZB nicht mehr weiter kann, dann steht die Bundesbank parat und kann sofort die Arbeit aufnehmen.“ Das wäre dann immerhin ein Schwarzer Schwan, auf den man vorbereitet wäre.

Anke Dembowski

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