Fluch der Freiheit
Manager von Unconstrained-Bond-Fonds sind die Hoffnung vieler Anleger, die weiterhin vor allem auf Rentenerträge angewiesen sind. Am Beispiel der Starmanager Bill Gross von Janus Capital und Daniel J. Ivascyn von Pimco wird jedoch deutlich, dass auch sie keine Wunder vollbringen können.

Es war im Oktober auf dem Pimco Investment Summit 2016 in London, als Investoren gesagt wurde, was sie tendenziell eher ungern hören: „In den Märkten ist eigentlich alles eingepreist.“ Oder, wie es Managing Director Geraldine Sundstrom etwas verklausuliert ausdrückte: „Wir gehen davon aus, dass die meisten Assetklassen so gepreist sind, dass sie geringere Langfrist-Returns mit signifikanten Abweichungen innerhalb ihrer Assetklassen und Sektoren ausweisen werden.“ So werden etwa bei US-Aktien für die kommenden zehn Jahre jährliche Renditen erwartet, die nur noch ein Viertel dessen ausmachen, was von 2009 bis 2016 per annum erwirtschaftet wurde. Nicht viel besser sieht es an der Anleihenfront aus, wo bei Bonds im Investment Grade wahrscheinlich nur noch ein Drittel der gewohnten Jahresrenditen möglich sein wird (siehe Grafik „Langfristig geringere Erträge“).
Radikale Ansichten
Marktteilnehmer wie Anthony Doyle, Investment Director im Fixed-Interest-Team bei M&G Investments, nehmen sich in diesem Zusammenhang kein Blatt vor den Mund und erklären, die Anleihenmärkte glichen derzeit einer „Freakshow“. So würden Staatsanleihen Anlegern regelrecht Angst machen. Denn anders als Anfang 2016 von vielen erwartet wurde, haben die Schuldtitel westlicher Staaten im Jahresverlauf außerordentliche Kurssteigerungen erzielt. Doch die Anleihenrenditen sinken damit immer weiter: „Inzwischen sind Staatsanleihen im Wert von fast zehn Billionen Dollar mit einer negativen Rendite im Umlauf“, so Doyle. Und weiter: „Die umfangreichen Kaufprogramme der Notenbanken drücken die Laufzeitprämien, die Investoren für die Anlage in langfristigen Titeln erwarten, noch weiter unter null.“ Dabei seien gerade Assets mit langer Duration besonders gefragt. „Neben den Zentralbanken kaufen auch Pensionsfonds und Versicherungen zunehmend Anleihen und üben so noch mehr Druck auf die Renditen aus“, letztlich erschütterten negative Zinsen, gekoppelt mit wenig Wachstum und strenger Regulierung, aber auch die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen und Banken, meint Doyle.
Angesichts dieser Situation stellt sich für den Investor die Frage nach sinnvollen Strategien – insbesondere angesichts der angesprochenen Sorgen um die Duration. Um diese zu senken, muss man notwendigerweise stärker ins Risiko gehen und rutscht dann sehr schnell in den High-Yield-Bereich. Beschränkungen bei den Bonitäts- und Ratingstufen machen dem Bond-Investor das Leben in der Regel noch schwerer.
Als Wunderwaffe im Bereich Duration wird von diversen Anbietern das Konzept der Unconstrained Bonds ins Feld geführt. Prominenz hat das Thema jedoch spätestens, seit sich Bill Gross vor zwei Jahren dann doch halbwegs überraschend von Pimco und seinem 220-Milliarden-Fonds verabschiedet hat, um bei Janus den Global Unconstrained Bond Fund mit einem damaligen Nettovermögen von gerade einmal zwölf Millionen Dollar zu übernehmen.
Doch sind Unconstraineds wirklich eine Wunderwaffe? Was wollen sie, und was können sie? Dieser Frage hat man sich im Mai unter anderem bei S&P Dow Jones Indices im Rahmen des Research Papers „Unconstrained Bond Funds: A Closer Look“ gestellt.
Hong Xie, Director für Global Research & Design, erklärt relativ kurz und bündig, wie sich die Anlageklasse definiert und was sie kann – oder besser gesagt können soll: „Was Sektor, Land oder Währung betrifft, kann ein Unconstrained-Bond-Fonds in eine weite Range von Schuldtiteln investieren, ohne auf die Duration Rücksicht nehmen zu müssen.“ Dabei kann er auch long oder short gehen – wodurch perfekt an der Durationsschraube gedreht werden kann – das geht über die Nulllinie hinaus bis in den negativen Bereich hinein. Laut Hong Xie versprechen Unconstrained Bonds vor allem drei Dinge:
1. eine niedrige Korrelation zu Fixed Income
2. attraktive risikoadjustierte Erträge
3. aktives Risikomanagement
Die Performance der von Hong Xie als Peergroup verwendeten Morningstar-Kategorie „U.S. OE Nontraditional Bond“ hat über die vergangenen fünf Jahre jedoch gezeigt, dass diese drei Versprechen branchenübergreifend nur bedingt erfüllt werden:
1. Die Korrelation zu US-Anleihen variiert, die zu globalem Fixed Income ist jedoch nachhaltig hoch (siehe Grafik „Unerwünschte Korrelation“). Zum Vergleich herangezogen wurden der Barclays U.S. Aggregate Bond Index sowie der Barclays Global Aggregate Bond Index. Demnach lag die Korrelation – zweijährig rollierend – von 2012 bis etwa zur Jahresmitte 2013 gegenüber dem US-Markt im negativen Bereich – also genau dort, wo sie sein sollte. Allerdings drang sie danach in noch positiveres Terrain vor, als das zu jenem Zeitpunkt im Vergleich zu globalen Bondmärkten der Fall war. Erst gegen Ende 2015 bewegte sich die Korrelation wieder auf die Nulllinie zu. Im Vergleich zu globalen Anleihenmärkten gelang es überhaupt nicht, sich abzukoppeln. Die Korrelation war über den gesamten Prüfzeitraum positiv.
2. Die risikoadjustierten Erträge, gemessen am Verhältnis Ertrag zu Volatilität, waren niedriger als etwa im Kernbereich des Segments US-Fixed-Income – was negativ zu bewerten ist. Analysiert man die untersuchten Fonds nach Quintilen, wies nur eines einen höheren annualisierten Ertrag aus, als es der Barclays U.S. Index tat. Positiv stellt sich hingegen dar, dass die Volatilität sowohl im Vergleich zur globalen als auch zur US-amerikanischen Benchmark niedriger war.
3. Die geringe Volatilität spiegelt sich wiederum in der Tatsache wider, dass das Risiko insgesamt besser abgefedert wurde. Der durchschnittliche Maximum Drawdown (MDD) lag in der Kategorie „Unconstrained“ bei 3,02 Prozent. Bei der US-Peergroup hätte ein Investor Rückschläge von bis zu 3,67, im globalen Umfeld gar bis zu 7,66 Prozent hinnehmen müssen.
De facto erfüllten Unconstrained Bonds in den vergangenen fünf Jahren also nur eines von drei Kriterien vollständig – und zwar das der Abschwächung von Ertragsrisiken. Womit die Frage, woher die Erträge kommen sollen, vorerst unbeantwortet bleibt. Aber vielleicht ist es ja so, dass man einen besonders begabten Fondsmanager braucht, um die Renditeversprechen eines derartig komplexen Instruments auch umsetzen zu können. Den im Anleihenbereich vielleicht Prominentesten seiner Zunft haben wir bereits erwähnt: Bill Gross. Das Unternehmen, das untrennbar mit seiner Vergangenheit als Fondsmanager verbunden ist – also Pimco –, wäre eine naheliegende zweite Wahl für eine nähere Betrachtung. Das Fondshaus bietet mit seinem Pimco Select Unconstrained Bond den direkten Konkurrenten von Gross’ Janus Global Unconstrained an.
Das Duell Pimco vs. Gross
Zur Erinnerung: Bill Gross hatte Pimco im September 2014 – nicht unbedingt im allerbesten Einvernehmen – verlassen und in der Folge bei Konkurrent Janus angedockt, wo er den damals gerade einmal zwölf Millionen leichten Unconstrained-Fonds übernahm. Seither haben sich die Assets mit mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar zwar „mehr als verhundertfacht“, wie ein euphorischer Marktkommentator ein paar Monate nach der Rochade schrieb. Nahezu die Hälfte der Assets dürften aber von Gross selbst stammen. Dass man bei Pimco das Thema „Unconstrained“ nicht weniger ernst nimmt, zeigt sich ebenfalls an der Besetzung – der einschlägige Fonds wird von Pimco-CIO Daniel Ivascyn geleitet. Das ist angesichts des geringen Vermögens im Fonds bemerkenswert. Zwar ist der Pimco-Fonds mit Assets von 3,6 Milliarden US-Dollar in der gleichen Größenklasse wie der Rivale von Janus, verglichen mit dem Flaggschiff, das mehr als 200 Milliarden Dollar auf die Waage bringt, sind das aber Peanuts. Die hochkarätige Besetzung ist nur dann nachvollziehbar, wenn die Verantwortlichen erwarten, dass diese Sparte massiv an Bedeutung gewinnen wird.
Im direkten Vergleich verfolgen die beiden Kontrahenten ziemlich unterschiedliche Strategien hinsichtlich der erlaubten Freiheiten. Unconstraineds sind grundsätzlich hinsichtlich Anlagerichtung, Regionen, Hebelung, Long- und Short-Positionen offen und orientieren sich demzufolge – zumindest offiziell – an keiner Benchmark. Das Pimco-Management nützt dieses Potenzial, indem es sich bei rund 30 Prozent seiner Anleihenpositionen auf der Short-Seite positioniert hat. Janus versucht wiederum über eine relativ hohe Aktienquote von etwas mehr als 20 Prozent Tempo ins Portfolio zu bekommen. Mit zehn Prozent ist die Aktie von SABMiller die größte Einzelposition im Fonds – eine Strategie, die bislang jedoch nicht allzu sehr überzeugen konnte. Ein paar unglückliche Positionen bei Emerging Market Bonds hatten sich für Janus im zweiten Quartal als Belastung erwiesen, wovon sich der Fonds bis Ende Oktober zwar erholt hatte, er weist aber gegenüber der von Morningstar verwendeten Barclays-Peergroup nach wie vor eine Underperformance aus.
Ein leichter Trost für Gross mag sein, dass es Pimco in diesem Segment nicht viel besser geht. Die Performance beider Fonds ist im Jahresvergleich nahezu deckungsgleich (siehe Grafik im Anhang „Kopf an Kopf“).
Nur im Mittelfeld
Also egal, welchen der beiden Fonds man nimmt? Nicht unbedingt. Mit laufenden Gebühren von 0,9 Prozent ist das Pimco-Produkt teurer als der Janus-Fonds, bei dem 0,76 Prozent anfallen. Im Hinblick auf anstehende Zinsanhebungen und im Bestreben, die Duration so gering wie möglich halten, liegt wiederum Pimco vorn. Ivascyn hat es durch seine teils deutlichen Short-Positionen sogar geschafft, diese Kennzahl ins Minus zu drücken.
Um einen anderen Blickwinkel auf die Branche zu bekommen, sehen wir uns ein einschlägiges Ranking von Citywire auf Zwölfmonatssicht an. Der Morningstar-Konkurrent weist in seiner eigenen Peergroup 89 Fonds aus und bewertet diese in den Kategorien Total Return, Standardabweichung und MDD. Bei keiner diese Kennzahlen schafft es einer der Kontrahenten auch nur unter die Top 20, Janus liegt aber bei Standardabweichung und MDD doch deutlich besser als Pimco, ist also die bessere Wahl, wenn es um das Risikomanagement geht.
Doch was ist mit der Performance – der Notstand liegt ja bei den Erträgen? Da beeindruckt im Ranking der nach Total Return stärkste Fonds – CPR Credit Active US High Yield P – zwar mit einem Plus von 14,2 Prozent. Bei einer Standardabweichung von 7,8 stellen sich dem Investor aber die Nackenhaare auf. Hier liegt der Fonds auf dem 83. von 89 möglichen Rängen. Tatsächlich gibt es eine Menge Kritik an der Produktkategorie der Unconstrained Bonds: hohe Gebühren, hohe Volatilität, dabei in der Regel eine relativ eingeschränkte Performance.
Spricht man den Sales-Chef eines großen Fondshauses auf diese Diskrepanzen an, reagiert dieser leicht enerviert – die Vorwürfe seien nicht fair, da all diese Anforderungen schlicht nicht unter einen Hut zu bringen seien. Das Problem: Gerade so werden die Produkte eigentlich propagiert – als das Beste aus beiden Welten: bondähnliche Sicherheit bei aktienähnlicher Rendite.
Bill Gross zeigte sich im Juli 2016 besorgten Investoren gegenüber verständnisvoller. „In einer Welt, in der die Risiken groß sind, klingt ‚Unconstrained‘ so, als sollte man, statt sich auf ein Zirkuspferd zu setzen, einen Mustang zureiten.“ Angesprochen auf die relativ geringen Assets – bei Pimco hat er ja mehr als 200 Milliarden US-Dollar verwaltet –, meint er: „Wünsche ich mir, es wären fünf oder zehn Milliarden? Natürlich. Und darauf arbeite ich auch hin.“
Etwas problematisch erscheint nur, dass Gross mit der Übernahme von Janus durch Henderson plötzlich auch einem deutlich größeren Fonds vorstehen soll, in dem er seine gewohnte Total-Return-Strategie umsetzen soll – womit sich möglicherweise dann doch Zweifel bezüglich seines Commitments zum Thema „Unconstrained“ auftun.
Intransparenz
Unconstrained Bonds dürfen alles: Pfandbriefe, Staatsanleihen, long, short, positive, negative Duration und sogar Aktien – eine Benchmark gibt es nicht. Diese Stärke, die dem Manager alle Waffen für die Jagd nach Alpha gibt, ist gleichzeitig die Schwäche der Assetklasse. Denn auf Investorenseite wird rasch unklar, welches Ziel verfolgt wird: Anleihenähnliche Vermögensverteidigung oder Überschussrendite, wie man sie von einem Hedgefonds erwarten würde? Vertriebsleute zeigen sich irritiert, weil ihre Kunden Ergebnisse erwarten, die sich widersprechen. Hier muss sich die Branche angesichts der eingeschlagenen Marketingstrategie allerdings selbst bei der Nase nehmen. Auch die Abkopplung von Benchmarks kann sich als problematisch erweisen. Sie führt dazu, dass Plattformen wie Morningstar oder Citywire eigene „Unconstrained“-Kategorien einführen, in denen defensive Produkte nach denselben Kriterien gerankt werden wie aggressive. Auch das kann zu Verwirrung führen. Nachgesehen werden kann das damit, dass die Branche noch relativ jung ist. Zwar hat es ähnliche – gescheiterte – Produkte bereits in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben. Die aktuelle Trader-Generation und die damit verbundenen Marketingabteilungen haben diese Zeit aber großteils nicht miterlebt und müssen de facto bei null beginnen.