Ertragreiche Nordlichter
Skandinavien ist nicht nur auf der Aktienseite hochinteressant. Auch im Anleihenbereich hat die Region einiges zu bieten: Überrenditen mit überschaubaren Risiken. Allerdings nur für all jene, die bereit sind, die Extrameile zu gehen.
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Um es gleich vorauszuschicken: Für bequeme Benchmark-Hugger in der Anleihenwelt sind Nordic Bonds überhaupt nicht geeignet. Hier braucht es viel mehr, als einen Index nachzubauen, um erfolgversprechendes Exposure zu nordischen Emittenten aufzubauen. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei der Beobachtung der Peergroup, denn zum Aufspüren der entsprechenden Fonds braucht es Trüffelschweinqualitäten. Wer etwas ein geeignetes Universum bei Morningstar sucht, wird nicht fündig: Nordic Bonds als eigene Kategorie, seien es Investment-Grade- oder High-Yield-Fonds, gibt es nicht. Den wenigen Anbietern ist das Problem bekannt, und sie hätten nichts lieber, als sich mit ihresgleichen sichtbar matchen zu können. Doch bei Morningstar biss man bislang auf Granit. Was den Alpha-Jägern hingegen gut gefällt, ist die Tatsache, dass es keine Nordic-Bond-ETFs gibt – und damit keine spekulativen Flows, die die eine oder andere Investmentidee kaputtmachen können. Lokales Buy-and-Hold dominiert damit praktisch ungestört.
Doch kein Free Lunch?
Wer glaubt, man würde locker ein Renditeplus von mehreren hundert Basispunkten pro Jahr bei noch dazu verringerter Volatilität gegenüber klassischen IG- und High-Yield-Benchmarks herausholen können, der kennt die Spezifika der nordischen Märkte nicht. Dazu gehört, dass fast die Hälfte der skandinavischen Emittenten über kein offizielles Kreditrating verfügt. Das ist für viele auch nicht nötig, denn die Kapitalmarktakteure kennen sich im Fünfeck, bestehend aus Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island, außerordentlich gut. Wer hier Kapitalbedarf hat, weiß, wen er ansprechen muss, um ohne Aufwand in Bezug auf Ratingagenturen seine Anleihen zu platzieren und in wenigen Wochen an den Emissionserlös zu kommen. Eine Schlüsselposition am nordischen Bondmarkt nimmt dabei die Organisation Nordic Trustee in den verschiedenen Emissionsstadien ein. Sie ist es auch, die bei Zahlungsstörungen Bondholderinteressen bündelt, die Parteien an einen Tisch bringt und nach pragmatischen Lösungen sucht, die alle Anleihengläubiger gleich behandeln. Das sorgt oft für gute Recovery Rates.
Viele Anleihenemissionen sind relativ klein und die Emittenten nur lokal bekannt, sodass diese am Radarschirm großer Ratingagenturen, Investmenthäuser und Kapitalsammelbecken gar nicht auftauchen. Lokale Banken und Fondsmanager aus der skandinavischen Region mit ihrem speziellen Know-how auch in Bezug auf die Erstellung interner Ratings und deren Monitoring nutzen hier ihren Standortvorteil und können durch aktives Management Mehrwert für ihre Investoren generieren. Man kann also getrost davon ausgehen, dass die Kosten der Informationsbeschaffung auf dem skandinavischen Markt relativ hoch sind und durch eine Mehrrendite kompensiert werden. Eine weitere Besonderheit des Marktes ist, dass sich die meisten Emissionen im Laufzeitbereich von bis zu fünf Jahren bewegen, die Duration stellt also nicht das große Problem bei den Nordic Bonds dar. Auch Optionalitäten (Calls) sind in diesem Markt durchaus üblich. Wer glaubt, hier Duration Plays veranstalten zu können, liegt falsch und sollte sich dafür anderen Renten-Buckets widmen.
Sektorfragen
Trotz der sprichwörtlichen finanziellen Solidität des Wirtschaftens im Norden Europas, einer Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens auf allen Ebenen, eines hohen Grades der Autarkie der Industrie, eines hohen strukturellen Wachstums, kräftiger Exporte, des Schutzes vor Öl- und Gasknappheit durch eigene Reserven beziehungsweise Wind-, Wasser- und Atomkraft und einer hohen Reife des Anleihenmarktes gibt es doch sektorale Besonderheiten. Zwar kann man den nordischen High-Yield-Bondmarkt als gut diversifiziert bezeichnen, jedoch gilt zu beachten, dass traditionell die Sektorgewichtung von der globalen beziehungsweise gesamteuropäischen deutlich abweicht und gerade das Exposure zu zyklischen Sektoren nicht außer Acht zu lassen ist. So war um 2010 die Öl- und Gasdienstleistungsbranche (z. B. Drilling) mit einem Anteil von zirka 40 Prozent dominant, ihr Anteil ging in den letzten Jahren aber in die Gegend von zehn Prozent des Anleihenvolumens der Nordic Bonds zurück. Dazu kommen Anleihen aus dem Sektor Shipping (Reedereien), der zu den volatilsten – man denke nur an das Auf und Ab bei den Frachtraten und den Schweinezyklus bei der Schiffsproduktion – gehört. In den letzten Jahren tauchten zudem stark steigende Emissionen von Namen aus der Immobilienbranche auf, die 2010 noch kaum eine Rolle spielte. Mittlerweile ist bereits fast ein Viertel der High-Yield-Emissionsvolumina dem Real-Estate-Sektor zuzurechnen (siehe Chart „Branchenbild im Wandel“), der den Zentralbanken wegen des relativ hohen Verschuldungsniveaus insbesondere der privaten Haushalte Anlass zur Sorge gibt.
Der Fall SBB
Dazu können ganz schnell Reputationssorgen für einzelnen Adressen kommen, wenn etwa wie im Februar letzten Jahres ein prominenter Leerverkäufer wie Viceroy-Research-Gründer Fraser Perring ein Kaliber wie den Immobilienkonzern Samhällsbyggnadsbolaget (SBB) aufs Korn nimmt und sowohl dessen Aktien als auch Bonds shortet. Perring verwies in seinem Statement auf die makroökonomische Situation, die Immobilienbewertungen, den hohen Belehnungsgrad (Loan-to-Value, LTV) sowie die in seinen Augen schwache Unternehmensführung durch den Gründer und CEO Dr. Ilija Batljan. Dieser konterte nicht nur argumentativ, sondern machte etwa auch durch Assets Sales Mittel frei, um Anleihen zu Kursen deutlich unter pari zurückzukaufen. Dazu kann noch ein Spin-off von Neobo Fastigheter, nunmehr Amasten Fastighets. Dies alles zeigt, wie wichtig es im Segment der Nordic Bonds ist, aktives Management zu betreiben, um mögliche Fettnäpfchen auszulassen und Branchenungleichgewichte zu korrigieren respektive seine Macro View in die Sektorallokation einfließen zu lassen. Der Mehrertrag ist damit zu einem gewissen Teil auch der Übernahme erhöhter zyklischer Risiken geschuldet.
Last but not least ist das Liquiditätsrisiko zu managen, denn der Sekundärmarkt für kleinere Emissionen ist eine Herausforderung und verlangt genaue Kenntnisse über den Kreis der Marktteilnehmer. Somit ist ein Teil des imposanten Spreads auch auf eine Illiquiditätsprämie zurückzuführen.
Beliebtes Cross-over-Feld
Während manche Nordic-Bond-Fonds eigentlich High- Yield-Fonds darstellen und hauptsächlich im gesamten – impliziten wie expliziten – BB/B-Bereich inklusive CCC auf Renditejagd gehen, gibt es andere mit einem weniger ambitionierten Rendite-Risiko-Profil, die an der Schnittstelle von Investment Grade zu High Yield ihre Investments suchen und hier Fehlbepreisungen aufspüren, die dann eine nette Upside verheißen, wenn der Markt einmal deren versteckte Vorzüge erkannt hat beziehungsweise die Endfälligkeit ins Haus steht. Diese Ansätze suchen Material im Cross-over-Bereich.
Wer hier mitmischt
Pareto Asset Management ist einer der großen lokalen Player. Das 1995 in Oslo gegründete Haus hat gleich zwei heiße Eisen im Köcher: den Pareto Nordic Corporate Bond Fund und den Pareto Cross Credit Fund. So ist auch der Pareto Nordic Corporate Bond (PNCB) im Hochzinsanleihenbereich angesiedelt. Er macht sich auf die Jagd nach Renditeprämien nicht gelisteter High-Yield-Emissionen, ohne dabei ESG-Kriterien außer Acht zu lassen. „Allerdings verfolgen wir mit dem PNCB eine konservativere Ausrichtung als einige Peers“, gibt Ivan Mlinaric, International Business Development bei Pareto Asset Management in Frankfurt, zu bedenken. Das sieht man auch an der niedrigen Volatilität der Fonds des Hauses. „Ebenso unterscheiden sich unsere Produkte deutlich in ihrem Umgang mit dem Energiesektor. Unser Pareto Nordic Corporate Bond hat gewisse Einschränkungen bezüglich fossiler Energien.“
Zwei Drittel der im 1,366 Milliarden Euro schweren PNCB-Portfolio aktuell gehaltenen Bonds sind im Übrigen Floating Rate Notes, der durchschnittliche Spread-to-Worst liegt bei aktuell 492 Basispunkten. Dass Parteo Asset Management ein Credit Research von sehr hoher Qualität besitzt, erkennt man daran, dass die rollierenden 12-Monats- Ausfallraten des Fonds seit 2017 niemals über vier Prozent lagen, während der nordische High-Yield-Markt in den Quartalen nach dem Corona-Ausbruch in der Spitze eine Default Rate von fast zwölf Prozent erreichte. Seit Dezember 2020 konnte man überhaupt mit weißer Weste agieren, während doch im Schnitt ein bis zwei Emissionen pro Monat – und in der Spitze zweimal sogar fünf – ausfielen (siehe Grafik „Credit Events“).
Paretos zweites explizites Nordic-Bond-Produkt ist der Pareto Nordic Cross Credit (PNCC). Sein Fokus ist auf den Cross-over-Bereich zwischen Investment Grade und High Yield gerichtet, der durchschnittliche Spread-to-Worst liegt hier bei 337 Basispunkten. Dazu kommt, dass der Fonds nahezu keine Zinssensitivität aufweist; die Duration liegt bei 0,3 Jahren. Der mit 310 Millionen Euro deutlich kleinere PNCC besteht zu 92 Prozent aus Floatern. Das Haus stuft den PNCC als „Artikel-8-plus-Fonds“ nach der EU-Offenlegungsverordnung ein. Das Plus rührt daher, dass man bei diesem Produkt mit dem Thema Energie noch restriktiver umgeht und daher den Fonds gänzlich fossilfrei hält.
Ebenfalls gut im Geschäft bei Nordic Bonds ist der finnische Asset Manager Evli mit Sitz in Helsinki. Das Haus wurde 1985 gegründet und verwaltete zur Jahreswende 17,5 Milliarden Euro, davon sieben Milliarden in Corporate Bonds, wovon wiederum drei Milliarden auf Nordic Corporate Bonds entfallen. Evli ist inzwischen im Ranking nach verwalteten Kundengeldern zu Finnlands drittgrößtem Asset Manager aufgestiegen, wenn man die großen bankeigenen Kapitalsammelstellen miteinbezieht. Unter den unabhängigen Fondsgesellschaften war Evli schon bisher die größte.
Beim 853 Millionen Euro schweren Evli Nordic Corporate Bond Fonds (Fonds nach Artikel 8 SFDR), der von Fondsmanager Jani Kurppa gemanagt wird, setzt man den Schwerpunkt auf den Investment-Grade- und Cross-over-Bereich (BBB/BB-Qualitäten) und freut sich, mit einer relativ defensiven Ausrichtung ein langfristiges Renditeplus von im Durchschnitt 200 bis 250 Basispunkten getreu dem Motto „Gleiche Qualität, besserer Wert“ bei vergleichbar guten Bonitäten zu erwirtschaften. Auch bei Evli sind interne Ratings des proprietären Research bei den nicht gelisteten Emittenten entscheidend, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Als Benchmark gelangt der ICE BofAML 1–5 Year Euro Corporate Index zum Einsatz. Der Cross-over-Bereich ist deshalb interessant, weil man hier Bonds mit vielversprechenden Rendite-Pickups findet. Zudem verfolgt man einen ESG-integrativen Ansatz und ist fossilfrei unterwegs. Das erklärt auch den großen Anteil an schwedischen und finnischen Emittenten, während die Norweger nur zirka ein Sechstel des Fonds ausmachen.
Dem defensiven Charakter des Fonds entsprechend hat man auch kein Exposure zu hoch gehebelten schwedischen Immobilienentwicklern. Im Zeitablauf erzielte man mit Cross-over-Anleihen bessere risikobereinigte Renditen als mit bloßem High Yield, das gelte gerade auch für die Nordics, sagt Evli. Im impliziten und expliziten Investment-Grade-Segment sind es um die 150 Basispunkte Renditevorsprung, wie die Grafik „Investment Grade Spreads bei Nordic Bonds“ illustriert.
Performance
Grundsätzlich kann man sagen: Je mehr Risiko speziell im High-Yield-Bereich und in den zyklischen Sektoren wie dem Energiesektor die einzelnen Marktteilnehmer eingingen und je besser sie Sektorrotationen zu nutzen ver-standen, desto besser fielen die Renditen in den letzten drei Jahren aus. Wie man hinter den Kulissen hört, sind es vor allem die kleineren Wettbewerber, die deutlich opportunistischer mit dem Thema fossiler Energie umgehen. Da dürften 2022 die Sektoren Energie und Financials durchaus einmal schon mehr als 50 Prozent des Portfolios ausgemacht haben. Im Vergleich zum Bloomberg Euro Aggregate 1–5 Years Total Return Value Unhedged EUR Index (Bloomberg ID: I10463EU), der in dem gleichen Zeitfenster von 3. März 2020 bis 3. März 2023 auf eine annualisierte Performance von minus 2,88 Prozent kam, haben jedenfalls alle Anbieter nach Kosten mit einer kräftigen Outperformance – von zumindest 124 Basispunkten pro Jahr im Fall konservativer Anbieter wie Evli bis zu mehr als 1.000 Basispunkten im Fall des schneidigen Storm-Fonds – abgeschnitten (siehe Grafik „Performancevergleich Nordic Bond Funds“).
Interessantes Diversifikationsinstrument
Insgesamt zeigt ein Blick auf die Region, dass auch konservative Investoren ernsthaft darüber nachdenken sollten, in ihrer Corporate-Bond-Tangente ein Satelliteninvestment in Form aktiv gemanagter Nordic Corporate Bonds zu etablieren. Ein Mehr an Rendite mit weniger Volatilität als Portfoliobestandteil in diesem Bucket um den Preis einer gewissen Zyklizität, einer geringeren Liquidität und höherer Informationsbeschaffungskosten kann allemal nicht schaden. Dabei sollte man wohl am Anfang mit konservativ agierenden Fonds beziehungsweise Managern starten, bis man sich mit den Marktbesonderheiten ausreichend vertraut gemacht hat. Speziell den Cross-over-Bereich neben dem Thema der Fallen Angels, das in Fondsform von manchen schon abgedeckt wird, mit einer zweiten Strategie zu bespielen, die im Norden Europas angesiedelt ist, hat viel Charme.
Dr. Kurt Becker