Ende der Wende?
Der politische Wind, der aus den USA weht, lässt Bedenken über Zukunft der Energietransition und die damit verbundenen Investmentideen aufkommen. Auf der anderen Seite scheinen einige Transitionstrends bereits stark verankert zu sein.
Ist „Drill, Baby, drill!“, der mittlerweile landauf, landab bekannte Sager von US-Präsident Donald Trump, das Totenlied der Transitionswirtschaft? Sind Windräder „zu hässlich“, um aufgestellt zu werden, erleben wir also gerade die Wende der Wende in der Energiepolitik und der damit verbundenen Investmentparadigmen? Es wäre verlockend, dem Tempo Trumps zu folgen und hier auf die Schnelle „Wahrscheinlich schon“ zu sagen, hört man sich jedoch im Markt um, so zeichnen Beobachter und Marktteilnehmer wie Paul Drummond, Climate & Environment Research Lead bei Greenwheel, ein differenziertes Bild.
Bei Greenwheel selbst handelt es sich um ein Nachhaltigkeitsökosystem, das die Integrations-, Übergangsphasen- und Nachhaltigkeitsfonds (Enhanced Integration, Transition and Sustainable Funds) des Investmenthauses Redwheel unterstützt. Drummond ortet zwar auch einen potenziellen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik der USA, analysiert aber im Report „The Energy Transition under Trump 2.0: USA & International Prospects“ verschiedene Entwicklungspfade: beispielsweise ein konserviertes Szenario, in dem regulatorische Hürden und staatliche Strukturen Trumps Energieagenda teilweise begrenzen, oder ein unbegrenztes Szenario, in dem er seine Vorhaben weitgehend ungehindert durchsetzen kann.
Politik und Ökonomie
Die USA tragen derzeit etwa 13 Prozent zu den weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen bei. In den 1990er-Jahren lag dieser Anteil noch bei über 20 Prozent, doch insbesondere der Wandel im Strom- und Transportsektor hat zu einem Rückgang geführt. Trotz der klimapolitischen Maßnahmen der Biden-Regierung sind diese zwei Sektoren weiterhin für 70 Prozent der US-Emissionen verantwortlich. Prognosen zeigen, dass die Vereinigten Staaten ihre Reduktionsziele ohne zusätzliche Maßnahmen nicht erreichen werden (siehe Chart „Entwicklung der CO2-Emissionen“). Vor Einführung des Inflation Reduction Act (IRA) war lediglich eine Senkung der Emissionen um 20 Prozent bis 2030 absehbar.
Drummond verweist auf die strukturelle Verschiebung, die sich bereits abzeichnet: „Wir bewegen uns weg von einer politisch getriebenen Fokussierung auf nachhaltige Ressourcensubstitution im Stromsektor – hin zu einer neuen Phase, in der schlicht mehr Energie benötigt wird.“ Die steigende Stromnachfrage, getrieben durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur und den Hochlauf der Elektromobilität, könnte somit entscheidender für den Energiemarkt werden als der politische Kurswechsel. Laut Drummond begünstigen mehrere Faktoren den Ausbau erneuerbarer Energien und von Batteriespeichern. Ein entscheidender Punkt ist die ökonomische Attraktivität von Solar- und Windkraftanlagen, die selbst ohne Subventionen häufig die kosteneffizienteste Option für neue Kapazitäten darstellen. Besonders in Regionen mit günstigen natürlichen Bedingungen für Wind- und Solarenergie werden diese Technologien weiterhin wettbewerbsfähig bleiben.
Darüber hinaus spielen Geschwindigkeit und Umsetzbarkeit neuer Projekte eine zentrale Rolle. Photovoltaik- und Onshore-Windanlagen lassen sich laut Greenwheel vergleichsweise rasch realisieren und können schneller als fossile Kraftwerke auf die steigende Stromnachfrage reagieren.
Bestehende Infrastruktur
Hinzu kommt die Bedeutung bestehender Infrastruktur. Die USA verfügen bereits über eine weitreichende Netzstruktur für erneuerbare Energien, die in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut wurde. Zwar könnte eine Rücknahme von IRA-Subventionen die Investitionsdynamik bremsen, doch viele Projekte sind bereits in der Pipeline oder befinden sich in Bau. Dies gilt insbesondere für Batteriespeicher, die als Schlüsseltechnologie für die Netzstabilisierung gelten. Auch die Kostenstruktur spielt eine Rolle: Während neue Gas- und Kohlekraftwerke langfristige Kapitalinvestitionen erfordern und mit regulatorischen Unsicherheiten behaftet sind, lassen sich Erneuerbare flexibler in den bestehenden Netzbetrieb integrieren.
Ein weiterer stabilisierender Faktor ist laut Greenwheel der politische Einfluss der Bundesstaaten. Auch wenn eine Trump-Regierung Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien auf Bundesebene zurücknimmt, verfügen viele Bundesstaaten über eigene Regularien, die langfristig wirken. Derzeit haben 29 Staaten verbindliche Quoten für erneuerbare Energien verabschiedet, einige mit langfristigen Zielen von über 50 Prozent oder sogar vollständiger Dekarbonisierung. „Die Wahl von Donald Trump wird zu einer spürbaren Neujustierung der Förderpolitik in den USA führen. Doch die Realität ist, dass erneuerbare Energien eine der kostengünstigsten Formen neuer Netzkapazität bleiben werden – selbst ohne Subventionen.“
Einschätzungen der Marktteilnehmer
Ins selbe Horn stößt Deepshikha Singh, Head of Stewardship bei Crédit Mutuel:?„Die Stabilität nachhaltiger Investitionen beruht auf ihrer Fähigkeit, sich an politische Zyklen anzupassen. Auch wenn Trumps Politik einige Aspekte des ESG-Investments infrage stellen mag, ist es unwahrscheinlich, dass die überwältigende Verlagerung der globalen Märkte in Richtung Nachhaltigkeit rückgängig gemacht wird. Investoren, die sowohl vom Risikomanagement als auch von Chancen getrieben sind, werden weiterhin ESG-Faktoren in ihre Portfolios integrieren, selbst wenn sie auf Widerstand stoßen. Die Nachfrage nach transparenten, verantwortungsvollen Investitionen wird anhalten, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt.“
Bei Aberdeen meint wiederum Thomas Leys, Co-Manager des abrdn Climate Transition Bond Fund: „Die politische Unterstützung für die Dekarbonisierung schwankt, aber die Richtung, in die wir uns bewegen, ist klar: eine CO2-arme Welt. Besonders gute Chancen sehen wir dafür derzeit in Europa und Asien: Mit dem Green Deal der EU wurde das gemeinsame Ziel gesetzlich verankert, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu den Werten von 1990 zu reduzieren und langfristig bis 2050 Netto-Null zu erreichen. Die Politik stellt Fördermittel und Unterstützung für die gesamte Wirtschaft bereit, von der Landwirtschaft über die Energiewirtschaft bis hin zur Industrie und zum Verkehr, und schützt gleichzeitig die Beschäftigten durch den sogenannten Just-Transition-Fonds.“
Im vergangenen Monat hat die EU mit dem Clean Industrial Deal 100 Milliarden Euro zur Förderung sauberer Industrien auf dem gesamten Kontinent bereitgestellt. Doch auch ohne die Unterstützung der EU und der nationalen Regierungen beschleunigen starke angebots- und nachfrageseitige Anreize aus dem privaten Sektor das grüne Wachstum. Dass der Trend Richtung Transition ein nachhaltiger ist, lässt sich nicht zuletzt am Ölverbrauch festmachen – hier liefert Guinness Global Investors einen interessanten Ansatz – und zwar den der „Oil Bill“.
Globale Ölrechnung
Diese Kennzahl quantifiziert die jährlichen Ausgaben der Weltwirtschaft für Ölimporte, indem sie das globale Ölverbrauchsvolumen mit dem durchschnittlichen Ölpreis multipliziert. Demnach lag die globale Oil Bill im Jahr 2024 bei etwa drei Billionen US-Dollar. Dieser Wert entspricht ungefähr drei Prozent des globalen BIP. Im Vergleich dazu lag die Ölrechnung im Jahr 2011, als die Ölpreise auf ihrem Höchststand waren, bei rund 4,5 Prozent des globalen BIP. Dieser Rückgang lässt den Schluss zu, dass die Weltwirtschaft heute weniger anfällig auf hohe Ölpreise reagiert als früher. Jonathan Waghorn, Portfoliomanager bei Guinness Global Investors, erläutert: „Die Oil Bill – definiert als das Produkt aus globalem Ölverbrauch und durchschnittlichem Ölpreis – dient als Maß für die jährlichen Ausgaben der Weltwirtschaft für Ölimporte.“ Er betont, dass trotz eines moderaten Anstiegs der Ölpreise in den letzten Jahren der Anteil der Oil Bill am globalen BIP relativ stabil geblieben ist, was auf eine robustere und diversifiziertere Energieinfrastruktur hinweist.
Der Guinness Sustainable Energy Fund investiert gezielt in Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltiger Energie – von Erzeugung und Speicherung bis hin zu Effizienzsteigerung und Verbrauch. Neben reinen Pure Players im Bereich erneuerbare Energien berücksichtigt der Fonds auch Unternehmen mit einer klaren Strategie für den Übergang von fossilen zu nachhaltigen Energiequellen.
Jonathan Waghorn, Portfoliomanager bei Guinness Global Investors, betont den selektiven Ansatz: „Unser Portfolio konzentriert sich auf Unternehmen, deren Geschäftsmodelle bereits ohne signifikante Subventionen wirtschaftlich tragfähig sind. Diese Auswahl erlaubt es uns, langfristige Trends in der Energiewende zu nutzen, während wir uns von Unternehmen fernhalten, die stark von politischen Fördermaßnahmen abhängig sind.“
Laut Guinness entfallen beispielsweise 71 der insgesamt 247 investierten Transitionstitel auf Elektrifizierung, darunter Batterien und Technologien für den Transportsektor. Weitere Positionen sind Ausrüster und Dienstleister für erneuerbare Energien, während 67 Titel Unternehmen sind, die nachhaltige Energie erzeugen (siehe Chartbild „Investment Case Energietransition“). Die differenzierte Aufschlüsselung (siehe Chartbild „Spezifische Beispiele für eine Energietransitionsstrategie“) zeigt den Schwerpunkt auf Batterietechnologien und Dekarbonisierung des Verkehrs, etwa im Rahmen von Elektrofahrzeugen und Leistungselektronik.
Hans Weitmayr