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4/2024 | Produkte & Strategien

Der große Nachhall

Mit einem Knall gewann Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen. Überwiegen jetzt die Risiken oder die Chancen? Fixed-Income-Investments könnten ­angesichts ­dieser Unsicherheit den goldenen Mittelweg darstellen.

Wie tariert man sein Portfolio angesichts einer immer undurchsichtiger werdenden ökonomischen und geopolitischen Gemengelage optimal aus? Laut Capital Group könnte Fixed Income im gegenwärtigen Umfeld seine Rolle als Aktiendiversifikator wieder erfüllen. Stellt sich nur die Frage: Welche Art von Fixed Income? 
Wie tariert man sein Portfolio angesichts einer immer undurchsichtiger werdenden ökonomischen und geopolitischen Gemengelage optimal aus? Laut Capital Group könnte Fixed Income im gegenwärtigen Umfeld seine Rolle als Aktiendiversifikator wieder erfüllen. Stellt sich nur die Frage: Welche Art von Fixed Income? © Funtap | stock.adobe.com

Während einschlägige Umfragen der ARD im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen auswiesen, dass mehr als 70 Prozent der in Deutschland Befragten von einer Wahlniederlage Donald Trumps ausgingen, hat sich Institutional Money mit dem Szenario eines Trump-Siegs auseinandergesetzt (Anm.: QR-Code zu „Was ein Comeback bedeutet“ in der Marginalspalte links). Angelehnt an einschlägige Forschung haben wir auf die Volatilitäten hingewiesen, die kurzfristig im Wahlkampf und langfristig nach einem Wahlsieg des Republikaners eintreten könnten. Im vorliegenden Artikel wollen wir uns über die Fixed-Income-Schiene ansehen, ob der Bondmarkt als Absicherung gegen mögliche ökonomische und geopolitische Turbulenzen ein taugliches Mittel darstellt – und wenn ja, welche Art von Fixed Income sich hier anbietet. Nachdem sich der designierte US-Präsident bereits vor Redaktionsschluss auf die US-Notenbank Fed eingeschossen hat, werden wir auch die jüngste Zinspolitik in Gestalt der November-Zinssenkung um 25 Basispunkte und den weiteren Ausblick dazu streifen.

Fixed Income: Nicht ob, sondern wie viel

In diesem Zusammenhang gibt es von Markteilnehmerinnen wie Kareena Moledina, Lead – Fixed Income Client Portfolio Management EMEA / Fixed Income ESG bei ­Janus Henderson Investors, eine ganz klare Sichtweise:?­„Betrachtet man in der Vergangenheit die Renditen in den ersten zwölf Monaten nach einer Zinssenkung, so haben die meisten ­Fixed-Income-Sektoren eine positive Performance erzielt. ­Angesichts des aktuellen Lockerungszyklus der Fed kommt es also nicht darauf an, ob die Anleger festverzins­liche Wertpapiere halten, sondern in welchem Umfang und in welchen Sektoren.“

Während es von Janus also aus renditetechnischer Sicht ein ganz klares Bekenntnis zu Fixed Income gibt, stellt sich dennoch die Frage, ob diese Assetklasse derzeit ihren ureigensten Investment-Case vertritt, wonach sie in unsicheren Zeiten als Absicherungsinstrument fungiert. Man kennt die Theorie noch aus der eigenen Zeit an der Uni: Aktien rauf, Anleihen runter. Und umgekehrt. Dieser Diversifikations­effekt war in der jüngeren Vergangenheit, wenn überhaupt, so oft ziemlich verwässert zu beobachten – eine Einschätzung, die auch Flavio Carpenzano teilt. Der Investment ­Director bei Capital Group gab im Rahmen des London Media Day Ende Oktober 2024 eine Markteinschätzung ab, die in vielerlei Hinsicht auf die Lage nach dem 5. November einstimmte. Die für den Absicherungsgedanken ­gute Nachricht seitens des Fixed-Income-Spezialisten: „Es gibt Grund zur Annahme, wonach die Diversifikationsfunktion, die in den letzten Jahren weniger zuverlässig war, zurückkehrt.“ Und da sich die Markterzählung zum Risiko von Sorgen über eine mögliche Wiederbeschleunigung der ­Inflation hin zu Rezessionsängsten und einer weichen Landung verlagert hat, glaubt der Capital-Group-Stratege, „dass die negative Korrelation zwischen Anleihen und Aktien anhalten könnte. Historische Analysen zeigen, dass diese Korrelation im Lauf der Zeit schwankt. Typischerweise ist sie in Zeiten größerer Inflationsunsicherheit positiv, während sie in Zeiten von Wachstumsunsicherheit oft negativ ist. Das derzeitige Umfeld mit moderater Inflation und einer Fed, die sich hauptsächlich um Wachstumsrisiken sorgt, deutet auf eine höhere Wahrscheinlichkeit hin, dass Anleihen ­weiterhin diese diversifizierende Funktion erfüllen werden.“ (Siehe auch Grafik „Diversifikationseffekte wieder ein Faktor“.) Das aktuelle Umfeld bietet aus Sicht des Capital-Group-­Experten außerdem noch „ein vielversprechendes Renditepotenzial für festverzinsliche Anlagen“. Mit rückläufiger Inflation und einem verstärkten Fokus der Federal Reserve auf die Unterstützung des Wachstums werden Anleihen zunehmend attraktiv. Die erwarteten Zinssenkungen dürften zu niedrigeren Geldmarktrenditen führen, verglichen mit den bislang etwa fünf Prozent, die Geldmarktfonds bieten, „was Anleger dazu ­anregen sollte, in hochwertige Anleihen zu ­investieren“, so die Einschätzung Carpenzanos (siehe Grafik „Fixed-Income-Markt mit Chancen“).

Carry statt Duration

Nicht zuletzt aufgrund der strukturellen Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft, verbunden mit einem langsameren Rückgang der Inflation, deutet aus Sicht der Capital Group einiges darauf hin, dass die Fed die Leitzinsen weiterhin senken wird, „wenn auch langsamer als ursprünglich erwartet“. Dies hat laut der Einschätzung des Asset Managers in der Vergangenheit zu einer Anpassung der Markterwartungen und einem Anstieg der Renditen geführt, da die robuste US-Wirtschaft und ein relativ stabiles makroökonomisches Umfeld insgesamt günstig für Risikoanlagen sind. „In diesem Szenario könnten sowohl Renditen als auch Spreads in­ einem engen Bereich verbleiben, während die Zinssätze eine relative Volatilität aufweisen. Daher wird Carry voraussichtlich der dominierende Faktor für die Performance festverzinslicher Anlagen sein und nicht die Duration“, so Carpenzano, der im Fixed-Income-Bereich auch einen klaren Favoriten hat: „Unternehmensanleihen mit Investment Grade (IG) bieten attraktive Erträge, das Potenzial zum Kapitalerhalt und Diversifikation gegenüber Aktien. Diese Merkmale machen die Anlageklasse gut geeignet, um einen strategischen Kern für festverzinsliche Portfolios zu bilden.“

IG-Credits erhalten demnach weiterhin starke technische Unterstützung vor dem Hintergrund solider Fundamentaldaten und eines unterstützenden makroökonomischen Umfelds. Investment-Grade-Credits in entwickelten Märkten bieten in den meisten Fällen ein höheres Renditeniveau als vergleichbare Staatsanleihen. Die zusätzliche Rendite sorgt demnach nicht nur für einen relativ stabilen Einkommensstrom, sondern bietet dem Portfolio auch eine Pufferfunk­tion, um Phasen der Marktvolatilität abzufedern. „Die Ära extrem niedriger Renditen ist einem Umfeld gewichen, in dem die Inflation und damit die Leitzinsen voraussichtlich höher bleiben werden. In diesem Umfeld sollten Unter­nehmensanleihen weiterhin attraktive Ertragsniveaus bieten“, so Carpenzano abschließend (siehe Grafik „Sensitivitätsanalyse für globale Corporate Bonds“).

Ambivalentes zu High Yield

Wer hinter diesen Einschätzungen eine leichte Skepsis bezüglich High Yields ortet, liegt wahrscheinlich nicht falsch – und das obwohl 2024 für Hochzinsanleihen bislang ein gutes Jahr war. Auch das vergangene Jahr war positiv für die Anlageklasse, da sich die High-Yield-Märkte 2023 von der sehr gedrückten Stimmung und den sehr niedrigen Bewertungen des Jahres 2022 erholen konnten.

Ein Grund für den bislang positiven Verlauf könnte laut Analyse von Jupiter AM das Nachlassen eines technischen Risikos, die sogenannte Refinanzierungsmauer, sein. „Damit ist die große Anzahl von Unternehmen gemeint, die fällig werdende Anleihen zu höheren Zinssätzen refinanzieren müssen. Dass dies in den letzten Monaten ohne nennenswerte Marktverwerfungen vonstattengegangen ist, kann als sehr positives Signal für die Anlageklasse gewertet werden“, erklärt Adam Darling, bei Jupiter Investment Manager im Bereich Fixed Income. Noch stärker dürfte die jüngere Performance jedoch von der Einschätzung der Märkte getrieben worden sein, wonach die USA auf eine weiche Landung zusteuern. Vereinzelt wurde ja bereits von einer historischen Chance gesprochen. Gerade dieses „historisch“ sollte jedoch aufhorchen lassen, entsprachen Soft Landings im 21. Jahrhundert – angefangen bei Alan Greenspan – in der Regel eher Wunschdenken als eingetretener Realität.

Darling meint dazu:?„Interessant ist, dass die Marktstimmung so positiv ist, obwohl die Wirtschaft in einigen Regionen schwächelt. Die europäische Wirtschaft zum Beispiel hängt durch, Deutschland befindet sich sogar in einer industriellen Rezession. In China hat sich die Regierung angesichts der anhaltenden Wirtschaftsschwäche zuletzt sogar ­gezwungen gesehen, aggressive Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen.“ Die Aufmerksamkeit der Anleger konzentriert sich laut Darling sehr stark auf die Wirtschaftsdaten aus den USA. Die meisten scheinen demnach überzeugt, dass die USA als Motor der Weltwirtschaft einen deutlichen weltweiten Wachstumsabschwung verhindern können.

Möglicher Schock

„Für mich ist Geduld das große Thema der nächsten Monate. Wir müssen die Konjunkturdaten und die sich darin niederschlagenden verzögerten Auswirkungen der Geld­politik im Blick behalten. Wird es zur weichen Landung kommen oder nicht? Eine klare Überzeugung, ob es eher in die eine oder die andere Richtung gehen wird, habe ich noch nicht“, meint der Jupiter-Mann. Eine Rezession wäre vor diesen Erwartungen jedenfalls ein Schock für das Marktvertrauen, „da die Credit Spreads einen sehr optimistischen Ausblick eingepreist haben. Momentan passiert viel: Beginn eines Zinssenkungszyklus, Präsidentschaftswahlkampf in den USA, Anzeichen einer Abschwächung am US-Arbeitsmarkt und anhaltende geopolitische Risiken in Nahost und andernorts. Mit einer Rendite von 6,5 Prozent für die globale High-Yield-Benchmark bietet die Anlageklasse momentan eine im historischen Vergleich hohe Verzinsung. Das bedeutet, dass Anleger großzügige Zinskupons einstreichen können, während sie das Geschehen beobachten und abwarten“, so Darling (siehe Chart „Abwarten und Tee trinken?“).

Warten auf Trump

Das scheint nicht der schlechteste Rat zu sein. Denn welche politischen Verwerfungen durch die Trump-Administration in die Märkte schwappen, war zumindest bei Redaktionsschluss schwer absehbar. Während immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die erste Amtszeit Trumps – bis auf die beunruhigenden Ereignisse rund um die Erstürmung des Kapitols nach Bidens Wahlsieg – weit weniger radikal war, als im Vorfeld befürchtet wurde, scheint es so, als würde sich der Republikaner mit Beratern umgeben, die seine Agenda unterstützen. Während seiner ersten Amtszeit hatte sich Trump noch mit Mitarbeitern umgeben, die offenbar mäßigend auf den Republikaner eingewirkt haben. Das ist diesmal nicht der Fall. Womit diverse drastische wirtschaftspolitische Maßnahmen wie prohibitive Zölle, der Versuch eines Durchgriffs auf die Notenbankpolitik und damit ­neuerliche Inflationsschübe nicht mehr vollständig von der Hand gewiesen werden können.

Hans Weitmayr

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