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4/2024 | Produkte & Strategien

Das Beste aus zwei Welten

Strategien, die auf der Basis von Stressindikatoren ihre Risikoprofile steuern, lassen sich mithilfe KI-gestützter Sentiment-Analyse weiter verfeinern. Im Idealfall verbessert dies die Risiko-Ertrags-Eigenschaften des kombinierten Ansatzes.

Die Stimmung des Marktes ist seit jeher ein wesentlicher Faktor bei der Steuerung des Portfoliorisikos. In Extremsituationen (Euphorie oder Panik) ist es nicht schwierig, diese Marktstimmung einzuschätzen, in den langen Zeiträumen dazwischen kann der Einsatz von KI diese Aufgabe erleichtern.
Die Stimmung des Marktes ist seit jeher ein wesentlicher Faktor bei der Steuerung des Portfoliorisikos. In Extremsituationen (Euphorie oder Panik) ist es nicht schwierig, diese Marktstimmung einzuschätzen, in den langen Zeiträumen dazwischen kann der Einsatz von KI diese Aufgabe erleichtern.© tursz | stock.adobe.com | generiert mit ki

Jüngste Fortschritte in der Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) mit Large Language Models (LLMs) ermöglichen heute eine Stimmungsanalyse von Finanznachrichten durch Maschinen, die bis vor Kurzem nicht vorstellbar war. Large Language ­Models ermöglichen große Fortschritte bei der Verarbeitung großer Zusammenhänge und zeigen bei verschiedenen professionellen und akademischen Benchmarks eine Leistung auf menschlichem Niveau. Ihre Fähigkeit, immer mehr Kontext zu verarbeiten, hat in vielen Geschäftsbereichen besonders interessante Anwendungen gezeigt. Was liegt daher in Bezug auf die Kapitalmarktforschung näher, als zu untersuchen, ob es möglich ist, Signale aus Finanznachrichten zu extrahieren, um damit bestehende Anlagestrategien, die über Buy and Hold hinausgehen, zu verbessern.

Modellvielfalt

Das dafür geeignete Werkzeug ist das Textanalysetool BERT (Bidirectional Encoder Representations from Transformers) und seine finanzorientierte Version FinBERT. FinBERT ist ein vortrainiertes NLP-Modell zur Analyse der Stimmung in Finanztexten. Es wird erstellt, indem das BERT-Sprachmodell im Finanzbereich anhand eines großen Finanzkorpus (eine umfangreiche Textsammlung, die sich mit Finanzthemen beschäftigt) weiter trainiert und so für die Klassifizierung der Stimmung in Finanztexten feinabgestimmt wird. Für die Feinabstimmung wird die Financial PhraseBank des finnischen Finanz- und Statistikexperten Pekka Malo aus dem Jahr 2014 verwendet, das Modell liefert Ausgaben für drei Stimmungs-Labels: positiv, negativ oder neutral. Diese Modelle haben die Präzision der Sentiment-Analyse erheblich erhöht und neue Möglichkeiten geschaffen, Nachrichten für das Treffen von Finanzentscheidungen zu verwenden. Ebenso bietet SentiWordNet 3.0 eine verbesserte lexikalische Ressource für die Sentimentanalyse und weist eine Genauigkeitsverbesserung von ungefähr 20 Prozent gegenüber der früheren Version auf. Jüngste Entwicklungen wie FinEntity konzentrieren sich auf die Stimmungsklassifizierung auf Ebene einer Entität – das kann beispielsweise ein Konzern oder eine Person sein – in Finanztexten und demonstrieren deren Nutzen in Anwendungen betreffend Investments oder auch Regulierungen. Hierum haben sich Yixuan Tang, Yi Yang, Allen H. Huang, Andy Tam und Justin Z. Tang in „Finentity: Entitylevel Sentiment Classification for Financial Texts“, publiziert im vergangenen Jahr., verdient gemacht. Auch Deep-Learning-Anwendungen haben deutliche Verbesserungen gezeigt und können einem komplexen Text durchgängig eine zuverlässige Stimmung verleihen.

Verbesserungsbedarf

Bei genauerer Betrachtung verschiedener Aktienmärkte und erweitertem Out-of-Sample-Backtesting erwiesen sich diese Bemühungen jedoch als wenig überzeugend, was Frank Z. Xing, Erik Cambria und Roy E. Welschin 2018 in „Natural Language Based Financial Forecasting: A Survey“ feststellen mussten. Die Interpretation von Finanznachrichten ist eine komplexe Aufgabe, da sie komplizierte Zusammenhänge beinhaltet, die unterschiedlich interpretiert werden können, und zeitkritische Informationen mit Verfallsdatum enthält. Darüber hinaus wird die Stimmung in Finanznachrichten häufig von der menschlichen Wahrnehmung beeinflusst, und es gibt zahlreiche zugrunde liegende Implikationen.

Hier setzen nun die Kapitalmarktforscher Baptiste Lefort, Eric Benhamou, Jean-Jacques Ohana, David Saltiel, Beatrice Guez und Thomas Jacquot an. Sie vermuten, dass zwei Dinge dabei helfen können, das grundlegende Problem der Interpreta­tion von Nachrichten zu lösen, um Aktienmarktregime vorherzusagen: Erstens könnte die Entstehung von Large Language Models neue Perspektiven auf dieses langjährige Problem bringen und möglicherweise die Interpretation von Mehrdeutigkeiten in Finanznachrichten verbessern. Zweitens sollten Nachrichtenstimmungen mit anderen Signalen kombiniert werden, um eine robuste Risk-on-Risk-off-Strategie für die wichtigsten Aktienmärkte zur Verfügung zu haben. Daher stellen die Autoren einen neuen Ansatz vor, um die Risk-on-Risk-off-Strategie für den Aktienmarkt zu verbessern. Dieser Ansatz integriert einen Finanzstress­indikator mit einer von ChatGPT durchgeführten Stimmungsanalyse, die tägliche Marktzusammenfassungen von Bloomberg liest und interpretiert. Darüber hinaus präsen­tieren die Autoren eine Methode zur Strategieauswahl, die zwischen der Hybridstrategie, die Nachrichtensignale und Stressindex kombiniert, und einer anderen Strategie, die nur auf dem Stressindexindikator basiert, wechselt.

Nachrichtendaten und -signale

Bloombergs tägliche Marktübersichten, also die Zusammenfassung der wichtigsten Nachrichten des Tages, sind seit 2010 vorhanden und seit 2011 regelmäßig verfügbar. Sie enthalten Texte und Zahlen, werden mehrmals am Tag erstellt und sind auf die drei Regionen USA, Europa und Asien spezialisiert. Um einen konsistenten Datensatz zu haben, verlassen sich die Autoren auf die neuesten verfügbaren Nachrichten vor der Eröffnung des europäischen Marktes, also auf die asiatischen Marktübersichten am Ende des Tages. So sammeln sie 3.627 tägliche Marktübersichten. Jede dieser Übersichten umfasst etwa 7.000 Zeichen, was mit Zeilenumbrüchen etwa 140 Zeilen oder rund fünf Seiten entspricht. Für die Entwicklung des News-Signals folgt man der Methodik von Nachrichtendaten. Was die Nachrichtensignale anbelangt, folgen die Autoren derselben Methodik wie in „Can ChatGPT Compute Trustworthy Sentiment Scores from Bloomberg Market Wraps?“ von Baptiste Lefort, Eric Benhamou, Jean-Jacques Ohana, David Saltiel, Beatrice Guez und Damien Challet beschrieben, und verwenden einen zweistufigen Ansatz, um die Stimmungsanalyse in einfachere Unteraufgaben aufzuteilen, für die ChatGPT besser geeignet ist, nämlich Textzusammenfassung und Schlüsselwortidentifizierung. Zunächst sammelt man die täglichen Marktzusammenfassungen von Bloomberg, um über die Finanztrends auf dem Laufenden zu bleiben. Als Nächstes bittet man ChatGPT, jeden Tag 15 bedeutungsvolle Schlagzeilen zu generieren, um sicherzustellen, dass man die wichtigsten Ereignisse erfasst. Sobald man die Schlagzeilen hat, nimmt sich das Autorenteam einen Moment Zeit, um deren Ton zu beurteilen und zu entscheiden, ob es sich um ein positives, negatives oder unentschlossenes Sentiment (drei Stimmungskategorien) handelt. Dann berechnet man die tägliche Anzahl der in jeder Kategorie bewerteten Nachrichten anhand einer einfachen Skala: –1 Punkt für eine negative Stimmung, 0 für Unentschlossenheit und +1 für die Tage, die positiv aufgeladen sind. Mit diesen Punktzahlen in der Hand betrachten die Autoren nicht nur einen Tag isoliert, sondern addieren diese Punkte über einen Zeitraum von zehn Tagen, um einen umfassenderen Überblick über die Stimmung des Marktes zu erhalten. Indem man diese täg­lichen Werte über zehn Tage mittelt, werden Höhen und Tiefen geglättet und der allgemeine Trend der Nachrichtenstimmung ermittelt.

Anschließend wenden sie auf diesen Zehn-Tages-Stimmungsdurchschnitt die z-Scoring-Methode an. Sie hilft zu verstehen, wie stark die Nachrichten im Vergleich zur Norm stimmungsmäßig variieren. Die letzte Transformation beinhaltet die Berechnung des Mittelwerts des z-Score-Signals über die vorangegangenen zehn Tage. Schließlich erhält man einen einfachen binären Nachrichtenindikator. Wenn der z-Score einen positiven Trend zeigt, setzen ihn die Autoren auf 1, was für eine positive Marktstimmung steht. Wenn der Trend negativ wird, setzt man ihn auf 0, was ­einen vorsichtigeren Ausblick signalisiert. Dieser binäre ­Indikator dient als schnelle Referenz, um die allgemeine Stimmung in den Finanznachrichten einzuschätzen, und ­ermöglicht es, fundiertere Entscheidungen basierend auf der vorherrschenden Stimmung auf dem Markt zu treffen.

Neuer Stressindex

Was den Stressindex betrifft, folgt man dem Ansatz von ­Benoit Guilleminot, Jean-Jacques Ohana und Steve Ohana von 2014 in „A New Financial Stress Indicator: Properties and Conditional Asset Price Behavior“. Damit sollen An­steckungseffekte auf dem Markt erfasst und zukünftige Krisen vorhergesehen werden. Der Indikator ist nachweislich prädiktiv, da er darauf abzielt, Perioden hoher Volatilität ­vorausschauend zu erkennen. Warum setzen die Autoren nicht auf das klassische Angstbarometer, den VIX? Hier ist ihre Antwort: „Wir ziehen diesen Finanzstressindikator dem VIX vor, da er zahlreiche Vorteile bei der Erkennung von Marktansteckung hat. Da ist einmal die umfassende Risikoanalyse. Unser Stressindex kombiniert eine breite Palette von Marktpreisen für Risiken einschließlich CDS-Verträgen und bietet eine detailliertere Ansicht des Marktstresses im Vergleich zum VIX, der sich hauptsächlich auf S&P-500-Indexoptionen konzentriert. Zweitens sind die verbesserten Normalisierungstechniken zu nennen. Denn unser Stressindex-Ansatz verwendet eine z-Score-basierte Normalisierung, die eine effektivere Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Märkten ermöglicht und so ein differenziertes Verständnis der Stressniveaus in verschiedenen Marktsegmenten ermöglicht. Der dritte Punkt betrifft die Erkennung von Markt­ansteckung: Der Stressindex ist speziell darauf ausgelegt, Vernetzung und Ansteckung auf Finanzmärkten zu erfassen, und spiegelt die komplexe Dynamik wider, die von anderen Indikatoren wie dem VIX oft übersehen wird. Dazu kommt noch die Krisenerkennung: Durch die Einbeziehung von CDS-Verträgen der wichtigsten Banken, Versicherungen und Regierungen können Signale im Zusammenhang mit Krisen erfasst werden.“

Berechnung von Stresssignalen

Die Schritte zur Berechnung des Stressindex sind die folgenden: a) Alles beginnt mit der Erfassung von Marktdaten für eine Vielzahl von Assets, darunter Indikatoren wie den VIX-Index, den TED-Spread und den CDS-Index sowie die ­Volatilitätsdaten für die wichtigsten Aktien-, Anleihen- und Rohstoffmärkte. b) Als Nächstes berechnet man den Preis des Risikos für jedes Asset, indem man die Daten mithilfe des z-Scorings standardisiert, das die Variabilität berücksichtigt und den Preis des Risikos anhand seiner Abweichung vom Mittelwert skaliert. c) Dann werden diese z-Scores nach ihren jeweiligen Assetklassen wie Aktien, Schwellenländeranleihen, Staatsanleihen, Banken- und Versicherungsaktien (Finanzaktien), Devisen, Rohstoffe, Zinsen und Unternehmenskredite geordnet, um assetklassenspezifische Stressindikatoren zu bilden. d) Sodann wird der Durchschnitt dieser assetklassenspezifischen Stressindikatoren gebildet, um einen umfas­senden Stressindex zu erstellen, der die allgemeinen Marktbedingungen widerspiegelt. e) Schließlich skalieren die ­Autoren den daraus resultierenden Durchschnitt so, dass er zwischen 0 und 1 liegt, indem sie die kumulative Verteilungsfunktion auf den berechneten Stressindex anwenden, wodurch ihr finaler neuer Stressindexwert normalisiert wird. Da das endgültige Ergebnis des Stressindex dank der kumulativen Verteilungsfunktion der Normalverteilung eine Zahl zwischen 0 und 1 ist, erhalten die Autoren direkt ein Stressindexsignal.

Sechs Strategien

Die erste ist das klassische Long only: Diese Strategie wird von den Autoren als Benchmark bezeichnet und nimmt ­eine Long-only-Position auf den getesteten Märkten ein. ­Anhand dieser Benchmark wird beurteilt, ob die anderen quantitativen Strategien im Vergleich zu dieser eine bessere Performance aufweisen. Die zweite ist eine VIX-Strategie, wobei die Gewichte in direktem Zusammenhang mit dem VIX-Signal stehen, und die Autoren gehen davon aus, dass Stressperioden durch einen VIX-Wert, der über jenem seines 80. Perzentils liegt, was in etwa einem Wert von 26 Prozent entspricht, gekennzeichnet sind. Die dritte Strategie stützt sich auf den Stressindex (SI): Die Gewichte stehen in direktem Zusammenhang mit dem Stressindexsignal. Die vierte (News) verknüpft die Gewichtungen direkt mit dem Nachrichtensignal. Die SI+News-Kombinationsstrategie, bei der die Gewichte durch die einfache Multiplikation des Stressindex mit dem Nachrichtensignal berechnet werden, ist die fünfte. Nummer sechs ist die dynamische SI-News-Strategie: Sie ist eine dynamische Selektion zwischen der (fünften) Strategie basierend auf dem Stressindex mit News und der (dritten) Strategie, die nur den Stressindex verwendet. Dieser strategische Wechsel zwischen SI und SI+News zielt darauf ab, effizient durch Zeiträume zu navigieren, in denen die Einbeziehung von Nachrichtensignalen die Leistung der Strategie im Vergleich zur Verwendung des Stressindex allein nicht wesentlich verbessert. Empirische Beobachtungen zeigen ein konsistentes Muster: Die SI+News-Strategie übertrifft die SI-only-Strategie entweder deutlich oder ist ihr unterlegen. Daher wurde ein strategischer Auswahlmechanismus entwickelt. Dieser Mechanismus berechnet die Sharpe Ratio über einen Zeitraum von 250 Beobachtungen, was ­einem jährlichen Rollzeitraum entspricht, für den vorangegangenen Monat und wählt anschließend die Strategie aus, die für den kommenden Monat eine bessere Leistung gezeigt hat. Insbesondere gibt es Intervalle, in denen die SI-only-Strategie die kombinierte SI+News-Strategie übertrifft. Die Nachrichtensignale wirken überwiegend in bestimmten Szenarien performancesteigernd, insbesondere in Krisenzeiten.

Wie diese Auswahl vonstattengeht, illustriert die Tabelle „So funktioniert die Dynamik“. Für jeden Monat werden die Sharpe Ratios der beiden Strategien SI/SI+News berechnet. Die Strategie für den Folgemonat wird basierend auf der ­höheren Sharpe Ratio ausgewählt. Beispielsweise übertrifft im Dezember 2022 die SI+News-Strategie mit einer Sharpe Ratio von 0,9 die reine SI-Strategie mit einer Sharpe Ratio von 0,4. Folglich wird für Dezember, Januar und Februar die dominante SI+News-Strategie ausgewählt. Umgekehrt wird im März und April die reine SI-Strategie dominant, was zu ihrer Auswahl im April und Mai führt.

Insgesamt gibt es 18 Experimente, da die Autoren diese sechs Strategien in den drei Fällen vergleichen: einmal gegenüber dem S&P 500, dann versus dem Nasdaq Index und schließlich gegenüber einem gleichgewichteten Basket, ­bestehend aus den beiden Vorgenannten plus Nikkei 225, Euro Stoxx 50 sowie den Emerging Markets von 2005 bis 2024. Um diese Strategien mit einer naiven Long-only-Strategie zu vergleichen, berechnen die Autoren auch eine modifizierte Long-only-Strategie, die die gleiche Volatilität wie die Strategie mit der besseren Performance aufweist. Damit berechnen sie die Volatilität ihrer besten Strategien im Nachhinein und skalieren die Benchmark neu, damit diese dieselbe Vola­tilität aufweist und ein Vergleich mit der Benchmark auf identem Volatilitätslevel möglich ist.

Um die Prognosefähigkeit jeder Strategie zu validieren, muss man nachweisen, dass die Strategieauswahl ein gewisses Maß an Beständigkeit (Persistenz) aufweist. Hauptindikator für die Vorhersagefähigkeit ist die Häufigkeit der Auswahl jeder Strategie. Im Zeitraum von 2011 bis 2024 wurde die reine SI-Strategie in 71 Prozent der Fälle ausgewählt, während die SI+News-Strategie in 29 Prozent der Fälle selektiert wurde. Ein zufälliger Auswahlmechanismus würde eine Auswahlrate von 50 Prozent für jede Strategie ergeben.

Ergebnisse

Die Tests der sechs verschiedenen Strategien erfolgt von ­Januar 2005 bis Januar 2024, also über einen Zeitraum von 19 Jahren, und bezieht sich einmal auf den S&P 500 Index, dann auf den Nasdaq Index sowie drittens auf einen Basket der wichtigsten westlichen Aktienmärkte.

Dass sich dieser Vorsprung der dynamischen SI+News-Strategie im 19-jährigen Untersuchungszeitraum gegenüber der – volatilitätsadjustierten – Long-only-Benchmark beim S&P 500 Index deutlich manifestiert, illustriert der linke Teil der Grafik „Auf und davon“. Der rechte Teil bildet die Allokationsquote der dynamischen SI+News-Strategie für den S&P?500 im Zeitablauf ab. Fast Deckungsgleiches bezüglich Outperformance und Allokationsquote wie in der Grafik „Auf und davon“ gilt im Übrigen auch für die Nasdaq und den Länder-Basket.

Große Ähnlichkeiten, speziell bei der einheitlichen Outperformance der dynamischen SI+News-Strategie in Bezug auf die fünf anderen an allen drei Märkten, finden sich in Bezug auf Sharpe und Calmar Ratio. Letztere gibt das Verhältnis von annualisierter Rendite zum Maximum Drawdown wieder. Dieses Resultat unterstreicht die überlegenen risikobereinigten Renditen und das gelungene Drawdown-Management der dynamischen SI+News-Strategie.

Konkret erreicht die Dynamic-SI+News-Strategie im S&P 500 – dargestellt im oberen Teil der Tabelle „Vergleichende Analyse von sechs Strategien“ nicht nur die höchste Sharpe ­Ratio (0,81), sondern auch die höchste Calmar Ratio (0,56). Diese Verbesserung der beiden Ratios ist ziemlich augen­fällig, da die Benchmark-Strategie (Long-only-Strategie) nur eine Sharpe Ratio von 0,45 und eine Calmar Ratio von 0,13 erreicht. Auch im Nasdaq-Markt, dargestellt im mittleren Teil der Tabelle „Vergleichende Analyse von sechs Strategien“, zeigt die dynamische SI+News-Strategie ihre herausragende Stellung durch eine bemerkenswerte Sharpe Ratio von 0,89. Dadurch ist die Wirksamkeit der Dynamic-SI+News-Stra­tegie in einem technologielastigen Index bestätigt. Last but not least belegt die Analyse des Länder-Baskets der wichtigsten westlichen Aktienmärkte ebenfalls die Überlegenheit der Dynamic-SI+News-Strategie. Hier steht die Sharpe Ratio der dynamischen SI+News-Strategie von 0,85 jener der Long-­only-Benchmark von 0,52 gegenüber. Insbesondere bei der Bewältigung von Marktabschwüngen hat die dynamische SI+News-Strategie ihre Meriten. Ihre Drawdowns sind in ­allen drei Fällen – bei S&P 500, Nasdaq und dem Länder-Basket – in etwa nur halb so hoch wie jene der Long-only-Strategie oder auch der VIX- und News-Strategien.

Betrachtet man die Sharpe Ratios im Detail, fällt auf, dass die Strategie, die ausschließlich auf dem Stressindex basiert, immer die Zweitbeste ist. Das deutet darauf hin, dass die vom Stressindex ausgesendeten Signale recht robust und auch effektiver zu sein scheinen als jene, die die VIX-Stra­tegie verwendet.

In Bezug auf den Portfolioumschlag gibt es bemerkenswerte Unterschiede. Beispielsweise weist die Strategie SI+News im S&P 500 mit 13,4 die höchste Umsatzrate auf, was auf einen aktiveren Handelsansatz schließen lässt. Dies steht im Gegensatz zu Strategien wie SI und Dynamic SI+News, die niedrigere Umsatzraten aufweisen, was auf eine passivere Strategie hindeutet. Die Buy-and-Hold-Strategie hat per Definition keinen Umsatz. Es ist interessant festzustellen, dass der Umschlag in der Stressindex-Strategie im Vergleich zur VIX-Strategie deutlich geringer ausfällt.

Ähnlich verhält es sich mit den Strategien VIX und News an der Nasdaq und in den Basket-Ländern. Dort fallen die VIX- und News-Strategien „VIX“ durch höhere Umschlagsraten auf (18,5 und 17,9 für Nasdaq, 18,4 und 16,2 für die Basket-Märkte), was wiederum auf einen aktiveren Managementstil hindeutet. Dieses häufige Handeln könnte ein Hinweis auf den Versuch sein, aus kurzfristigen Marktbewegungen Kapital zu schlagen. In Bezug auf die Calmar Ratio übertrifft die Strategie Dynamic SI+News andere Strategien durchweg auf allen Märkten. Dies wird durch die höhere Calmar Ratio deutlich (0,56 für S&P 500, 0,62 für Nasdaq und 0,44 für die großen Aktienmärkte). Die bessere Calmar Ratio deutet darauf hin, dass diese Strategie nicht nur höhere Renditen bietet, sondern dies auch mit weniger Risiko tut, wie durch niedrigere maximale Drawdowns angezeigt wird. Im Gegensatz dazu weisen Strategien wie Long only und News niedrigere Calmar Ratios auf, was bedeutet, dass sie ein höheres Downside-Risiko bergen, wie an ihren höheren maximalen Drawdowns zu erkennen ist. Dies könnte ein entscheidender Faktor für Anleger sein, die risikoscheu sind und Strategien bevorzugen, die potenzielle Verluste ­begrenzen. Insgesamt zeigt die Analyse bei der Zusammenstellung aller 18 Experimente die Wirksamkeit der Dynamic-SI-News-Strategie in verschiedenen Märkten, wobei ihre Fähigkeit, sich an Marktbedingungen anzupassen und überlegene Performancekennzahlen aufrechtzuerhalten, als wichtigstes Ergebnis hervorsticht.

Schlussbemerkungen

Lefort, Benhamou, Ohana, Saltiel, Guez und Jacquot präsentieren mit ihrer neuartigen Risk-on-Risk-off-Strategie einen Ansatz, der deutliche Performanceverbesserungen erhoffen lässt. Ihre Daten zeigen eine höhere Sharpe Ratio und geringere maximale Drawdowns, wobei die Wirksamkeit der ­Methode nicht auf einen einzigen Markt beschränkt ist; sie ist über verschiedene Aktienmärkte hinweg konsistent, was auf ihre breite Anwendbarkeit hinweist. Eine rein nachrichtenbasierte Strategie kann hier bei Weitem nicht mithalten und landet über 19 Jahre kumuliert für den S&P 500 (siehe Grafik „News-Signale allein reichten nicht“) genauso wie für die Nasdaq als auch den Länderbasket hinter der volatilitätsadjustierten Long-only-Benchmark.

Man darf gespannt sein, ob die Strategie auch auf andere Finanzmärkte wie Rohstoffe, Anleihen und Devisenmärkte angewendet werden kann. Darüber hinaus wäre es lohnenswert zu untersuchen, ob zusätzliche Datenquellen wie die Stimmung in sozialen Medien oder makroökonomische ­Indikatoren die Performance der Strategie weiter verbessern könnten. Institutionelle Praktiker mit umfangreicher Man- und Digital Power könnten anhand der Handlungsanleitung an einen Nachbau denken, um ein offenbar schon ziemlich effektives Asset-Allocation-Tool bei der Steuerung der taktischen Aktienquote zur Verfügung zu haben. Auch eine Kooperation mit den französischen Kapitalmarkt­forschern könnte sinnvoll sein. Aktive Manager wiederum sollten additiv Fondslösungen mit Overlay anhand der ­Signale aus der Strategie Dynamic SI+News anbieten.

Dr. Kurt Becker

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