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4/2024 | Produkte & Strategien

Aussicht auf Kirschblüten

Japan-Kenner sehen im Land der aufgehenden Sonne aktuell eine ähnliche Entwicklung wie bei der Entflechtung der Deutschland AG in den 1990er-Jahren. Konsequenz wäre eine bessere Allokation der Gelder und ein stärkerer Fokus auf die Profitabilität der Unternehmen.

Konzertierte Anstrengungen in Japan verlangen von den Unternehmen eine bessere Corporate Governance. Entsprechend sortieren japanische Unternehmen ihre ­Bilanzen neu und konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft. In Summe sorgt die Entwicklung dafür, dass das Kerngeschäft der Unternehmen effizienter wird.
Konzertierte Anstrengungen in Japan verlangen von den Unternehmen eine bessere Corporate Governance. Entsprechend sortieren japanische Unternehmen ihre ­Bilanzen neu und konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft. In Summe sorgt die Entwicklung dafür, dass das Kerngeschäft der Unternehmen effizienter wird.© vtt studio | stock.adobe.com

Lange Zeit lag der japanische Markt nicht im Fokus europäischer Investoren. Das durch die Abwertung des Yen und die Deflation gebeutelte Land schien für Investitionen schwierig, und den Älteren unter ihnen ist auch das Platzen der Japan-Bubble von 1990 noch im Hinterkopf. „Der japanische Markt ist in den meisten institutionellen Depots untergewichtet, und er ist unterbewertet“, schreibt J.P. Morgan Asset Management in seiner Marktanalyse vom September 2024. „Außerdem ist das Gewicht des japanischen Marktes in globalen Indizes wie dem MSCI All Country World mit rund fünf Prozent eher überschaubar“, heißt es in einem Bericht von Eurizon Asset Management.

Die große Entflechtung

Aktuell befindet sich das asiatische Industrieland in einer Phase, in der Unternehmen ihre Bilanzen neu sortieren, um sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Das steigert die Profitabilität. Die konzertierte Aktion, mit der die japanische Wirtschaft umstrukturiert werden soll, ist weit mehr als nur ein weiteres Konjunkturpaket, das geschnürt wird, und sie trägt bereits Früchte: Die M&A-Szene in Japan ist aktuell ­äußerst aktiv und führt zu Entflechtungen und Umstrukturierungen.

Angesichts dieser Grundtendenz sehen einige Experten jetzt Opportunitäten für den japanischen Aktienmarkt. „Governance-Strukturen, Wettbewerbsfähigkeit und Gewinn­aussichten für japanische Unternehmen ändern sich grundlegend. Die Entwicklung erinnert stark an die Entflechtung der Deutschland AG, bei der die großen deutschen Finanzinstitute ihre immensen Industriebeteiligungen abstießen und es durch Mergers-&-Acquisitions-Aktivitäten und der Forderung nach Shareholder Value zu einer neuen wirtschaftlichen Struktur kam, die viel stärker gewinnorientiert ausgerichtet war als zuvor“, erklärt David Mitchinson. Er ist Portfoliomanager des Zennor Japan Fund. In Deutschland vollzog sich die Auflösung des Netzwerks zwischen Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen etwa vom Zeitpunkt der ungeklärten Ermordung Alfred Herrhausens 1989 bis zur Jahrhundertwende.

Früher: Aufblähung der Assetpreise

Eine ähnliche Entwicklung macht nun Japan durch. „In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg baute Japan seine Wirtschaft neu auf. Anfangs lief das sehr erfolgreich, aber nach 1985 versuchte die Regierung, die überschüssige Liquidität zu ­absorbieren, was einen immensen Anstieg der Assetpreise zur Folge hatte“, rekapituliert Mitchinson. „Das führte dazu, dass die Grundstückspreise in Tokio auf das 50- bis 100-Fache der Preise für Land in New York City anstiegen.“ Die aufgeblähten Assetpreise bewirkten, dass die Unternehmen ein größeres Augenmerk auf ihre Assets als auf ihr Core Business legten.

Weil die Aktivitäten vieler japanischer Unternehmen stark miteinander verwoben waren, wurde das Kapital nicht dort allokiert, wo es am effektivsten eingesetzt werden konnte, sondern wo es der Konzern-Spirit haben wollte. Die ­extrem niedrigen, teilweise sogar negativen Zinsen taten ein Übriges. „Geld war billig, daher haben japanische Unter­nehmen enorme Kapitalbeträge in wenig effektiven Aktivitäten ­gebunden, was zu einer Aufblähung der Bilanzen führte. Größe vor Profitabilität war das Credo“, so Mitchinson. „Es bestand kein Druck, sein Geld diszipliniert zu allokieren oder die Mitarbeiter optimal gemäß ihren Fähigkeiten ­einzusetzen. Die Menschen in Japan haben unglaublich viel gearbeitet, aber nicht immer smart. Es hat seinen Grund, ­warum Japan das einzige Land der Welt ist, das ein Wort für Tod durch Arbeitsüberlastung hat“, verweist Mitchinson auf traurige Konsequenzen.

Die Transformation begann mit Shinzo¯ Abe

Jetzt wird das Rad in die andere Richtung gedreht, aber die Umorganisation der Wirtschaft geschieht in Japan sanft. ­„Begonnen hat alles mit Premierminister Shinz? Abe und seinen Abenomics. Japan funktioniert mit Kaizen-Governance, also mit kleinen Schritten und nicht ruckartig“, verweist Mitchinson auf die japanische Art, Dinge zu tun. Premierminister Shinz? Abe und Notenbankchef Haruhiko Kuroda arbeiteten Hand in Hand, um die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. „Durch eine anhaltende Geldschwemme, kreditfinanzierte Konjunkturprogramme, verschiedene Reformen und Deregulierungen förderten sie die Entflechtung der japanischen Wirtschaft. Auch die ­Banken begannen, ihre Unternehmensbeteiligungen zu verkaufen“, so Mitchinson.

Dabei ziehen in Japan nun alle an einem Strang; beispielsweise die Finanzaufsicht: Änderungen am Kartellgesetz sorgen dafür, dass Verbraucherinteressen auch während der Entflechtung der Wirtschaft geschützt werden und der Wettbewerb nicht negativ beeinträchtigt wird. „So wurden japanische Versicherungsgesellschaften im Sommer 2023 dabei erwischt, dass es Preisabsprachen bei Unternehmenspolicen gab, und es wurden sofort Untersuchungen gegen sie ein­geleitet“, sagt Mitchinson, „die Japanische Kommission für fairen Handel will die Konkurrenz der Unternehmen um die Kunden fördern, da dies die Effizienz steigert.“

Die Regulierung sorgt auch dafür, dass Unternehmen, die sich an der Tokyo Stock Exchange (TSE) listen lassen wollen, bessere Governance-Strukturen aufbauen, beispielsweise mehr unabhängige Direktoren aufstellen.

Jetzt Fokussierung aufs Kerngeschäft

Das Arbeitsministerium wirkt darauf hin, dass Mitarbeiter in Japan leichter gekündigt werden können als in früheren Zeiten, in denen lebenslange Beschäftigungsverhältnisse gängige Praxis waren. Das ermöglicht Unternehmen ein flexibleres Agieren und Arbeitnehmern „Mid Career“-Veränderungen. Auf der anderen Seite drängt die Regierung darauf, dass der Lohn für den einzelnen Mitarbeiter steigt. „In den letzten 20 Jahren gab es in Japan keine echten Lohnerhöhungen. Aufgrund der demografischen Struktur in Japan wird jetzt aber das ­Potenzial an gut ausgebildeten jungen Mitarbeitern knapp. Das erhöht den Druck, höhere Löhne zu zahlen und die Mitarbeiter gezielt und sinnvoll einzusetzen, was zu einer Produktivitätssteigerung führt“, so Mitchinson.

Aisa Ogoshi bestätigt das: „Erst im vergangenen März gab es eine durchschnittliche Gehaltsanhebung von 5,3 Prozent. Das war die größte Lohnanhebung der letzten drei Dekaden.“ Ogoshi ist Managing Director und Portfoliomanagerin im Emerging-Markets- und Asia-Pacific-Aktienteam bei J.P. Morgan Asset Management und hat ihr Büro in Tokio. Sie kann sich seit Jahren in der Alpha-Female-Studie von Citywire unter den Top-20-Fondsmanagerinnen weltweit plat­zieren. „Die jungen Menschen in Japan haben ein gutes ­Timing erwischt. Sie sehen, dass ihre Löhne steigen. Daher trauen sich jetzt viele, eine eigene Wohnung zu erwerben. Entsprechend floriert Japans Immobiliensektor“, so Ogoshi.

Daneben wurden neue Steuer- und Bilanzierungsvorschriften erlassen. „Die alten Bilanzierungsregeln haben dazu beigetragen, dass sich die Werte der Immobilien und Be­teiligungen, die die Unternehmen halten, in den letzten 70 Jahren kaum verändert haben, obwohl die Marktpreise enorm angestiegen sind“, meint Mitchinson. „Die neuen ­Regeln sorgen dafür, dass die stillen Reserven, die in den ­Bilanzen der Unternehmen schlummern, leichter gehoben werden können.“

Flankiert wird das von steuerlichen Maßnahmen. „Die Regierung hat Steuervergünstigungen für Abspaltungen und ähnliche Maßnahmen eingeführt, um den großen Unternehmen die Umstrukturierung ihres Geschäftsportfolios zu erleichtern“, sagt Joel LeSaux, Fondsmanager des Eurizon Fund – Sustainable Japan Equity bei Eurizon, und weiter: „Auch wenn fraglich ist, wie konsequent diese Maßnahmen umgesetzt werden, dürften sie in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Dadurch verbessert sich die Eigenkapitalrendite japanischer Unternehmen, was zu einem attraktiveren Aktienmarkt führen sollte.“

So sieht man das auch bei T. Rowe Price. „Die Corporate-Governance-Reform in Japan ist sehr real und schreitet ­voran. Sie hat aber noch einen langen Weg vor sich, da ­Japan zu den US-amerikanischen und europäischen Standards aufschließt. Das bietet echte Chancen für Investoren, denen es gelingt, Unternehmen zu identifizieren, die die ­Reformen gut umsetzen“, sagt Daniel Hurley, Portfoliospezialist bei T. Rowe Price. Seine Teamkollegen vor Ort in ­Tokio sind der Meinung, dass der kulturelle und mentale Wandel, der jetzt in den japanischen Unternehmen stattfindet, von internationalen Anlegern noch unterschätzt wird. „Bei einem Gewinnwachstum von acht bis zehn Prozent und einer zusätzlichen Rendite von drei bis vier Prozent durch Rückkäufe und Governance-Reformen ist eine ­Gesamtperformance von elf bis zwölf Prozent eine ziemlich gute Schätzung für japanische Aktien, wenn man die aktuellen Bewertungen und Multiplikatoren berücksichtigt“, so Hurley. Die Marktstimmung werde zwar weiterhin durch den Dollar/Yen-Wechselkurs bestimmt, „aber es wird einige wirklich spannende Bottom-up-Möglichkeiten geben, um in Japan Geld zu verdienen“, ist Hurley optimistisch.

Ankündigung der Tokyo Stock Exchange

Einen weiteren Schub gab die Verlautbarung der Tokyo Stock Exchange zu Beginn des Jahres 2023. „Das Börsenmanagement kritisierte scharf, dass die Bilanzen der gelisteten Unternehmen in Japan ineffizient sind, sodass zu viele Firmen noch unter ihrem Buchwert gehandelt werden“, sagt Ogoshi. Zwar sei die Tokioter Börse kein Regulator, sondern lediglich eine operative Einheit, aber die Kritik habe trotzdem einen Weckrufeffekt gehabt, zumal die Börse ankündigte, bestehende Regeln härter durchzusetzen, was bis zum Delisting führen könnte. „Mittlerweile werden nur noch sieben Prozent der gelisteten Unternehmen in Japan unter ihrem Buchwert gehandelt, halb so viele wie noch vor drei Jahren. Dies geschah überwiegend durch die Auflösung von Überkreuzbeteiligungen“, erklärt Ogoshi. Sie verweist ­darauf, dass immer noch 50 Prozent der börsengehandelten Firmen in Japan Netto-Cash-Bestände in ihren Bilanzen aufweisen, was ineffizient sei. „Das drückt auf die Rentabilität. Der durchschnittliche ROI in Japan liegt bei zehn Prozent, während er in den USA und in Europa etwa zwölf Prozent beträgt.“ Sie glaubt, dass es noch eine Weile dauern wird, bis dieses Gap geschlossen wird, „aber die Tendenz ist, dass die Unternehmen ihre hohen Liquiditätsbestände abbauen“. Dies äußere sich in der hohen Anzahl an Aktienrückkäufen und Dividendenanhebungen. „Die Unternehmen geben den Investoren Geld zurück, sodass es anderswo effizienter eingesetzt werden kann“, so Ogoshi.

Optimistisch stimme sie auch, dass Toyota, Japans größtes gelistetes Unternehmen, angekündigt hat, seine Beteiligungen zurückzufahren. „In der Vergangenheit hatte Toyota seine ganz eigene Art, das Board zu besetzen und Bilanzpolitik zu betreiben. Sie hatten unglaublich viele Überkreuzbeteiligungen mit ihren Zulieferern und Banken. Wenn Toyota die Entflechtung vorantreibt, werden viele weitere Unter­nehmen diesem Beispiel folgen“, ist Ogoshi überzeugt. Dieses Beispiel zeige, wie sehr sich die Einstellung der Unternehmen gewandelt hat.

Aktivistische Investoren auch aus dem Inland

Auch aktivistische Investoren drängen darauf, dass der Shareholder Value in Japans Unternehmen stärkere Berücksichtigung findet. Erst im August 2024 stellte der globale Hedgefonds Oasis Management das Pharmaunternehmen Koba­yashi vor die Entscheidung, entweder selbst für eine Reorganisation zu sorgen oder mit Oasis zusammenzuarbeiten, um die operative Leistung, die Unternehmensführung und die Zusammensetzung des Vorstands zu verbessern.

„Zwar gab es in Japan auch vor fünf oder zehn Jahren ­aktivistische Investoren, aber sie kamen fast ausschließlich aus dem Ausland. Mittlerweile gibt es auch japanische Investoren, die aktivistisch unterwegs sind. Selbst die konservativen japanischen Lebensversicherungsunternehmen stimmen auf den Hauptversammlungen immer öfter gegen das Unternehmensmanagement und verstärken so den Druck, die ­Effektivität zu erhöhen“, beobachtet Ogoshi. „Die Firmen sind gezwungen, zu handeln, und tun dies auch.“

Optimierungen notwendig

Sichtbares Zeichen der aufbrechenden Wirtschaftsstrukturen sind die gestiegenen M&A-Aktivitäten. „Früher waren in ­Japan Übernahmen und Mergers verpönt. Heute werden sie als probate Mittel für Umorganisationen angesehen“, beobachtet Mitchinson. Als Beispiel nennt er Hitachi, ein Unternehmen, das bereits mehrere Umstrukturierungen vorgenommen hat. „Es gibt aber immer noch etliche Unternehmen in Japan, die Hunderte Tochtergesellschaften haben, von denen viele nicht zum Kerngeschäft gehören.“ Panasonic ist ein Paradebeispiel. „Der Konzern bietet alles: von Stromversorgungen für Tesla über Küchengeräte und Fernseher bis hin zum Bau von Häusern. Bei der hohen Anzahl von Tochtergesellschaften kann Panasonics CEO sich im Schnitt nicht mal einen Tag pro Monat mit jedem einzelnen Geschäftsbereich beschäftigen. Bei so wenig Aufmerksamkeit bleibt die Profitabilität auf der Strecke“, verweist Mitchinson auf den Umstrukturierungsbedarf.

Seit August bewegt ein prominenter M&A-Fall den japanischen Markt. Die kanadische Convenience-Store-Kette ­Alimentation Couche-Tard (ACT) hat eine 30-Milliarden-Dollar-Offerte für 7-Eleven Japan unterbreitet, das bisher größte Übernahmeangebot eines ausländischen Unternehmens. „In der Vergangenheit war 7-Eleven Japan nicht sehr investorenfreundlich und wurde daher an der Börse zum Discount gehandelt. Dann kam ACT mit seiner Über­na­h­me­offerte. Früher hätte sich bei einer derart großen Übernahme die japanische Regierung eingeschaltet, aber jetzt lässt sie ACT gewähren“, sagt Ogoshi und verfolgt gespannt, ob der Deal abgeschlossen wird. „Wenn er zustandekommt, wird das womöglich weitere ausländische Investoren ermutigen, sich japanische Unternehmen näher anzusehen. Die Bewer­tungen sind nämlich immer noch niedrig“, unterstreicht Ogoshi.

Dauer der Transformation

Wie lang die Transformation in Japan anhalten wird? „In den USA und in Europa hat die Transformation, die Hinwendung zum Shareholder Value, deutlich früher als in ­Japan begonnen, und sie ist immer noch nicht beendet“, meint Mitchinson. Der Nachhall aktivistischer Investoren wie Carl Icahn, Bill Ackman oder Paul Singer mag in den Medien nicht mehr so prominent behandelt werden wie noch vor einigen Jahren, „aber die Aktivitäten des schwedischen Finanzinvestors Cevian bei Bilfinger und Thyssenkrupp oder von Active Ownership Capital (AOC) bei Stada sind noch nicht sehr lang her“, sagt Mitchinson und verweist auf die aktuellen Verhandlungen zwischen Commerzbank und UniCredit. „Letztendlich wird die Wirtschaft nach einer sinnvollen Umstrukturierung dynamischer, reaktionsfähiger und schneller sein“, ist er optimistisch, was die Verbesserung der Ergebnisse betrifft. Auch Siemens finalisiere seine Umstrukturierung erst jetzt und habe seine Unternehmens­struktur dabei deutlich verbessert.

Mit ihrem Japan-Optimismus sind Mitchinson und Ogoshi nicht allein. Auch die DWS äußert sich positiv in ­ihrem Marktausblick vom Oktober 2024: „Japanische ­Unternehmen bauen zunehmend Verflechtungen ab und setzen verstärkt auf Aktienrückkäufe und weniger auf das bislang gängige Horten von Bargeld. Das dürfte sich positiv auf den Aktienmarkt auswirken“, heißt es im Marktausblick. Lilian Haag, Fondsmanagerin und Spezialistin für japanische Aktien der DWS, will allerdings noch abwarten: „Wir stufen den japanischen Aktienmarkt momentan noch nicht hoch, da wir noch abwarten wollen, wie sich das veränderte Wechselkursniveau US-Dollar / japanischer Yen auf die kommenden Ergebnisprognosen der exportorientierten Unternehmen auswirkt.“

Ende der Carry Trades

Sie spricht damit ein weiteres Japan-Thema an, denn die ­Änderung des Wechselkursverhältnisses bleibt nicht ohne Konsequenzen. „Die extrem niedrigen japanischen Zinsen sorgten dafür, dass der Yen niedrig bewertet war. Japanische Investoren investierten im Ausland, teilweise mit zinsgünstig geliehenem Geld aus Japan. Über Jahre hinweg waren diese Carry Trades äußerst profitabel und warfen Renditen von zehn Prozent und mehr ab“, so Mitchinson. Als die Bank of Japan (BoJ) nun im Sommer 2024 die Zinsen erhöhte, wurden die Carry Trades schlagartig weniger attraktiv. „Das hat auch Auswirkungen auf die Länder außerhalb Japans. Die große Frage ist: Was passiert, wenn Japan kein Geld mehr exportiert? Das könnte höhere Finanzierungskosten für die USA und für Europa bedeuten“, meint Mitchinson.

Lilian Haag verweist darauf, dass der Carry – als Differenz zwischen dem Zinsniveau der zweijährigen US-Staatsan­leihen und der zweijährigen japanischen Staatsanleihen – immer noch rund 3,6 Prozent beträgt. „Das ist zwar nicht mehr so hoch wie Ende Juli, aber immer noch attraktiv. ­Insofern dürfte sich der Carry seit der starken Korrektur ­Anfang August wieder aufgebaut haben“, meint die Expertin. Die Auswirkungen auf andere Länder hält sie für schwer einschätzbar, „da es keine Angaben darüber gibt, in welche Investments das Geld aus den Yen-Krediten geflossen ist“.

Im Vergleich zu den übrigen asiatischen Ländern sieht Ogoshi Japan an der Spitze. Zwar habe auch China ein Wirtschaftspaket verabschiedet, „aber Chinas Problem ist in erster Linie der Immobiliensektor. Darauf zielen auch die angekündigten Maßnahmen ab“, so Ogoshi. Trotzdem ­würde es sich positiv auf Japans Wirtschaft auswirken, wenn die angekündigten Maßnahmen in China greifen und sich die ökonomische Situation dort erholen würde.

Anke Dembowski

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