Skin in the Game
Dass Fondsmanager Anteile an von ihnen verwalteten Fonds halten, ist aus Investorensicht generell ein gutes Omen. Wie aussagekräftig sind diese Co-Investments performance- und flowtechnisch aber tatsächlich? Eine Studie liefert Antworten.

Dass private Investments von Fondsmanagern in die von ihnen verwalteten Fonds wünschenswert sind, liegt auf der Hand. Theoretisch gibt es kein wirksameres Instrument, um die Interessen von Investoren und Fondsmanagern in Einklang zu bringen. Denn leider unterliegt die Beziehung zwischen Fondsinvestoren und Fondsmanagern grundsätzlich durchaus potenziellen Interessenkonflikten: Während Fondsinhaber als Ziel eine hohe risikobereinigte Rendite bei möglichst geringen Kosten ansteuern, streben Fondsmanager rationalerweise eine Maximierung der Managementgebühren und Boni an, um ihre auf diesen Parametern basierende Vergütung zu optimieren. Es sind vor allem Reputationsbedenken, die das Fondsmanagement im Normalfall davon abhalten, sich auf eine zu kurzfristige Gewinnmaximierung zu konzentrieren. Mehrere Governance-Skandale, darunter die Praktiken des Late Trading und des Market Timing, haben jedoch in den frühen 2000er-Jahren Fehlanreize in der Fondsbranche aufgedeckt und dazu geführt, dass gegen die beteiligten Fondsgesellschaften Strafen in Höhe von mehr als vier Milliarden US-Dollar verhängt wurden. Seither sind erfahrene Fondsanleger grundsätzlich misstrauisch, wenn es um die Sorgfaltspflichten der Anlageexperten bei der Verwaltung ihres Geldes geht.
Die Frage, wie eine wirksame Governance für Investmentfonds gestaltet werden kann, hat nach diesen Fällen von Fehlverhalten in der Fondsbranche an Aufmerksamkeit gewonnen. In dem Bemühen, potenzielle Agency-Kosten zu senken, hat die US-Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde SEC alle Verwalter von Investmentfonds dazu verpflichtet, ihre persönlichen Investitionen in die von ihnen verwalteten Fonds offenzulegen. Die SEC argumentiert insbesondere, dass „die Beteiligung eines Portfoliomanagers an dem von ihm gemanagten Fonds einen direkten Anhaltspunkt dafür darstellt, dass eine Übereinstimmung der Interessen zwischen Manager und Anleger besteht“ (SEC-Regel S7-12-04). Tatsächlich scheint die Angleichung der Interessen von Investoren und Fondsmanagern von Bedeutung zu sein: Mehrere Studien dokumentieren zum Beispiel eine signifikant positive Korrelation zwischen Co-Investitionen von Managern und risikobereinigten Renditen und kommen zu dem Schluss, dass – ceteris paribus – „Skin the Game“ ein wünschenswertes Fondscharakteristikum darstellt.
Fehlende Transparenz
Anders als für institutionelle Anleger sind die obligatorischen Skin-in-the-Game-Informationen für andere Investorengruppen jedoch keineswegs leicht zugänglich: Die privaten Investitionen der Manager in den Fonds werden im sogenannten „Statement of Additional Information“ (SAI) offengelegt. Dabei handelt es sich um einen umfangreichen Anhang zum Fondsprospekt, der nicht zu den Hauptinformationsquellen des durchschnittlichen Fondsanlegers zählt. Dennoch nutzen Fondsmanager regelmäßig ein anderes Medium, um ihre Anleger auf freiwilliger Basis über ihr Co-Investment in dem Fonds zu informieren: den Brief an die Fondsanteilshalter.
Dieser „Shareholder Letter“ ist zwar nicht zwingend, aber doch häufig Bestandteil des Halbjahres- oder Jahresberichts des Investmentfonds. Er wird typischerweise vom Fondsmanagement verfasst, richtet sich direkt an die Fondsanleger und erläutert zum Beispiel die Aktienauswahl, erörtert die Wertentwicklung des Fonds im Berichtszeitraum und gibt einen Marktausblick. Angesichts der Tatsache, dass fast jeder zweite US-Haushalt Anteile an mindestens einem Investmentfonds hält, erreichen Aktionärsbriefe ein Massenpublikum und dienen als Hauptelement der Kommunikation mit den Anteilseignern. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass der Inhalt dieser Briefe die Investitionsentscheidungen der Anleger beeinflusst.
Oscar Stolper, Inhaber der Professur für Behavioral Finance im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Philipps-Universität Marburg, und Dominik Scheld, Postdoctoral Researcher am selben Behavioral-Finance-Institut, untersuchen, ob und inwieweit die Investitionsentscheidungen von Anteilseignern von Publikumsfonds durch strategische Signale in Bezug auf die Interessenkongruenz von Fondsmanager und Fondsinvestor beeinflusst werden.
Skin-in-the-Game-Kommunikation
Typische Beispiele für eine solche Skin-in-the-Game-Kommunikation sind Sätze wie „Wie Sie bin ich ein Investor dieses Fonds“, „Ich verpflichte mich, einen wesentlichen Teil meines Privatvermögens in den Fonds zu investieren“ sowie die Ansprache der Investoren als „Mitanteilsinhaber“. Um systematisch Aktionärsbriefe zu identifizieren, die solche Signale der privaten Co-Investition von Managern enthalten, verwenden die Autoren fortgeschrittene Textanalysemethoden und stellen einem auf Python basierenden Text-Mining-Algorithmus Inputs zur Verfügung, mit deren Hilfe es möglich wird, eine große Stichprobe von 15.746 Anlegerbriefen automatisch zu verarbeiten.
Die Autoren beschränken ihre Stichprobe auf aktiv verwaltete Aktienfonds mit einem verwalteten Gesamtvermögen von mehr als 100 Millionen US-Dollar im Jahr 2018. Sie nehmen insgesamt 1.334 aktiv verwaltete Investmentfonds in die Stichprobe auf, die (a) in jedem Jahresbericht einen Aktionärsbrief enthalten und (b) für alle Jahre des Beobachtungszeitraums von 2013 bis 2018 Informationen über Co-Investments des Fondsmanagers im SAI des Fonds offenlegen. Des Weiteren wurden Fondsdaten aus der Fondsdatenbank Morningstar Direct herangezogen. Diese enthalten eine Vielzahl von Fondsmerkmalen, einschließlich einer Historie aller Portfoliomanager eines bestimmten Fonds, die es ermöglicht, die Offenlegung der privaten Co-Investments eines bestimmten Managers im Schreiben eindeutig mit seinen persönlichen Informationen im SAI zu verknüpfen. Schlussendlich wurden also Daten aus den Anlegerbriefen, den SAIs und aus der Morningstar-Datenbank in einem mehrstufigen Verfahren zusammengeführt.
Beträchtliches Engagement der Manager
In 21 Prozent dieser Mitteilungen ließ sich eine Skin-in-the-Game-Kommunikation dokumentieren. Des Weiteren stellt sich heraus, dass die privaten Co-Investments nicht unbeträchtlich sind. So beläuft sich das durchschnittliche Investment pro Manager auf mehr als 250.000 US-Dollar, jenes aller Manager eines Fonds auf fast 700.000 US-Dollar oder 0,09 Prozent des Net Asset Value (NAV) des Fondsvermögens (Details siehe Grafik „Skin in the Game: Höhe und Kommunikation“).
Der durchschnittliche Fonds der Stichprobe wies monatliche Nettomittelzuflüsse von 0,73 Prozent des NAV auf, bestand seit zehn Jahren, verwaltete im Schnitt 2,4 Milliarden US-Dollar, wurde von drei Fondsmanagern mit einer durchschnittlichen Firmenzugehörigkeit von acht Jahren verwaltet, erzielte eine jährliche Bruttorendite von 9,3 Prozent und ein leicht negatives risikoadjustiertes Vier-Faktor-Alpha. Der Portfolioumschlag lag bei 54 Prozent des Fondsvermögens, wobei die Gebühren für Retailanteilseigner jährlich etwa 1,2 Prozent betrugen. Was die Anlegerinformationen der Fondsanbieter betraf, stellten die Finanzmarktforscher eine große Heterogenität fest – sowohl in Bezug auf Länge als auch Lesbarkeit.
Zentrale Erkenntnisse
Die zentralen Ergebnisse der Autoren sind interessant. Sie konnten erstens darlegen, dass die Offenlegung persönlicher Investments von Fondsmanagern im Monat nach der Veröffentlichung des Anlegerbriefs des Fonds zu erheblichen Nettozuflüssen in die Retailanteilsklasse der untersuchten Fonds führt (siehe Grafik „Manager-Co-Investments sind flowrelevant“). Die Offenlegung privater Co-Investitionen durch Fondsmanager führt zu signifikanten Nettozuflüssen von bis zu 2,4 Milliarden US-Dollar in Retailanteilsklassen der untersuchten aktiven US-Aktienfonds im Monat nach der Offenlegung von Skin in the Game im Anlegerbrief des Fonds. Diese Reaktion kam einer Verdoppelung der monatlichen Nettozuflüsse gleich und hielt meist bis zum nächsten Berichtszeitraum an. Dieser Effekt war bei den untersuchten Fonds in den ersten Wochen nach Erhalt des Shareholder Letters besonders ausgeprägt, blieb aber weitgehend bis zum nächsten Bericht bestehen. Der tatsächlich investierte Dollarbetrag eines Fondsmanagers – eine Information, die nur über das SAI des Fonds zugänglich ist – verändert die Zuflüsse von Kleinanlegern hingegen nicht signifikant. Das von den Fondsmanagern in ihre eigenen Produkte investierte Volumen spielte also keine Rolle.
Zweitens dokumentieren die Autoren einen signifikant stärkeren positiven Effekt des Co-Investments durch die Fondsmanager auf die Nettomittelzuflüsse in die Retailtranche,
(a) wenn der betreffende Fonds zuletzt schlecht performte
(b) wenn der Fonds von nur einem einzigen Fondsmanager verwaltet wurde
(c) wenn sich der Markt in einer Hausse-Phase befand
(d) wenn der Anlegerbrief kurz gehalten und relativ leicht lesbar war
Weiters stellen die Marburger Forscher fest, dass die Anleger besonders empfindlich auf das erstmalige Signalisieren von Skin in the Game im Anlegerbrief reagieren, allerdings gilt dies nur für Privatanleger. Nur Fonds, die auch Retailanteilsklassen anbieten, verzeichneten höhere positive Nettoströme, nachdem sie zum ersten Mal einen Interessengleichlauf signalisierten. Die Skin-in-the-Game-Kommunikation hatte demnach keinen Einfluss auf rein institutionelle Fonds. Da professionelle Fondsdatenanbieter detaillierte Informationen über die Eigentumsverhältnisse auf Knopfdruck bereithalten – so gibt Morningstar in seiner Fondsdatenbank für jeden Manager eines Fonds eine US-Dollar-Spanne für private Co-Investments an –, stellen Scheld und Stolper die Vermutung an, dass die Skin-in-the-Game-Kommunikation im Anlegerbrief keinen zusätzlichen Informationsgewinn für Institutionelle bewirkt, weshalb der Hinweis auf das Engagement des Managements auch keine Zu- oder Abflüsse bewirkt. Man geht davon aus, dass Großanleger schon im Vorfeld ihrer Investition überprüfen, ob das Management in die eigenen Produkte investiert. Um diese Vermutung zu testen, wiederholen die Autoren die Hauptanalyse für die Teilstichprobe der institutionellen Fondsanteilsklassen. Tatsächlich finden sich keine messbaren Auswirkungen der Skin-in-the-Game-Kommunikation auf die Fondsströme institutioneller Investoren, wenn man alle Kontrollvariablen auf Fonds- und Managerebene sowie fixe Fondsfamilien- und zeitliche Effekte miteinbezieht. Darüber hinaus stellt sich heraus, dass die Nichtreaktion institutioneller Anleger auch nach einer schlechten Fondsperformance und in Haussemärkten Bestand hat (siehe Tabelle „Institutionelle Antwort auf Skin-in-the-Game-Kommunikation“).
Schlussbemerkungen
Unterm Strich bestätigt auch diese Arbeit, dass institutionelle Investoren, die darauf achten, ob „ihre“ Fondsmanager auch deren eigenes Kapital verwalten, richtigliegen. Wie von Aufsichtsbehörden wie der SEC erwartet, scheint die Beteiligung eines Portfoliomanagers an seinem Fonds tatsächlich einen direkten Hinweis auf seine Ausrichtung an den Interessen der Anteilseigner zu geben.
Bezüglich der Frage, ob und wie die Informationen darüber kommuniziert werden, ist die Unterscheidung zwischen Fonds, die auch Privatanlegergeld verwalten, und rein institutionellen Fonds wesentlich, weil sich bei Letzteren die Skin-in-the-Game-Kommunikation nicht erkennbar auswirkt. Diese stellt nur für die Investmentgesellschaften ein wichtiges strategisches Instrument zur Steuerung der Fondsströme dar – insbesondere dann, wenn das Signal für den Anleger leicht auffindbar ist.
Für institutionelle Anleger ist dies dann von Relevanz, wenn Flows auf der Retailseite einen indirekten Einfluss auf ihre Positionierung in den institutionellen Anteilsklassen desselben Fonds besitzen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass es sich um Aktienfonds handelt, die im Mid- und Small-Cap-Segment oder in Nischen tätig sind. Weitere Untersuchungen könnten sich diesem Thema in anderen Assetklassen als Aktien respektive Aktien anderer Regionen widmen.
Dr. Kurt Becker