»Ich bin Workaholic«
Dirck Smolka ist Vorsitzender des Verwaltungsrats beim Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein (VZN) in Düsseldorf. Mit einem gutem Set-up und modernen Kapitalanlagen hat das Versorgungswerk in den unruhigen Zeiten gut funktioniert.

© Andreas endermann
Für professionelle Vermögensverwalter war es ein wenig demütigend: Fünf Zahnärzte verwalteten die 4,6 Milliarden Euro Vermögen ihres Versorgungswerks – im Nebenjob. Und sie schulterten diese Aufgabe nicht nur nebenher, sondern waren dabei auch noch erfolgreich. Dirck Smolka gehört zu diesem Quintet, dem es nun doch zu viel wurde: „Bis Januar 2022 waren wir im Verwaltungsausschuss des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein (VZN) das bestimmende Organ über alle Assets.“ Seit Jahresanfang 2022 haben die Zahnärzte ihr Versorgungswerk allerdings umorganisiert. „Wir haben das Day-to-Day-Business in die Hände einer Geschäftsführung gegeben. Das sind Profis, und die haften jetzt auch. Im Verwaltungsrat entscheiden wir jetzt nicht mehr im Tagesgeschäft, sondern sind das Kontrollorgan, geben die Richtlinien vor. Davor haben wir jedes Asset selbst entschieden. Im Grunde genommen war es uns Zahnärzten nicht mehr zumutbar, dafür die volle Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Smolka.
Man merkt ihm an, dass es ihm trotz der hohen Verantwortung und des enormen Arbeitsaufwands viel Spaß macht. „Wissen Sie, ich bin Workaholic“, verrät Smolka, „vor der Umstellung habe ich im Versorgungswerk rund 1.200 bis 1.400 Stunden pro Jahr zugebracht, und dazu hatte ich meine Zahnarztpraxis. Die habe ich aber vor fünf Jahren abgegeben.“ Offenbar muss man sich so engagieren, um die komplexer werdenden Kapitalanlagen eines institutionellen Investors zu durchdringen. Smolka winkt ab: „Mich interessieren Finanzthemen einfach. Und ich mache das nun schon seit 30 Jahren und bin in dieser Zeit in das Thema hineingewachsen.“ Bei seinen Kollegen genießt er Respekt: „Bei Herrn Smolka, der ebenso wie ich seit Jahrzehnten für sein Versorgungswerk aktiv ist, habe ich stets mit Hochachtung den hohen Einsatz verfolgt, den er als – ehrenamtlicher – Vorsitzender des Verwaltungsausschusses geleistet hat“, sagt Hans Wilhelm Korfmacher über ihn. Er leitet das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen (WPV) und setzt hinzu: „Aufgrund seiner fachlichen Kompetenz und sowohl positiven als auch negativen Erfahrungen insbesondere im Bereich der Kapitalanlage waren Gespräche mit ihm, die häufig informell am Rande von Veranstaltungen stattgefunden haben, stets inspirierend und weiterführend.“
Gibt es etwas, wovor sich Smolka fürchtet? „Ja, die Abhängigkeit von IT-Gegebenheiten wird immer größer. Meine größte Angst ist die vor Cyberkriminalität, dass sich jemand in unser System hackt und es brachlegt.“ Weil das VZN seine Renten pünktlich und zuverlässig auszahlen soll, werden die kompletten Daten alle zwei Stunden auf einem separaten Laufwerk gespeichert.
Erste Säule für Freiberufler
In Deutschland gibt es 91 berufsständische Versorgungswerke, die insgesamt etwas mehr als eine Million Mitglieder betreuen und ein Kapital von rund 250 Milliarden Euro verwalten. Verglichen damit sehen die zehn Milliarden, die jetzt für die Aktienrente innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung investiert werden, ziemlich wenig aus, zumal hier die Zahl der Versicherten deutlich höher ist. Auch bei den berufsständischen Versorgungswerken handelt es sich um die erste Säule der Altersversorgung. Sie sind jeweils pro Bundesland für bestimmte Freiberuflergruppen organisiert. Die Anlagerichtlinien sind durch die Anlageverordnung vorgegeben, und die Aufsicht liegt bei den Bundesländern. „Uns gibt es eigentlich nur, weil Freiberufler aus der gesetzlichen Rentenversicherung rausgeworfen wurden. Man fand, dass das Risiko zu groß sei, um von der Gemeinschaft getragen zu werden. Der entsprechende parlamentarische Beschluss fiel am 21. Januar 1957“, erklärt Smolka, „unser Versorgungswerk wurde kurz darauf, am 1. April 1957, gegründet.“
Letztlich sind die Freiberufler mit ihrem Rauswurf gut gefahren. Eine Berufsgruppe nach der anderen gründete ihr Versorgungswerk, und diese laufen stabil. „Wir sind eines der ältesten Versorgungswerke. Die Rechtsanwälte haben ihres erst in den 1980ern gegründet“, ist Smolka stolz und erzählt von den Anfängen: „Zu Beginn waren die Beiträge sehr gering, wir hatten Festbeiträge. Viele Freiberufler waren zunächst von der Institution Versorgungswerk nicht überzeugt.“ Inzwischen sei das anders. „Heute sehen die Kollegen, dass bei uns gute Renten rauskommen. Mittlerweile sind die Renten aus dem Versorgungswerk ein wichtiger Teil der Altersvorsorge für die meisten Zahnärzte.“
Die durchschnittliche Altersrente aus dem VZN lag bei 2.735 Euro (Zahlen von 2021). „Vergleichen Sie das mal mit den Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung!“, schlägt Smolka vor. Gesagt, getan! Die durchschnittlich gezahlte Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung lag bei 1.204 Euro (Zahlen von 2019), also nicht ganz bei der Hälfte. Eine Ärzteneiddiskussion braucht trotzdem nicht aufzukommen: Die durchschnittlich gezahlte Beamtenpension lag in Deutschland im selben Jahr bei 2.897 Euro, also leicht über der Versorgung der nordrheinischen Zahnärzte.
Ganz ohne staatliche Zuschüsse
Wie kriegen die Zahnärzte das hin? „Unser System ist komplett kapitalgedeckt, und das Kapital wird gewinnbringend angelegt. Dafür sorgen wir“, erklärt Smolka. „Für die Rentenberechnung verwenden wir Heubeck’sche Sterbetafeln für die freien Berufe.“ Statistisch leben Freiberufler länger als Menschen im Allgemeinen – drei bis vier Jahre länger müssen die Rentenzahlungen fließen. Woran das liegt? „Vielleicht achten Freiberufler mehr auf ihre Gesundheit oder auf eine gesunde Ernährung“, meint Smolka. „Die Renten in unserem System haben zwei Hauptfaktoren: die Höhe der Einzahlungen und wie lange jemand einzahlt.“
Wichtig ist ihm, dass es keinerlei staatliche Zuschüsse für sein Versorgungswerk gibt. „Wir erhalten keine, und wir wollen auch keine, denn staatliche Unterstützungen schaffen immer Abhängigkeiten.“ Er verweist darauf, dass die gesetzliche Rentenversicherung einen jährlichen Staatszuschuss von 110 Milliarden Euro erhält. „Wir bekommen nichts dergleichen. Der Staat oder die gesetzliche Rentenversicherung haben also keinerlei finanzielle Belastung durch uns, auch nicht durch die höhere Lebenserwartung der Freiberufler. Bei uns erhalten noch nicht einmal die Zahnärztinnen, die Kinder bekommen, Beitragszuschüsse für die Anrechnung der Elternzeit, so wie es die gesetzlich Versicherten erhalten.“ Dieser Punkt werde von den weiblichen Mitgliedern immer mal wieder diskutiert.
Die Kapitalanlage
Im Anlagetopf der nordrheinischen Zahnärzte befinden sich aktuell rund 4,6 Milliarden Euro, bewertet nach Zeitwerten. Zurzeit ist das System mehr oder minder ausgeglichen: Jährlich kommen rund 140 Millionen Euro Beiträge rein, und es fließen 147 Millionen Rentenzahlungen raus. Die Statuten gewähren den Mitgliedern eine hohe Flexibilität: Der Renteneintritt kann frei zwischen dem 62. und dem 70. Lebensjahr gewählt werden; wer länger arbeitet, bekommt eine höhere Rente. Berufsunfähigkeit und Hinterbliebenenversorgung werden ebenfalls abgedeckt.
Der Rechnungszins liegt bei 3,5 Prozent. „Wir waren auch schon mal bei vier Prozent. In der Anwartschaft liegen wir aber bei 3,5 Prozent, und dort soll der Satz auch bleiben“, sagt Smolka. Er ist froh, dass das VZN mit seinen Anlagen den Rechnungszins gut erwirtschaften kann, und möchte derzeit das Risiko in der Kapitalanlage nicht erhöhen. „Dazu besteht keine Veranlassung!“, sagt er mit einer Handbewegung, die zeigt: Es ist zu schaffen! Seine großen Hände verraten, dass er ein Macher ist, der Probleme beim Namen nennt und dann nach einer praktikablen Lösung sucht.
„Die Kapitalmärkte 2022 waren schwierig, und natürlich lagen auch bei uns sowohl Aktien als auch Renten im Minus“, so Smolka. Aber trotz dieser Schwierigkeiten konnte das VZN für 2022 ein positives Ergebnis erzielen. „Wir haben schon im Jahr 2006 angefangen, in Private Equity und andere Illiquids zu investieren, beispielsweise in Infrastruktur. Diese Positionen haben sich in der Vergangenheit und auch im Jahr 2022 gut entwickelt“, erklärt Smolka, wie das VZN die 2022er-Verluste mithilfe seiner illiquiden Assets kompensieren konnte.
Eine Besonderheit im Portfolio fällt auf: Der Anteil der Hypothekendarlehen macht gut zwölf Prozent aus. „Hypotheken sind für uns eine äußerst dankbare Assetklasse, die noch dazu wenig Arbeit macht. Wir sind extrem schnell in der Darlehenszusage, daher können wir höhere Zinsen verlangen als am Markt üblich.“ Letztes Jahr habe man zehnjährige Laufzeiten mit 3,6 und 3,8 Prozent abschließen können, dieses Jahr steht sogar eine Vier vor dem Komma. „Wir erhalten die meisten Hypotheken über eine deutsche Bank, die uns die Darlehen für ausländische Kunden weiterreicht. Mit unseren Hypotheken haben wir so gut wie keine Ausfallquoten, und das bei den Zinssätzen!“, freut sich Smolka.
Hohe Immobilienquote
Der Immobilienbereich erscheint ihm insgesamt attraktiv. Mit einer Immobilienquote von über 25 Prozent ist das VZN schon am Anschlag dessen, was die Anlageverordnung zulässt. „Wir sind traditionell hoch investiert in Immobilien. Die Renditen dort sind gut, und wir gehen von weiterhin positiven Aussichten aus. Wir profitieren von der Öffnungsklausel: Regulär dürften wir 25 Prozent Immobilien halten. Aber 2021 wurden eine fünfprozentige Öffnungsklausel und eine erweiterte Öffnung von noch einmal fünf Prozent eingeführt, wenn wir bestimmte Bedingungen erfüllen – das tun wir“, erklärt Smolka. Er bedauert, dass er die neuesten Zahlen zur Asset Allocation erst Ende März, mit Erscheinen des Geschäftsberichts 2022, rausgeben darf, verrät aber: „Angesichts der veränderten Zinssituation haben wir Veränderungen am Portfolio vorgenommen. Anfang 2023 haben wir fast 130 Millionen Euro in Zinspapiere investiert und dafür Balanced-Mandate aufgelöst.“ Inhaber- und Namensschuldverschreibungen kauft das VZN direkt, ohne Fondshülle. „Dort haben wir jetzt einen Kupon von über 4,0 Prozent, und das, obwohl wir nur in A-geratete Papiere investieren. Wir kaufen Zinspapiere von Banken und anderen Blue-Chip-Unternehmen, da geht die Ausfallquote gegen null.“ Das Standardgeschäft mit zehn- bis 15-jährigen Laufzeiten, das man viele Jahre gemacht hat, aber seit Lehman nicht mehr, ist jetzt wieder lukrativ. „Wir bauen weitere Positionen im Infrastrukturbereich auf, streng nach ESG-Kriterien. Das Thema Nachhaltigkeit nimmt enorm zu. Wir investieren in Erneuerbare-Energie-Projekte wie Solar und Wind. Da kann man zurzeit nicht viel falsch machen“, meint Smolka. Er verrät, dass er zugunsten nachhaltiger Investments derzeit sogar seine Immobilienquote leicht reduziert. „Aber nur um die Immobilien nachhaltiger zu machen!“
Großes Lob für die Aufsicht
Ein großer Teil der Freude, die ihm die Arbeit im VZN beschert, kommt aus dem Austausch mit Finanzmarktakteuren. Alle Versorgungswerke gehören der „Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen“ an. „Die haben zweimal im Jahr eine Fachveranstaltung, zu der ich gern gehe. Darüber hinaus besuche ich viele Kongresse und Seminare, digital und vor Ort. Bei persönlichen Treffen erfährt man besonders viele Dinge“, verrät Smolka. Selbst den Austausch mit der Aufsicht sucht er gern. „In Nordrhein-Westfalen haben wir die beherrschende Aufsicht für Versorgungswerke in Deutschland – wegen der hohen Expertise. Ulf Steenken, der bei uns die Versorgungswerke beaufsichtigt, hat daher mehr oder minder die Funktion, auch andere Landesaufsichten mit zu vertreten“, erklärt Smolka. „Wir sind mit unserer Aufsicht äußerst zufrieden und pflegen mit ihr einen aktiven Austausch. Dr. Steenken ist sehr bemüht, auch in schwierigen Zeiten nach Lösungen zu suchen – gemeinsam mit den Versorgungswerken.“
Was ihm am meisten Spaß macht bei seiner Arbeit für das VZN? „Dass ich die Ehre habe, die Verantwortung für die Altersvorsorge der nordrheinischen Zahnärzte zu haben. Ich habe dabei enorm viel gelernt, tue das gern und fühle mich verantwortlich, es auch anständig zu machen. Da kommt viel Dank zurück!“ Eine Ehre ist der Job tatsächlich, denn die Mitglieder des Verwaltungsrats müssen sich alle fünf Jahre neu wählen lassen – mit absoluter Mehrheit.
Anke Dembowski