INSTITUTIONAL MONEY KONGRESS 2017
Vorträge der Starreferenten
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Robert Arnott

Robert Arnott ist einer der Gründerväter des sogenannten Fundamental-Index-Konzepts. Gemeinsam mit seinen Koautoren Jason Hsu und John West hat er in dem 2008 erschienenen Werk „The Fundamental Index: A Better Way to Invest“ die Grundlagen für diesen alternativen Investmentansatz geschaffen. Der 62-Jährige ist Gründer und CEO der Beratungsgesellschaft Research Affiliates in Newport Beach, die eine Vielzahl der in der jüngeren Zeit immer stärker beachteten Smart-Beta-Strategien für einige der weltgrößten Asset Manager entwickelt hat.

Vortrag: 21. Februar 2017
Großer Saal: 9:40 - 10:30
Die Performancejagd
Data Mining und die Suche nach realen Renditen. Der Godfather von Smart Beta erklärt, wie man zu relevanten Marktdaten kommt, sie renditeträchtig interpretiert und möglichst effizient anwendet.
Mehr InfoAdair Turner

Adair Turner, einer der renommiertesten Ökonomen Englands, gilt als überzeugter Befürworter des sogenannten Helikoptergeldes. Notenbanken wie die EZB sollten mehr Geld drucken, um damit Staatsausgaben direkt zu finanzieren und einen weiteren Anstieg der Staatsschuldenquote zu verhindern. Reine Geldpolitik ist seiner Meinung nach aber wirkungslos. Er ist Mitglied im britischen Oberhaus und leitet das von Hedgefondslegende George Soros finanzierte Institute for New Economic Thinking.

Vortrag: 21. Februar 2017
Großer Saal: 17:45 - 18:35
Zwischen Schulden, Teufel und Erlösung
Sein kontroversielles Werk „Between Debt and Devil“ brachte Adair Turner breite Anerkennung – und Kritik ein. Die Kernthese: Staatsschulden sind Segen, nicht Fluch.
Mehr InfoLars Heikensten

Mit Lars Heikensten, seit 2011 Exekutivdirektor der Nobelstiftung, hat die zentrale Institution für die Vergabe des Nobelpreises den idealen Kandidaten gefunden. Sein Weg führte den promovierten Ökonomen nicht nur an die Spitze der Schwedischen Reichsbank, der er bis zum Jahr 2011 als Präsident vorstand. Zuvor war Heikensten mehrere Jahre für das schwedische Finanzministerium tätig. Vor seinem Antritt bei der Nobelstiftung gehörte er fünf Jahre lang als Vertreter Schwedens dem externen Prüfungsausschuss des Europäischen Rechnungshofs an.

Vortrag: 22. Februar 2017
Großer Saal: 9:25 - 10:15
Die Finanzierung des Nobelpreises
Der CEO der Nobelstiftung spricht über die Herausforderungen, vor denen eine Organisation, die die bedeutendste Auszeichnung weltweit verleiht, in Zeiten von Nullzinsen steht.
Mehr InfoJean Claude Trichet

Fragte man Notenbankkollegen nach einer Haupteigenschaft von Jean-Claude Trichet, wurde in der Regel nahezu ehrfurchtsvoll vom ausgeprägten Fleiß des ehemaligen EZB-Präsidenten gesprochen. Dazu kamen Nerven aus Stahl und diplomatisches Geschick – alles Eigenschaften, die Trichet auf dem Höhepunkt der Finanzkrise dabei halfen, die Kernländer der Eurozone davon zu überzeugen, die angeschlagenen Peripherieländer mit Multimilliarden-Hilfspaketen vor dem Finanzkollaps zu bewahren. Kein Wunder, dass Trichet vielen als Retter der Eurozone gilt.
Vortrag: 22. Februar 2017
Großer Saal: 15:25 - 16:15
Geldpolitik in Krisenzeiten: Gelernte Lektionen, neue Herausforderungen
Jean Claude Trichet erklärt in seinem Vortrag, warum und wie neben der EZB auch Regierungen, Parlamente, der private Sektor und die Sozialpartner aktiv werden müssen.
Mehr InfoCarmen Reinhart

Carmen M. Reinhart gilt sowohl als die bekannteste, als auch die einflussreichste Kapitalmarktforscherin der Welt. Weltruhm erlangte Reinhart durch den Bestseller „This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly“, den sie gemeinsam mit Kenneth Rogoff 2010 veröffentlichte. In dem Buch analysierten die beiden Ökonomen auf Basis umfangreicher Daten 800 Jahre Finanzgeschichte. Das Ergebnis: Es sind immer die gleichen Fehler, die zum Kollaps geführt haben. Aufgrund dieses Buches gilt Reinhart als führende Autorität zum Thema Krisen.

Vortrag: 22. Februar 2017
Großer Saal: 16:30 - 17:20
Der Staat, das hoch verschuldete Wesen
Eine Tour de force rund um das Thema Staatsschulden – nichts anderes ist von der Doyenne der Finanzwissenschaft zu erwarten.
Mehr Info
Robert Arnott
Die Performancejagd
Data Mining und die Suche nach realen Renditen. Der Godfather von Smart Beta erklärt, wie man zu relevanten Marktdaten kommt, sie renditeträchtig interpretiert und möglichst effizient anwendet.
Vortrag: 21. Februar 2017
Großer Saal: 9:40 - 10:30
Als Akademiker und Investor hob Rob Arnott die Idee fundamentaler Marktbarometer mit aus der Taufe – und kritisiert heute Auswüchse des Trends.
Mit seiner Arbeit legte Robert Arnott den Grundstein für den fabelhaften Aufstieg von Index investments und bereitete den Boden für den Bau alternativer Börsenbarometer. Er trug wesentlich zum Wandel von Indizes als bloße Messlatte für die Marktentwicklung hin zu praxistauglichen Anlagevehikeln bei. Die Wirtschaftszeitung „Financial Times“ bezeichnete ihn gar als den „Paten von Smart Beta“ – unter diesem Begriff werden die innovativen Indizes seit Jahren erfolgreich vermarktet. Doch den Siegeszug seiner Idee beobachtet er mittlerweile mit Sorge. So prangerte Arnott jüngst Auswüchse beim Erfindungsreichtum der Indextüftler an. Viele Produktinnovationen seien „Nonsens“. Damit löste er einen Aufschrei in der Branche aus und wurde selbst zur Zielscheibe.
Vater einer Revolution
Seinen Ruf erlangte Arnott sowohl durch seine mehr als 100 akademischen, preisgekrönten Veröffentlichtungen rund um das Portfoliomanagement und die Indextheorie als auch in der Praxis als Anleger und Unternehmensgründer.
Arnott studierte an der Universität im kalifornischen Santa Barbara Ökonomie, angewandte Mathematik und Computerwissenschaft. In seinen früheren Arbeiten wies er nach, dass es ein Großteil der aktiven Manager von US-Aktienfonds nicht schafft, den Markt zu übertreffen. Später widmete er sich dann dem theoretischen Unterbau neuer Indizes. Deren Zusammensetzung sollte sich nicht mehr aus der Marktkapitalisierung, sondern aus anderen, intelligenteren Faktoren ergeben. Mit einer ausgefeilteren Konstruktion ließen sich sogar regelmäßig Mehrrenditen gegenüber dem Markt erzielen, so Arnotts Schluss. Zudem war er von 2003 bis 2006 Chefredakteur des vom CFA-Institut herausgegebenen „Finan cial Analysts Journal“. Seine akademischen Überlegungen setzte er schließlich auch in der Praxis um. 2002 gründete er Research Affiliates mit Sitz im kalifornischen Newport Beach. Die Investmentgesellschaft entwickelt alternative Börsenbarometer. Ihre Zusammensetzung bestimmt sich etwa aus Faktoren wie Umsatz und Gewinnentwicklung, Cashflow, Dividenden oder Schuldenlast. Arnott zählt damit zu den Pionieren der fundamentalen Indexanlage. Heute werden rund 160 Milliarden Dollar weltweit nach den Strategien von Research Affiliates verwaltet. Das Haus entwickelt Konzepte für Branchenriesen wie Pimco oder Invesco Powershares.
Gefährlicher Faktor-Zoo?
Die Wissenschaft und andere Anbieter haben Arnotts Erkenntnisse begierig aufgegriffen. Ganze Heerscharen von Forschern fahnden heute nach neuen Faktoren, die eine regelmäßige Mehrrendite einfahren können. In den Fachjournalen ist mittlerweile spöttisch von einem regelrechten „Faktor-Zoo“ die
Rede. Besonders die Indexfondsindustrie feilt an immer komplizierteren Barometern, mit denen sie auf Kundenfang geht. Diese Entwicklung erfüllt Arnott mit Sorge. Er fürchtet, dass einige Investoren in den kommenden Jahren „erhebliche Enttäuschungen“ erleben werden. Denn manche der Smart- Beta-Produkte würden schlichtweg von der guten Marktentwicklung der jüngsten Vergangenheit profitierten
und nicht von dem vermeintlich zugrunde liegenden Faktor. Die heftigen Reaktionen
auf seine Kritik überraschten selbst Arnott. Doch er hält an seiner Einschätzung fest:
Eini ge Strategien könnten „schrecklich schiefgehen“.

Adair Turner
Zwischen Schulden, Teufel und Erlösung
Sein kontroversielles Werk „Between Debt and Devil“ brachte Adair Turner breite Anerkennung – und Kritik ein. Die Kernthese: Staatsschulden sind Segen, nicht Fluch.
Vortrag: 21. Februar 2017
Großer Saal: 17:45 - 18:35
Die Notenbank soll den Staat direkt finanzieren, fordert Adair Turner, einer der renommiertesten britischen Ökonomen. Anders finden die Industriestaaten nicht aus ihrer Misere heraus, ist er überzeugt.
Der Mann war Unternehmensberater bei McKinsey, Topmanager bei Merrill Lynch
und Chef der britischen Finanzaufsicht. Seit mehr als zehn Jahren ist er Mitglied im House of Lords. Als Teil des Establishment darf Adair Turner, Jahrgang 1955, dennoch nicht gelten. Wenn der elegante Ökonom seine Reden in geschliffenem
Oxford-Englisch vorträgt, ist das für Zuhörer zwar rhetorisch ein Genuss, an seinenThesen werden sich viele aber stoßen. Denn Turner ist ein vehementer Befürworter des Helikoptergeldes – für Volkswirte der alten Schule ein Tabu. Die Notenbank, so seine Forderung, soll den Staat direkt finanzieren. Anders würde es nicht gelingen, die Industriestaaten aus ihrer Misere zu befreien.
Provokante Thesen
Turner hat es geschafft, dass seine provokanten Thesen nicht mehr nur in den vermeintlich dunklen Ecken der Ökonomie diskutiert werden. 2015 beispielsweise trug er seine Ideen auf der angesehenen Forschungskonferenz des Internationalen Währungsfonds vor – als Vertreter des Institute for New Economic Thinking. Für diese Denkfabrik, die von Hedgefondslegende George Soros finanziert wird, schrieb er auch ein viel beachtetes Buch zum Thema: „Between Debt and the Devil:
Money, Credit, and Fixing Global Finance“. Inzwischen mehren sich die Stimmen insbesondere angelsächsischer Ökonomen, die Turners Thesen zustimmen.
Problematische Schulden
Die Entstehung der jüngsten Finanzkrise führt Turner auf den erheblichen Ausbau der privaten Verschuldung zurück. Die Bankkredite dienten allerdings nicht der Finanzierung produktiver Investitionen, sondern flossen zu
einem großen Teil in Immobilien, was die Preise nach oben trieb. In den zwei Dekaden vor der Finanzkrise wuchs die Wirtschaft in den Industrienationen im Schnitt um nomi nal vier Prozent, die private Verschuldung aber um zehn bis 15 Prozent. Das konnte nicht ewig gutgehen – es kam zum bekannten Kollaps. Doch die Gesamtschulden sanken nicht, sie wurden nur von den Privathaushalten auf die Staaten verlagert. So wurde das Finanzsystem gerettet – und die Staatsverschuldung zum Problem. Mit dieser Analyse stimmen die meisten Gelehrten wohl noch überein. Mit Turners Lösungsansatz dagegen haben viele ordnungspolitisch geschulte Volkswirte ihre Probleme.
Wachstum erzwingen
Die Strukturreformen, die traditionelle Ökonomen fordern, um die Misere zu lösen, reichen aus Turners Sicht nämlich nicht aus. Seiner Meinung nach leidet die Weltwirtschaft an einem grundlegenden Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage. Wegen der enormen Staatsschulden sei es nicht möglich, das dringend benötigte Wachstum mit traditioneller Konjunkturpolitik zu erreichen. Um die Nachfrage in einer Welt hoher Schulden garantiert zu erhöhen, gebe es vielmehr nur einen Weg: Die Notenbank muss den Staaten zusätzliches Geld leihen. Mit anderen Worten: Lasst den Helikopter steigen!

Lars Heikensten
Die Finanzierung des Nobelpreises
Der CEO der Nobelstiftung spricht über die Herausforderungen, vor denen eine Organisation, die die bedeutendste Auszeichnung weltweit verleiht, in Zeiten von Nullzinsen steht.
Vortrag: 22. Februar 2017
Großer Saal: 9:25 - 10:15
Mit Lars Heikensten leitet ein Mann die Nobelstiftung, dessen Lebenslauf eine beeindruckende Liste von Unternehmen, Institutionen und Hochschulen enthält – unter anderem war er Notenbankchef.
In die Schlagzeilen schaffen es Lars Heikenstens Probleme meist nur, wenn sie mit prominenten Namen verbunden sind – etwa wie im Herbst 2016, als Folk-Legende Bob Dylan der Literatur-Nobelpreis zugesprochen wurde. Diskussionen gab es um die Qualität der Verleihung ebenso wie über das schlussendliche Nichterscheinen des Barden. Heikensten wird sich hingegen die Zeremonie Anfang Dezember nicht entgehen lassen. Für ihn ist es bereits die sechste, die er an der Spitze der Stiftung miterleben darf. Dieser steht er seit dem 1. Mai 2011 vor.
Wieder auf Schiene gebracht
Heikensten gehört auch dem prominent besetzten Investmentkomitee an, dem Tomas Nicolin, früherer Chef des staatlichen schwedischen Pensionsfonds, vorsitzt und in dem sich naturgemäß das finanzielle Schicksal der bekanntesten Stiftung der Welt entscheidet. Im Rückblick muss man sagen, dass Heikensten gerade noch rechtzeitig Mitglied des Komitees geworden ist. Er hat wesentlichen Anteil daran, dass es der Stiftung inzwischen gelungen ist, ihre über fast ein Jahrzehnt anhaltende Ertragsschwäche zu überwinden und das notwendige Renditeziel von drei bis fünf Prozent über der Inflationsrate wieder zu erreichen.
Der Weg dorthin war nicht einfach, unmittelbar nach der Finanzkrise hatte die in Stokkholm ansässige Nobelstiftung zeit weise schwer zu kämpfen, als es um die
Errei chung der Ertragsziele ging. So schwer, dass sie im Jahr 2012 eine Kürzung
der Preisgelder für die Laureaten um 20 Prozent durchführen musste – von ehemals zehn Millionen schwedischen Kronen auf nur noch acht Millionen Kronen. Das stellte
eine Demütigung dar, der man sich nicht noch einmal aussetzen wollte. Bei der Turnaround-Story half Heikensten, dass er unter anderem Erfahrungen aus seiner
Zeit bei der schwedischen Notenbank in seine Arbeit für die Nobelstiftung einbringen
konnte. Er war zehn Jahre für das Institut tätig, wobei er die Institution von 2003 bis 2006 leitete. Sein nächster Karrieresprung brachte ihn zum Europäischen Rechnungshof, für den er weitere fünf Jahre aktiv war, bevor er schließlich den CEO-Posten bei der Nobelstiftung antrat.
Internationale Erfahrung
Heikensten hat zudem verschiedene internationale Positionen bekleidet, zum Beispiel im Erweiterten Rat der Europäischen Zentralbank, im Direktorium der Bank für In ternationalen Zahlungsausgleich und als schwedischer Gouverneur des Internationalen Währungsfonds. Der 1950 geborene Stockholmer, der in
Schweden und in den USA Wirtschaft studiert hat, war außerdem Mitglied diverser
Aufsichtsratsgremien verschiedener Unternehmen und Universitäten und hat für Thinktanks und staatliche Einrichtungen gearbeitet. Der 66-Jährige ist Autor einer Vielzahl von Fachbüchern, hat zahlreiche Aufsätze in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht und nicht zuletzt aktiv an wirtschaftspolitischen Debatten in Schweden und Europa teilgenommen.

Jean Claude Trichet
Geldpolitik in Krisenzeiten: Gelernte Lektionen, neue Herausforderungen
Jean Claude Trichet erklärt in seinem Vortrag, warum und wie neben der EZB auch Regierungen, Parlamente, der private Sektor und die Sozialpartner aktiv werden müssen.
Vortrag: 22. Februar 2017
Großer Saal: 15:25 - 16:15
Als Präsident der Europäischen Zentralbank steuerte Jean-Claude Trichet die Eurozone durch turbulente Zeiten. Dabei blieb er seinen Überzeugungen immer treu.
Er war der zweite Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) und der bislang erste mit französischem Pass. Der stets korrekt gekleidete Goethe-Liebhaber und Opern-Fan erwischte keine einfache Periode. Zwischen 2003 und 2011 navigierte er die Eurozone mit viel diplomatischem Geschick durch eine der turbulenten Phasen der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Jean-Claude Trichet, absolvierte Frankreichs Elite-Kaderschmiede École Nationale d’Administration, die Nationale Hochschul für Verwaltung. Danach diente er jahrelang als Spitzenbeamter in mehreren französischen Regierungen. 1993 wurde er Präsident der französischen Nationalbank. In dieser Position erwarb er sich bald seinen Ruf als „Ajatollah des starken Franc“, weil er seine harte Geldpolitik nicht nur strikt verfolgte, sondern auch
predigte. Trichets Bilderbuchkarriere wurde im Jahr 2003 durch den EZB-Führungs posten gekrönt. Vom Start weg hatte es der neue Notenbankpräsident nicht leicht. Euro pas Politiker kreideten Frankreich an, Trichet mit großem Druck ins Amt befördert zu haben. Um die Besetzung des pres-tigeträchtigen Amtes hatte sich 1997 eine Konkurrenz mit dem niederländischen Präsidenten des Europäischen Währungsinstituts, Wim Duisenberg, entsponnen. Im Mai 1998 einigten sich dieStaats- und Regierungschefs der Euro päischen Union auf einen Kompromiss: Duisenberg wurde zum ersten Präsidenten der EZB nominiert. Allerdings durfte er die reguläre achtjährige Amtszeit nicht voll ausschöpfen und musste seinen Posten bereits 2003 an Trichet abtreten. Der damals 60-jährige Franzose trat der Skepsis aus den Politikerreihen mit einem klaren Statement entgegen. Kurz bevor er sein Amt antrat, erklärte er vor dem Europäischen Parlament: „Ich bin kein Franzose!“ Mit diesen ungewöhnlichen Schritt präsentierte sich Trichet als überzeugter Europäer, frei von nationalen Interessen.
„Machen hier nur unseren Job“
Auch den autoritären Führungsstil, den viele EU-Politiker erwartet hatten, legte der französische Topnotenbanker nicht an den Tag. Stattdessen versuchte er, andere mit Beharrlichkeit von seinen Ansichten zu überzeugen. So hielt Trichet 2004 dem Druck der französischen, deutschen und italienischen Regierung stand und beließ den Leitzins bei zwei Prozent. Im Dezember 2005 hob er ihn gegen den Willen von zehn Regierungen in der Eurozone an. Für seine Standhaftigkeit gegenüber dem Drängen der europäischen Politik auf eine Zinslockerung wurde Trichet 2008 als „European Banker of the Year“ ausgezeichnet. Die letzten Amtsjahre des EZB-Chefs gestalteten sich aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise jedoch turbulent. 2010 entschied die Notenbank unter seinem Vorsitz, Anleihen gefährdeter Eurostaaten wie Griechenland anzukaufen. In den Augen vieler Politiker war dies ein Tabubruch. Der Vorwurf, die EZB verwandle sich in eine „Bad Bank“, brachte den standhaften, charmanten Franzosen auf einer Pressekonferenz dann doch aus der Fassung: „Wir
machen hier nur unseren Job“, erklärte er. Und der sei schwierig genug. 2011 überließ Jean-Claude Trichet die Position des EZB-Präsidenten seinem italienischen Nachfolger Mario Draghi.

Carmen Reinhart
Der Staat, das hoch verschuldete Wesen
Eine Tour de force rund um das Thema Staatsschulden – nichts anderes ist von der Doyenne der Finanzwissenschaft zu erwarten.
Vortrag: 22. Februar 2017
Großer Saal: 16:30 - 17:20
Carmen Reinharts Publikationen zu makroökonomischen Themen werden international beachtet und finden auch in der Realpolitik ihren Niederschlag.
Die Zahl der weiblichen Finanzmarktforscher ist insgesamt vergleichsweise gering, sucht man dann noch nach Wissenschaftlerinnen, die international auf höchstem Niveau Beachtung finden, landet man im niedrigen einstelligen Bereich. Und Carmen M. Reinhart ist derzeit sowohl die bekannteste als auch die einflussreichste Kapitalmarktforscherin der Welt. Der Nachrichtendienst Bloomberg reihte sie in seiner Liste „Bloomberg Markets Most Influential 50 in Finance“. Ein Blick auf die internationale Publikationsliste für Finanzmarktforscher bestätigt dies, auch hier belegt sie unter den weiblichen Autoren Platz eins.
Dem breiten Publikum bekannt wurde die in der kubanischen Hauptstadt Havanna geborene Amerikanerin spätestens mit dem gemeinsam mit Harvard-Professor Kenneth Rogoff im Jahr 2009 publizierten Buch „This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly“. Das Werk wurde in 20 Sprachen übersetzt und fand sich weltweit auf den Bestsellerlisten für Fachliteratur, 2010 wurde es mit dem Paul A. Samuelson TIAA-CREF Institute Award ausgezeichnet. Reinhart und Rogoff arbeiten in dem Werk acht Jahrhunderte Finanz- und vor allem Finanzkrisengeschichte auf und recherchierten dafür eine in dieser Form bisher nicht gesehene Menge an Daten und Statistiken. Das unerfreuliche Ergebnis: Finanzkrisen und Währungskrisen sind alles andere als ungewöhnliche Ereignisse. Letztlich tendieren sehr viele Regierungen und Staaten dazu, langfristig die Kontrolle über ihre Finanzen zu verlieren, was früher oder später stets in einem Staatsbankrott mit anschließender Währungsreform endet. Die „Washington Post“ meinte zu dem Buch: „Mit dem Forschungsaufwand, der für dieses Buch getrieben wurde, haben sich Reinhart und Rogoff bei Politikern, Akademikern und Journalisten als führende Autoritäten zum Thema Krisen etabliert.“
Politischen Einfluss hatte das ebenfalls von Reinhart und Rogoff verfasste und im Januar 2010 publizierte Papier „Growth in a Time of Debt“. Das Timing passte perfekt zur Eurokrise, die praktisch gleichzeitig ausbrach und bis heute mehr verdrängt als verarbeitet ist. Reinhart und Rogoff gelangten in ihrer Arbeit zu dem Ergebnis, dass ab einer Staatsverschuldung von 60 Prozent des Bruttonationalprodukts das Wachstum einer Volkswirtschaft abnimmt und ab 90 Prozent nur mehr halb so hoch ausfällt. Wegen zum Teil fehlerhafter Berechnungen wurde diese Arbeit im Jahr 2013 heftig kritisiert – jüngere, fehlerfreie Berechnungen von Reinhart und Rogoff und der IWF gelangten allerdings zu ähnlichen Ergebnissen. Ob ein verringertes Wirtschaftswachstum Auslöser oder Ergebnis einer hohen Staatsverschuldung ist, ist nach wie vor nicht zweifelsfrei geklärt, was auch Reinhart und Rogoff nie anders dargestellt haben.
Praktische Erfahrungen
Carmen Reinhart gehört zum vergleichsweise kleinen Kreis von Akademikern, die auch reichlich Erfahrung aus der Praxis vorweisen können. Sie war in den 1980er-Jahren Chefökonomin und Vice President der Investmentbank Bear Stearns und arbeitete mehrere Jahre für den Internationalen Währungsfonds. Heute ist die Ökonomin Mitglied des Congressional Budget Office Panel of Economic Advisers sowie des Economic Advisory Panels der Federal Reserve Bank of New York. Reinhart ist Minos A. Zombanakis Professor of the International Financial Sys-
tem an der Harvard Kennedy School.