Institutional Money Kongress 2020

G erhard Schröder kann mit Fug und Recht als der letzte große Sozialdemokrat Deutschlands – möglicherweise Europas – bezeichnet werden. Mit seinen Arbeitsmarktreformen rund um Hartz IV und generell seiner fern aller Dogmen gefahrenen Wirt- schaftspolitik – „Stichwort: Agenda 2010“ – machte er Deutschland de facto im Alleingang vom „kranken Mann Europas“ zum Konjunkturmotor der Euro- päischen Union. Sein politischer Werdegang verlief dabei unge- wöhnlich erfolgreich. Zweimal wurde er in Niedersachsen mit absoluter Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt, bevor er 1998 in die Bundes- politik wechselte und der Sozialdemokratie ab 1998 sechs Jahre lang die Kanzlerschaft sicherte, nicht zuletzt weil er sich dem von den USA initiierten Irakkrieg nicht anschloss. Insgesamt entschied er fünf Landes- und Bundeswahlen als Spit- zenkandidat für sich – für Deutschland ein Rekordwert. Nach seiner Kanzlerschaft wechselte der 1944 in Mossenbert-Wöhren geborene Schröder in die Energie- branche. Für seine Aufsichtsratsmandate beim Pipeline- Projekt Nord Stream AG sowie beim Ölgiganten Rosneft erntete er aus unterschiedlichen Lagern ebenso Kritik wie für seine persönliche Freundschaft mit Wladimir Putin. Schröder betonte wiederholt die Bedeutung russischer Energielieferungen für Deutschland und Europa, schon während seiner Kanzlerschaft habe er daher entspre- chende Projekte unterstützt. Aktuell rät der Altkanzler, der sich aus sehr bescheidenen Verhältnissen nach oben kämpfen musste, zu mehr Pragmatismus in der Klima- und Energiediskussion. Im Gespräch mit dem „Handels- blatt“ warnte er davor, die politische Debatte zu sehr von der Klimafrage dominieren zu lassen. Auch von einer übertriebenen Begeisterung für Elektromobilität hält er wenig, weil diese kurzfristig die bestehenden Techno- logien nicht vollwertig ersetzen könne. Enormes Charisma Gerhard Schröder ist ohne Zweifel ein Mann, der polarisiert; was aber weder Feind noch Freund bestrei- ten, ist die Tatsache, dass er eine ungewöhnlich charis- matische Persönlichkeit ist. Seine Reden sind immer messerscharf im Argument, manchmal – wie könnte es anders sein – provokant im Inhalt und ausnahmslos unerwartet in der Schlussfolgerung. Man könnte auch sagen: ein Starreferent wie aus dem Bilderbuch. 16 www.institutional-money.com DER KONGRESS FÜR INSTITUTIONELLE ANLEGER KONGRESS 2020 STARRE F ERENTEN AM I NST I TUT I ONAL MONEY KONGRESS 2020 Mann mit Agenda G E RHA R D S CHR Ö D E R Gerhard Schröder war der letzte SPD-Kanzler Deutschlands, seine „Agenda 2010“ gilt bis heute als Erfolgsprogramm, das aus dem „kranken Mann Europas“ die führende Exportnation des Kontinents machte. VORTRAG: 25. MÄRZ 2020 Plenum | 9:40–10:30 Uhr Herausforderungen einer globalen Energie- und Sicherheitspolitik Wie sich Europa und Deutschland in einem geopolitisch aufgeladenen Umfeld behaupten und ihre Rohstoffversorgung langfristig sichern können. F OTO : © S ON J A OCH / L A I F / P I C T U R E D E S K . COM Gerhard Schröder war von 1990 bis 1998 Ministerpräsident von Niedersachsen und von 1998 bis 2005 der siebente Bundeskanzler Deutschlands. Seit seinem Abgang aus der Politik bekleidet der gelernte Jurist Führungsfunktionen in der Energiebranche.

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