Institutional Money, Ausgabe 2 | 2023
D ie nach der Finanzkrise von 2008 geschaffenen Additional-Tier-1-Anleihen (AT1), auch Contin- gent Convertibles oder CoCo-Bonds genannt, warfen in guten Zeiten nette Renditen ab. Sie mussten aber als tiefste Stufe der Fremdkapitalpyramide auch damit rech- nen, nach den Aktionären zur Verlustabdeckung herange- zogen zu werden. Wird durch ein im Prospekt definiertes Ereignis wie dem Unterschreiten einer bestimmten Eigen- kapitalquote der Bond getriggert, werden CoCo-Bonds ent- weder in Bankaktien zwangsgewandelt oder zum Teil bezie- hungsweise ganz abgeschrieben. So weit, so bekannt. Schweizer Sündenfall Doch seit jenemWochenende, an dem die FINMA imKon- zert mit der Schweizer Bundesregierung die Zwangsverhei- ratung der CS mit der UBS beschloss und dabei die – auf- grund des hohen Emissionsvolumens sehr prominent in In- dizes und Fonds gewichteten – CS CoCos für wertlos erklär- te, ist Feuer amDach. CoCo-Bond-Eignern der Credit Suisse Group im Nominalwert von 16 Milliarden Franken wurde eine Totalrasur verpasst. Im Gegensatz zur bis dahin übli- chen Praxis gingen die in der Kapitalhierarchie noch tiefer stehenden CS-Aktionäre aber nicht leer aus. Sie konnten im- merhin zirka 22,47 CS-Aktien gegen eine UBS-Aktie – die Quote lag bei exakt 1 zu 0,0445 – eintauschen, was den meisten wohl dramatische, aber keine hundertprozentigen Kursverluste bescherte. Das entsprach am Tag der Verkündi- gung des Deals, dem 19.März 2023, immerhin 77,1 Rappen je CS-Aktie, als die UBS-Aktie ihrerseits bei 17,45 Franken stand. Insgesamt erhielten die CS-Aktionäre UBS-Aktien im Gegenwert von 3,47541 Milliarden Franken. Logischer und vor allem schonender für den zirka 240 Milliarden US-Dol- lar schweren CoCo-Bond-Markt wäre es gewesen, die AT1- Bond-Holder nicht total zu enteignen, sondern mit den Aktionären gleichzustellen. Dies ginge mit einer einfachen Rechtsfigur, indem man für eine logische Sekunde die 16 Milliarden Franken mit dem gleichen Umtauschverhältnis von 4,45 Prozent – und damit unter einem Verlust von 95,55 Prozent des Nennwerts – in CS-Aktien gewandelt hät- te, die dann auch zum Umtausch in UBS-Aktien berechtigt gewesen wären. Das hätte bedeutet, dass das Gesamt-CoCo- Bond-Nominale auf 712 Millionen Franken in CS-Aktien eingedampft worden wäre. Das hätte entweder zu einem um gut 20 Prozent höheren Kaufpreis für die UBS von 4.187,41 Millionen Franken geführt – oder bei gleichblei- bendem Kaufpreis von 3.475,41 Millionen zu einem ent- sprechenden Verwässerungseffekt bei den CS-Altaktionären, der sich dann auch in einer ungünstigeren Umtauschquote von um die 27:1 für alte und neue CS-Aktionäre niederge- schlagen hätte. Eine andere Variante hätte auf dem Verhält- nis von Nominalwert der CS-CoCos zum Buchwert der Credit Suisse aufsetzen können, um den Kapitalanteil der CoCo-Bond-Halter zu ermitteln und sie den CS-Aktionären gleichzustellen. Warum es nicht zu dieser oder einer ähnli- chen Lösung kam, ist unverständlich, weil man dadurch rechtlich besser abgesichert gewesen wäre als mit jener, mit der man schlussendlich an die Öffentlichkeit trat. Denn dies sorgt für eine jahrelange Prozesslawine, die auch vor der FINMA selbst nicht haltmacht und den spezialisierten An- waltskanzleien rund um den Globus ein hübsches Einkom- men beschert. Was sollen auch Großinvestoren wie Fonds- gesellschaften anderes tun, als alle legalen Wege auszuschöp- fen, agieren sie doch treuhändig für die Fondsanteilsbesitzer, in deren Sondervermögen sich diese toxischen Papiere befinden. Stattdessen rückte zuletzt auch der Präsident der Schweizerischen Nationalbank Thomas Jordan aus, um zu Für das Nischenrentensegment der tief nachrangigen Additional Tier 1 Bonds von Banken war der Fall „Credit Suisse“ ein Schlüsselereignis. Hat die Assetklasse überhaupt eine Chance, weiterzubestehen? Schweizer Sündenfall 186 N o . 2/2023 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | CoCo-Bonds FOTO: © PROFIFOTO.CH | MICHAEL KESSLER Einen Bärendienst hat die Schweizer Aufsicht FINMA dem Segment der CoCo- Bonds mit der Total- abschreibung der CS- AT1-Bonds geleistet. » Regulatoren werden den Bankensektor noch sicherer machen – zweifellos ein Vorteil für CoCo-Bond-Investoren. « Daniel Björk, Manager des Swisscanto (LU) Bond Fund Responsible COCO
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=