Institutional Money, Ausgabe 2 | 2023

E in Trend bei den in den letzten Jahren publizierten wissenschaftlichen Arbeiten ist rund um die Analyse der Performance von Investmentfonds zu beobach- ten. Immer öfter werden nämlich Studien publiziert, die mithilfe mathematisch-statistischer Methoden testen, ob bestimmte Theorien der Verhaltenswissenschaften wie der Psychologie in den Daten Bestätigung finden. Dank der Tiefe der Datenbanken in den USA in Bezug auf Fonds- manager sind von diesen sehr viele Persönlichkeitsmerkmale bekannt, die geradezu dazu einladen, Zusammenhänge zwi- schen Managementleistungen und beispielsweise Herkunft, Bildung, Geschlecht, Berufserfahrung und Familienstruktur zu untersuchen. So gibt es etwa eine Fülle von wissenschaft- lichen Erkenntnissen über den Zusammenhang zwischen Familienstruktur und der späteren Bildung von Human- kapital, insbesondere zur Rolle der Geburtsreihenfolge bei der Bildung von Persönlichkeitsmerkmalen. Alfred Adler war in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts der Erste, der darauf hingewiesen hat, dass Persönlichkeitsunterschiede mit der Geburtsreihenfolge zusammenhängen. Seither hat sich die Forschung in der Psychologie auf die Entwicklung von Thesen und deren empirische Über- prüfung in Bezug auf die Auswirkungen der Geburtsreihen- folge auf allgemeine Charaktermerkmale und die Folgen Jüngere Geschwister und ihr Hang zu Selbstdarstellung und Übertreibung Nicht nur unter Fondsmanagern fallen die Nachgeborenen nicht unbedingt angenehm auf. S tudien haben gezeigt, dass die Geburtsreihenfol- ge die Risikobereitschaft eines Individuums in verschiedenen Kontexten beeinflusst, sodass später geborene Individuen mit relativ riskantem Verhalten in der Jugend in Verbindung gebracht werden, wie Argys, Rees, Averett und Witoonchart 2006 in „Birth Order and Risk Adolescent Behavior“ belegten. Auch die Neigung zur Teilnahme an Risikosport- arten und die Bereitschaft, während des Spiels ein höheres Risiko einzugehen, ist bei jüngeren Geschwis- tern höher als bei älteren. Diesen Zusammenhang konnten Sulloway und Zweigenhaft 2010 in „Birth Order and Risk Taking in Athletics“ nachweisen. Belege finden sich auch für den größeren Wunsch nach mehr Sexualpartnern der Nachgeborenen bei Michalski und Shackelford in „Birth Order and Sexual Strategy“ von 2002. Ein Verhalten, das auf der Suche nach internen Sensationen ist, attestiert Zweigenhaft 2002 in „Birth Order Effects and Rebelliousness: Political Activism and Involvement with Marijuana“, während Roszkow- ski 1999 in „Risk Tolerance in Financial Decisions“ Nachweise für ein erhöhtes Treffen riskanter Entschei- dungen der später geborenen Geschwister findet. Auch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ist für jüngere Geschwister häufiger belegt. All diese Studien liefern Unterstützung für die These, dass spä- ter geborene Personen über eine höhere Risikobereit- schaft verfügen und im Vergleich zu Erstgeborenen ein auf Sensationen ausgerichtetes Verhalten an den Tag legen. Um die durch die Geburtsreihenfolge bedingten Unterschiede in der Persönlichkeit und die Konse- quenzen daraus zu erklären, wurde die Evolutions- theorie als Erklärung für die Auswirkungen der Geburtsreihenfolge von Sulloway 1995 in „Birth Order and Evolutionary Psychology“ vorgeschlagen. Diese Theorie betrachtet die Familie als einen Ort der begrenzten elterlichen Ressourcen, die auf die Geschwister verteilt werden können, was dazu führt, dass Geschwister um die knappen Ressourcen buhlen und den ressourcenreichsten Bereich anstreben. Das Aufwachsen in einer solchen Dynamik beeinflusst die Persönlichkeit der Geschwister, insbesondere deren Risikobereitschaft. Im Wettbewerb mit den Erstgebo- renen, die mehr Ressourcen auf sich ziehen können, entwickeln später geborene Manager eine ausge- prägtere Risikobereitschaft, um sich von ihren älteren Geschwistern zu unterscheiden, und weisen schließ- lich eine erhöhte Riosikotoleranz und ein auf Sensa- tionen ausgerichtetes Verhalten im Vergleich zu Erstgeborenen auf. Das belegen Sulloway 2001 in „Birth Order, Sibling Competition and Human Beha- vior“ sowie Brown und Grable 2015 in „Sibling Position and Risk Attitudes: Is Being an only Child Associated with a Person’s Risk Tolerance?“. Solche durch die Geburtsreihenfolge bedingten Verhaltensweisen sind langlebig, halten bis ins Er- wachsenenalter an und wurden sogar bei Personen in ihren 90ern beobachtet. Die vorliegende Studie unter- sucht anhand des Konstrukts der Geburtsreihenfolge, ob die Auswirkungen der konkurrierenden Familien- dynamik auf die Persönlichkeit bis in den Arbeits- markt fortbestehen. Konkret untersuchen die Autoren die Auswirkungen der Geburtsreihenfolge und der familiären Erfahrungen auf das Verhalten von Mana- gern in einem professionellen Geschäftsumfeld. Man glaubt es kaum: Es gibt tatsächlich Unterschiede im Handeln und Verhalten von Fondsmanagern, die performancerelevant sind – je nachdem, wo sie in der Geschwisterhierarchie stehen. Nesthäkchen meiden 108 N o . 2/2023 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Fondsmanager-Background

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