Kündigung droht? So reagieren betroffene Finanzprofis richtig
Nach einer Corona-bedingten Pause geht der weltweite Kahlschlag bei den Bankjobs weiter. Wie Betroffene taktisch klug handeln, weiß das Finanzjob-Portal "Efinancialcareers".


Wenn einzelne Banken Mitarbeiter en masse freisetzen, zählt jeder Tag! Trödelei kann teuer werden. Auf Zeit zu spielen, um beispielsweise eine möglichst hohe Abfindung herauszuschlagen, hält Personalberater Patrick Riske von Fricke Finance & Legal in Frankfurt laut "Efinancialcareers" für riskant. Nach Steuern und Abgaben blieben von einer Abfindung von 100.000 Euro vielleicht noch 50.000 Euro übrig. "Wenn man dann lange keinen neuen Job findet, sind die schnell verbraucht", warnt Riske. Wer sich hingegen frühzeitig auf dem Arbeitsmarkt orientiere, könne der Masse zuvorkommen. Je später man auftauche, desto eher werde man als Ladenhüter betrachtet.

Um einen neuen Job zu finden, gebe es im Grunde drei Wege, meint Riske. Betroffene können sich auf Karrierewebsites oder auf den Homepages anderer Banken und Finanzdienstleister umschauen. Weiter können sie Personalberatern ihre Verfügbarkeit signalisieren und drittens ihrem Netzwerk diskret bekannt geben, dass sie nach einer neuen Stelle suchen. "Viele Jobs werden heute unter der Hand vergeben", so Riske. Doch behutsames Vorgehen ist ratsam. Leute nach einem Job zu fragen, mit denen man zwei Jahre keinen Kontakt hatte, funktioniere nicht, warnt Karrierecoach Jochen Gabrisch.

Wer bei groß angelegten Personalmaßnahmen nicht ewig auf sein Zeugnis warten möchte, sollte schnellstmöglich – noch vor der großen Welle – nach einem Zwischenzeugnis fragen, empfiehlt Arbeitsrechtlerin Heike Kroll vom Verband "Die Führungskräfte" in Essen.
Ihrer Erfahrung nach sind die Personalabteilungen mit Massenentlassungen oft überfordert. Mitunter könne sich die Ausstellung eines Zeugnisses deshalb über Monate hinziehen – was die Startbedingungen für Jobsuchende erschwert. Normalerweise "riechen" Zwischenzeugnisse, die bei Bewerbungen eingereicht werden, nach Ärger. Bei in der Öffentlichkeit bekannten Massenentlassungen ist das jedoch anders, erklärt Kroll: Hier dürfte klar sein, dass die Trennung vom Mitarbeiter nichts mit der Person und deren Leistungen selbst zu tun hat.

Sich nach Jahren zum ersten Mal wieder auf eine neue Stelle zu bewerben, kostet Überwindung und Nervenkraft. Wer seine Unterlagen das letzte Mal noch per Post verschickt hat, dürfte einige Hausaufgaben vor sich haben, meint Riske. Der Personalprofi rät, den Lebenslauf auf den neuesten Stand zu bringen und ein professionelles Foto schießen zu lassen. Da viele Arbeitgeber heute standardmäßig Bewerber googeln, sollten auch die beruflichen Netzwerke und Einträge auf einschlägigen Karriere-Webseiten gepflegt werden.

Bei einem Aufhebungsvertrag geht es um viel Geld. Die rechtliche Situation zu durchschauen, ist für Laien fast unmöglich. Doch guter Rat ist teuer: So verlangt ein Rechtsanwalt bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 10.000 Euro schon bei einer außergerichtlichen Einigung schnell mal 2.500 Euro zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer, rechnet Heike Kroll in dem Beitrag von "Efinancialcareers" vor.
Hinzu kommt, dass eine Rechtsschutzversicherung oft nicht greift, da sie ohne den Ausspruch einer Kündigung meist keine Kostendeckung gewährt. "Mitglieder eines Berufsverbandes, der rechtlichen Service gewährt, müssen sich dagegen über die Kosten keine Gedanken machen", sagt Kroll. Wer vom Betriebsrat vertreten werde, könne sich diese juristische Zusatzkosten ebenfalls oft sparen.

Ein Kriterium für die Qualität eines Abfindungsangebots ist die Summe, die ein Arbeitgeber pro Jahr der Betriebszugehörigkeit anbietet. Dabei liege die Regelabfindung bei einem halben Monatsgehalt, erklärt Kroll: "Wenn der Faktor deutlich darüber liegt, kann oft auch ein Arbeitsrechtler nicht viel mehr herausholen." Generell gilt: Der größte Verhandlungsspielraum besteht, solange die Kündigung noch nicht ausgesprochen ist.

Falls es zum Rechtsstreit kommt, sind dokumentierte Informationen das A und O. Nur so könne ein Experte einschätzen, ob beispielsweise ein Kündigungsschutzverfahren Sinn macht, erläutert Kroll gegenüber "Efinancialcareers".
Bei einer Sozialauswahl würden das Alter, die Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen sowie eine etwaige Schwerbehinderung berücksichtigt. Betroffene sollten sich notieren, wie Kollegen bei diesen vier Kriterien abschneiden.
"Ich empfehle auch, Dokumente wie Organigramme oder interne Stellenausschreibungen auszudrucken, nachhause mitzunehmen und dort zu archivieren", sagt Kroll. Denn sobald man vom Arbeitgeber freigestellt werde, sei der Zugang zu solchen mitunter wichtigen Information versperrt.

Anstatt langwierige Rechtsstreitigkeiten zu riskieren oder hohe Abfindungen zu zahlen, bieten vor allem größere Unternehmen Betroffenen im Rahmen des "Trennungsmanagements" eine sogenannte Outplacement-Beratung zur beruflichen Neuorientierung an. "Ein Outplacement-Angebot würde ich auf keinen Fall ausschlagen", sagt Headhunter Marcus Michel von Contagi in Frankfurt – wobei er allerdings zu Einzel-statt Gruppen-Outplacements rät.
Die Unterschiede können gravierend sein. Einige Anbieter würden laut Michel Betroffenen nur technisches Wissen vermitteln, etwa wie man einen Lebenslauf verfasst oder wo man neue Jobs findet. Andere dagegen würden stärker ins Coaching gehen. Mancher Kandidat schätzt seine Jobchancen falsch ein. In einer solchen Situation könne eine Outplacement-Beratung helfen, ist Michel überzeugt.

Laut Michel sollte sich jeder Betroffene einen Plan A und B zurechtlegen. Plan A bestünde in einem vergleichbaren Job bei einer anderen Bank. Plan B seien dagegen andere Betätigungsfelder oder der komplette Wechsel der Branche. "In einigen Bereichen wie der Personalabteilung oder dem Controlling gelingt der Branchenwechsel wunderbar", sagt Michel. In anderen wie beim Vertrieb stelle der Wechsel eine größere Herausforderung dar.
Aber auch hier könnten Betroffene versuchen, beispielsweise im Asset Management unterzukommen. In jedem Fall sei es hilfreich, sich über seine Optionen bewusst zu werden – und die eigenen Kompetenzen ehrlich und objektiv einzuschätzen.

Viele Unternehmen aus der Finanzbranche gewähren Mitarbeitern eine Betriebsrente oder eine anders geartete Altersvorsorge. Doch so unglaublich es klingen mag: "Bei einem Aufhebungsvertrag berücksichtigen viele Leute die Betriebsrenten nicht und sind dann über die Auswirkungen erschrocken", warnt Kroll.
Ein vorzeitiges Ausscheiden führe je nach Altersvorsorgemodell zu ganz erheblichen Kürzungen der Betriebsrente, über die Betroffene sich bewusst sein sollten. Kroll empfiehlt, die Auswirkungen vor der Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber durchrechnen zu lassen.

Besonnenheit ist oberste Pflicht für alle, die mit einem möglichen Jobverlust konfrontiert sind. Wer selbst kündigt, dem droht eine Sperrung des Arbeitslosengeldes von einem Viertel des Bezugszeitraums. Auch bei der vorschnellen Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags geht ein Arbeitnehmer das Risiko ein, drei bis sechs Monate (je nach Alter und der dazugehörigen Bezugsdauer) vom Arbeitslosengeld ausgeschlossen zu werden.
"Wer ganz sicher gehen will, nimmt in den Aufhebungsvertrag auf, dass der Arbeitgeber das Risiko einer Sperrfrist übernimmt", rät Kroll. Denn wenn sich der Arbeitgeber ganz sicher ist, dass es zu keiner Sperrung kommt, könne er dies ja auch in den Vertrag aufnehmen.
Bereits vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie waren die Zeiten, in denen man als Angestellter einer Bank oder Sparkasse einen sicheren und gut bezahlten Job hatte, passé. Mit den von den Banken rund um den Globus zu Monatsbeginn angekündigten Streichungen summiert sich der Stellenabbau in der Branche mittlerweile auf mehr als 68.000 Positionen, wie aus Daten hervorgeht, die von Bloomberg zusammengestellt wurden. Die Institute verweisen in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit, die Ausgaben zu senken, um Kosten für Kreditausfälle während der Pandemie auszugleichen, sowie auf Ausgaben für die Einhaltung strengerer Vorschriften und Investitionen in digitale Technologie.
Die Redaktion des Finanzjob-Portals "Efinancialcareers" hat sich bei Personalberatern und Karrierecoaches umgehört, was Betroffene tun können und wie man richtig regiert, wenn man auf die "Abschussliste" gerät– klicken Sie sich durch unsere Fotogalerie oben. (ps/mb)