Institutional Money, Ausgabe 4 | 2025
den Ruhm des Autorenduos begründen sollte, ans Herz gelegt. Zum Hintergrund: 1989 entwickelte Paul Romer das Modell der wachsenden Gütervielfalt, doch nicht alle Forscher stimmten seinem Ansatz zu. In Romers Modell wird angenommen, dass wirtschaftlichesWachstumdurch die Zunahme der Zahl an Zwischenprodukten entsteht. Philippe Aghion und Peter Howitt wählten einen ande- ren Zugang. Sie postulierten, dass alte Güterarten regel- mäßig und schrittweise durch neue ersetzt werden – ein Prozess, den Joseph Schumpeter als „schöpferische Zerstö- rung“ bezeichnete. Der Lebenszyklus von Innovationen ist GDKHU EHJUHQ]W XQG GLHPLW HLQHU QHXHQ (UljQGXQJ YHUEXQ- dene Monopolmacht kann nur vorübergehend bestehen. Auf dieser Grundlage entwickelten sie das Aghion-Howitt- Modell, das auch als „Quality LadderModel“ bekannt ist. Es erschien erstmals 1990 als NBERWorking Paper unter dem Titel „AModel of Growth Through Creative Destruction“. In der Gegenwart angekommen 2022 haben die beiden Autoren ihre Thesen in „Creative Destruction und US Economic Growth“ auf die nahe Gegenwart umgelegt. Die Kernthese lautet, dass die US- Wirtschaft in eine Phase der postschöpferischenZerstörung eingetreten ist: „Superstar-Firmen ist es gelungen, den Pro- zess der schöpferischen Zerstörung in einer großen Breite an Branchen zu unterbinden“, erklärt Aghion. Die US-Wirtschaft hat deshalb seit Mitte der 2000er-Jahre einen deutlichen Produktivitätsrückgang erlebt. Während in den 1990er-Jahren der digitaleWandel einen Innovations- schub auslöste, ist der Prozess der „schöpferischen Zerstö- rung“ inzwischen spürbar ins Stocken geraten. Philippe Aghion und Peter Howitt sehen die Ursache nicht – wie zum Beispiel Robert Gordon – in einer Erschöpfung tech- nischer Potenziale, sondern in der wachsendenMarktmacht sogenannter Superstar-Unternehmen. Firmen wie Apple, Google oder Amazon dominieren ihre Branchen derart, dass sie den Innovationszyklus zunehmend selbst bremsen. In vielen Sektoren existieren deshalb nur nochwenige hoch- produktive Marktführer, die mit erheblichem technologi- VFKHP 9RUVSUXQJ XQG ljQDQ]LHOOHU 6WÌUNH YHUKLQGHUQ GDVV neue Wettbewerber überhaupt entstehen. Aghion undHowitt unterscheiden dabei zwischen einem automatischen und einem strategischen Mechanismus der Innovationsblockade. Der erste wirkt strukturell – je grö- ßer die Dominanz einzelner Akteure, desto geringer der Anreiz für Nachzügler, selbst zu investieren. Der zweite ist gezielt: Über Übernahmen, Patentstrategien, politische Ein- ijXVVQDKPH XQG 35.DPSDJQHQ VLFKHUQ GLH 3ODW]KLUVFKH ihre Stellung und blockieren die nächste Innovationswelle. Die Folgen sind einRückgang desWettbewerbs, eine wach- sende Konzentration der Gewinne und eine sinkendeGrün- dungsdynamik. In denUSA sank der Anteil neu gegründe- ter Unternehmen von rund 14 Prozent in den 1980er-Jahren auf etwa acht Prozent in den 2010er-Jahren, während die Marktkonzentration und Gewinnmargen deutlich stiegen. Die einstige Stärke des amerikanischen Kapitalismus – die ständige Erneuerung durch disruptive Innovation – wird so zumOpfer ihres eigenen Erfolgs. Oder wie Howitt es formuliert: „Wie Schumpeter sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der schöpferischen Zerstörung umeinen Prozess handelt, der von Beginn an die Saat seiner potenziellen Zerstörung in sich trägt.“ Für die Autoren steht somit das gegenwärtig vorherr- VFKHQGH ,QQRYDWLRQVPRGHOO GHU RȬHQHQ 0DUNWZLUWVFKDIW auf dem Prüfstand. Die digitale Revolution hat kurzfristig (ȯ]LHQ] XQG 3URGXNWLYLWÌW HUKĆKW ]XJOHLFK DEHU 6WUXNWX- UHQ JHVFKDȬHQ GLH GHQ :HWWEHZHUE ODQJIULVWLJ OÌKPHQ Aghion und Howitt plädieren daher für eine neue Indus- triepolitik, die gezielt innovationsorientierte Regulierung undWettbewerbsanreize verbindet – etwa durch eine wett- bewerbsfreundliche Ausrichtung des Kartellrechts und eine Förderung grüner Technologien. Nur wenn der Staat den Kreislauf der schöpferischen Zerstörung wieder in Gang setzt, bleibt die Fähigkeit zur Erneuerung, die den west- lichen Wohlstand einst begründet hat, auch künftig erhalten, so die These. HANS WEITMAYR Im Würgegriff der Magnificent Seven Zu erfolgreich für das Wohl der Volkswirtschaft? Der Anstieg der Mag7-Marktkapitalisierung korreliert ziemlich genau mit dem Nieder- gang der US-Produktivität. Aghion und Howitt argumentieren, dass diese Superstar-Firmen es geschafft haben, den Wettbewerb signifikant zu untergraben. Quelle: macromicro.com 0 % 8 % 16 % 24 % 32 % 40 % 2024 I 2020 I 2016 I 2012 I 2008 I 2004 I 2000 Billionen US-Dollar US - Magnificent Seven (% of S&P 500 Market Cap) US - Magnificent Seven Total Market Cap 0 5 10 15 20 25 » Wie Schumpeter sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der schöpferischen Zerstörung um einen Prozess handelt, der von Beginn an die Saat seiner potenziellen Zerstörung in sich trägt. « Peter Howitt, Nobelpreisträger 2025 94 N o . 4/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Nobelpreisträger FOTO: © NIKLAS ELMEHED | NOBEL PRIZE OUTREACH
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