Institutional Money, Ausgabe 4 | 2025
Entkopplung und Machtverlust Noch deutlicher wird dieser Übergang, wenn man sich ansieht, wie Länder bei weiter steigendenZöllen ihreWech- selkursbindungen verlagern (siehe Chart „Neues Währungssys- tem“) . Bei Zollniveaus oberhalb von 26 Prozent beginnen Staaten systematisch vom Dollar zum Euro zu wechseln. Das Modell erklärt diesen Schritt nicht durch politische Präferenzen, sondern durch Risikoeigenschaften: Sobald die USA sich durch hohe Zölle teilweise vom weltweiten Austausch abkoppeln, verliert der Dollar jene Korrelation mit globalen Stressphasen, die ihn zur bevorzugten Reser- vewährung gemacht hat. Der Euro, als zweitgrößte inte- grierte Wirtschaftszone, übernimmt schrittweise die Rolle des neuen Ankers – zumindest in diesem Modell. In der Praxis dürfte eine solche Verlagerung schwierig sein. Wahr- scheinlich hätte der Renmimbi eine größer Zugkraft als die Einheitswährung. Insgesamt dürfte es jedenfalls zu globalen Entkopplungstrends kommen (siehe Chart „Weg vomDollar“) . Für das globale System wäre ein derartiger Übergang alles andere als kostenneutral. Die Autoren berechnen, dass eine Verschiebung der Ankerfunktion – einmal aus- gelöst – mit deutlichen globalen Wohlfahrtsverlusten ver- bunden ist. Der Grund: Das bisherige System, das stark um denDollar herumorganisiert war, erzeugte eine konsistente Struktur globaler Risikoteilung. Diese Struktur geht verlo- ren, wennWährungsbindungen gelockert oder aufgegeben werden. Die Kapitalallokation wird volatiler, und kleinere Volkswirtschaften verlieren die bisherige Sicherheit einer stabilen Ankerwährung. Die USA wiederum verlieren einen Teil ihres Finanzie- rungsvorteils und ihres Zugangs zu globalem Kapital. Die Autoren weisen darauf hin, dass ihre Resultate nicht als Prognose imengen Sinn verstandenwerden sollen. Viel- mehr handelt es sich um eine konsistente Modellierung der Mechanismen, die aus der Kombination von Handels- hemmnissen und währungspolitischer Stabilisierung ent- stehen. Die internationale Rolle des Dollars ist wesentlich handelsabhängiger als bisher gedacht. Gleichzeitig zeigt die Kalibrierung, dass die Schwellen- werte für eine Abkehr vom aktuellen System nicht beson- ders hoch liegen. Bereits mittelstarke, aber länger anhal- tende Maßnahmen im Rahmen einer protektionistischen US-Handelspolitik haben Auswirkungen auf Safe-Haven- (LJHQVFKDIWHQ =LQVGLȬHUHQ]HQ XQG .DSLWDOVWUĆPH 8QG ab hohen Zollniveaus – der Schwellenwert imModell liegt bei 26 Prozent – verändert sich die Struktur des Weltwäh- rungssystems in kurzer Zeit und nicht linear. Damit wird Napiers These unterstützt, wonach der Sturz der aktuellen Weltwährungsordnung relativ zeitnah erfolgen könnte. Kaffee und neue Dollar-Realität Mit seiner Zollpolitik wollte Trump die eigene Wirtschaft und Industrie stärken. Bedenken bezüglich steigender Preise wischte er vom Tisch. Vielmehr wies er immer wie- der auf die zusätzlichen Zolleinnahmen hin, die die Schul- denlast der USA reduzieren sollten. Die Ergebnisse der Studie deuten aber darauf hin, dass Handelsschranken unmittelbar zu einemklaren Bedeutungsverlust des Dollars führen. Gerade die Dollar-Dominanz, die auch immer wie- der als globale pseudoimperiale Steuer beschrieben wird, hat jedoch jahrzehntelang zu einer starkenNachfrage nach Greenbacks und Treasuries geführt, was die Rollierung der in Dollar denominierten Schulden vereinfacht hat. Sollte GLHVHU (ȬHNW ZHJIDOOHQ KÌWWH GDV .RQVHTXHQ]HQ 'HU ELV- lang eingetreteneWertverlust, der beispielsweise gegenüber demEuro unterjährig bei bis zu 15 Prozent lag, könnte sich nachhaltig etablieren, während Investoren höhere Risiko- prämien für Dollar-Anleihen verlangen. Trump hätte den Schuldenstress damit nicht reduziert, sondern angehoben ł JHQDXVR ZLH GLH .DȬHHSUHLVH HANS WEITMAYR Neues Währungssystem Im Modell treiben US-Zölle Drittländer in die Arme des Euro. Steigen Zölle über einen Schwellenwert, wird es für kleine Volks- wirtschaften wohlfahrtsoptimal, ihre Währungsstabilisierung vom Dollar auf den Euro auszurichten. Quelle: „Trade War and the Dollar Anchor“ -0,05 0,00 0,05 0,10 0,15 40 I 30 I 20 I 10 I 0 Stabilität Landes-Wohlfahrt Globales Risiko Weg vom Dollar Wie sich im Modell die Währungsdominanz verschiebt. Mit steigenden Zöllen passen viele Länder ihre Wechselkursstrate- gie an, wechseln zwischen harter oder weicher Dollarbindung bezie- hungsweise entkoppeln komplett. Quelle: „Trade War and the Dollar Anchor“ 0 0,5 Zoll = 50% I Zoll = 30% I Zoll = 17% I Zoll = 12% I Zoll = 0% Anteil Welt-BIP Weiche Dollar-Bindung Weiche Euro-Bindung Harte Dollar-Bindung N o . 4/2025 | institutional-money.com 125 Handelskrieg und Dollar | THEORIE & PRAXIS
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