Institutional Money, Ausgabe 2 | 2025
als Schutzinstrument schmälert. Zugleich wächst der politi- sche Druck auf die Fed, stärker und schneller zu lockern, als es die konjunkturelle Lage nahelegt. Für eine weitere Dollarschwäche spricht: Der Dollar ist im historischen Vergleich langfristig immer noch relativ teuer (siehe Chart „Einfach nur eine Rückkehr zum historischen Durchschnitt?“) . Und: Der US-Aktienmarkt hat in den ver- gangenen fünf Jahren eine deutliche Überrendite gegenüber dem globalen Durchschnitt erzielt. Das hat internationale Investoren in großem Stil in US-Assets getrieben – eine Kon- zentration, die sich nun als Verwundbarkeit entpuppt.Denn sollte das Vertrauen in die politische Steuerungsfähigkeit der USA weiter sinken, droht eine Verstärkung der Korrelation zwischen fallenden US-Aktienkursen und einem schwä- chelnden Dollar. „Nach ökonomischer Lehrmeinung müsste jene Wäh- rung aufwerten, die neue Zölle verhängt“, so Eschweiler – sei es durch steigende Nachfrage nach sicheren Häfen, sei es als marktseitiger Ausgleich für teurere US-Importe. Diese An- nahme ging unter Trump 1.0 weitgehend auf. Unter Trump 2.0 fällt der Greenback jedoch – parallel zur Eskalation der Handelsspannungen. Das Vertrauen in die USA ist also sichtbar erodiert, und die jüngste Zuspitzung im Handels- kon ikt führte laut QCAM zu einem seltenen Gleichklang von Ausverkäufen bei US-Staatsanleihen und dem Dollar. Dieses Muster ist eher aus Schwellenländern in Stressphasen bekannt – oder aus Großbritannien im Herbst 2022, als Premierministerin Truss mit ihrem überhasteten „Mini-Bud- get“ eine Vertrauenskrise auslöste. Der Totgesagten-Effekt Trotz allem ist der Dollar nicht beliebig austauschbar. Als Transaktionswährung für Rohsto e, globalen Warenverkehr und Kapitalmärkte ist er laut einer Einschätzung von Thomas Hempell, Head of Macro & Market Research bei Generali AM, „ohne Alternative“. Diese Einschätzung unter- stützt auch das Analyseteam von LBBW: Die US-Finanz- märkte bieten demnach weiterhin eine Größe, Tiefe und Innovationskraft, wie sie kein anderer Markt erreicht (siehe Chart „Dollar (immer noch) allmächtig“) . Auch die wirtschaftlichen Fundamentaldaten sind laut Generali robuster, als manche vermuten. Der Arbeitsmarkt präsentiert sich bis in den April hinein erstaunlich stabil, und die gefürchteten Finanzmarktverwerfungen blieben bi- slang aus – ein Indiz für die institutionelle Verankerung des Systems. Auch deshalb widersteht die Fed bislang dem poli- tischen Drängen seitens der US-Präsidentschaft, die Zinsen zu senken. Sie wird erst dann agieren, wenn sich die kon- junkturelle Großwetterlage deutlich eintrübt – also wenn der Arbeitsmarkt kippt und damit auch die In ationsrisiken nachlassen. Ebenso unwahrscheinlich ist aktuell ein abrupter Verkauf von US-Dollar-Reserven durch große Zentralban- ken. Zu hoch wären die damit für die einzelnen Staaten ver- bundenen Wechselkursrisiken. Stellt sich die Frage nach Alternativen zum Dollar. Viel- leicht der Euro? Hier winkt man bei Generali ab: Zwar hat der skalische Kurswechsel in Deutschland dem Euro eben- so Auftrieb verliehen wie die angekündigten Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur, doch strukturelle Proble- me lassen sich nicht einfach weg nanzieren. Ohne politi- schen Integrationswillen wird die Eurozone auch künftig nicht das Vertrauen genießen, das demDollar innegewohnt hat und ja noch immer nicht vollends zerstört ist. „Solange ein integrierter Kapitalmarkt fehlt, bleibt der Euro syste- misch unterlegen“, so die Einschätzung Hempells. Niemals eine gute Krise vergeuden … Einen weiteren Denkanstoß liefert in diesem Zusammen- hang Gautam Kalani, bei RBC Bluebay AM Emerging Mar- kets Währungsstratege und Portfoliomanager: Gleichzeitig mit der Dollarschwäche ortet er Potenzial für lokale Emer- ging-Markets-Anleihen. Während die klassischen Rückzugs- währungen das erste Ziel der Kapitalrückführung waren, zeichnet sich nun eine breitere Bewegung ab. Lokale Schwellenmärkte rücken demnach ins Zentrum strate- gischer Überlegungen. Diese Entwicklung ist nicht bloß ein Folgephänomen, sondern Ausdruck eines aktiven Such- prozesses nach Anlageklassen, die sowohl Renditepotenzial als auch Diversi kation bieten. Zahlreiche aufstrebende Volkswirtschaften weisen stabile In ationspfade, hohe Real- zinsen und solide Zentralbanken auf. In Ländern wie Brasi- lien oder Indien sind die Leitzinsen relativ hoch, die Preis- niveaus verankert und die skalische Situation unter Kon- trolle. Gleichzeitig erö nen die erwartbaren Wachstums- einbußen infolge der US-Zollpolitik geldpolitischen Spiel- raum. Zinssenkungen würden hier nicht als Zeichen von Schwäche gelesen, sondern als aktives Management makro- ökonomischer Balance. Anders als in früheren Risikoepisoden zeigen sich viele Emerging-Markets-Währungen laut Kalani „derzeit bemer- kenswert stabil“. Während man früher in globalen Stress- phasen eine massive Abwertung erwarten konnte, bleibt die- se bislang aus. Der Unterschied liegt in der Quelle der Un- sicherheit. Diesmal geht die Risikowahrnehmung nicht von Schwellenländern aus, sondern vom Zentrum des Systems – von den Vereinigten Staaten selbst. Das erö net den Zen- tralbanken der Emerging-Markets-Welt die Möglichkeit, sich auf die Wachstumsseite zu konzentrieren. Zudem pro tie- ren laut dem Schwellenländerexperten viele Volkswirtschaf- 86 N o . 2/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Weltreservewährung » Die Finanzkrise 2008/09, die ihren Ursprung in den USA hatte (…), stürzte den US-Dollar keineswegs. Heute sind die Rahmenbedingungen aber anders. « Bernhard Eschweiler, Senior Economist QCAM Currency
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