Institutional Money, Ausgabe 2 | 2025
R ussell Napier war wieder einmal der Erste, der sich aus dem Fenster gelehnt hat. Der britische Finanz- historiker, der bereits die große Finanzkrise von 2008 prognostiziert hatte, erklärte 2024 im Interview mit Institutional Money (Link siehe QR-Code rechts) , er erwarte binnen zwei Jahren das Ende des aktuellen Währungs- regimes – eine These, die er während seiner Keynote Speech am Institutional Money Kongress 2025 weiter ausführte.Der Gründer der „Library of Mistakes“ geht von einer Spaltung in eine US-Dollar- und eine Yuan-dominierte Welthälfte aus. Eingebettet wurde das in die Prognose, dass Peking in die- sem Zusammenhang bereits im August 2024 einen Abwer- tungszyklus eingeleitet hat, der aus Sicht der Schotten je- doch wirkungslos blieb: Die breit gefasste Geldmenge wächst gerade einmal mit sieben Prozent pro Jahr – ein his- torischer Tiefstand seit Beginn der Datenreihe 1996. Napier betont: „In der langen Geschichte Chinas haben wir noch nie ein so niedriges Wachstum der Geldmenge gesehen.“ Die o ziellen Wachstumsziele stünden in eklatantem Widerspruch zur realen Kreditdynamik, was sich auch in einer invertierten Zinsstrukturkurve widerspiegle – ein in China bislang unübliches Signal wirtschaftlicher Schwäche. Doch während China die geldpolitische Kontrolle über den Renminbi behalten will, kann es die ökonomischen Konsequenzen nicht länger externalisieren. Eine Freigabe des Wechselkurses mit gleichzeitiger Ausweitung der Geldmen- ge könnte das Wachstum kurzfristig stabilisieren,würde aber einen Kursverfall des Yuan bedeuten – mit massiven Auswir- kungen für den Westen.Napier ist überzeugt: „Wenn China die Freiheit erhält, beliebig Geld zu drucken, wird es zu wei- teren Handelszöllen kommen.“Die Weltwirtschaft stehe da- mit vor einem strukturellen Zielkon ikt: Entweder akzep- tiert man die Entwertung des Yuan – und damit de ationä- ren Druck auf die eigene Industrie – oder man reagiert mit protektionistischen Gegenmaßnahmen. Entdollarisierung Napier sieht die westlichen Märkte insgesamt in einer „Kapitalkrise“, nicht nur in einer geopolitischen. Besonders Frankreich rückt in seiner Analyse ins Zentrum. Mit einer Gesamtverschuldung des nicht nanziellen Sektors von über 330 Prozent des BIP und einer internationalen Nettoinves- titionsposition von minus 33 Prozent sei das Land massiv von ausländischem Kapital abhängig. Mehr als die Hälfte der französischen Staatsanleihen werden von ausländischen Investoren gehalten – bei einem Staatsausgabenanteil von 58 Prozent des BIP. Ohne Zugri auf deutsche Ersparnisse – etwa über Anleihenemissionen auf EU-Ebene – sei Frank- reichs skalische Position langfristig nicht haltbar. Und doch spricht aus Napiers Sicht alles für eine Rückverlagerung der Fiskalpolitik auf eine nationale Ebene, nicht für mehr Integration: Kapital kehrt zurück in nationale Strukturen, Währungsreserven werden politisiert, skalische Souveränität wird zur strategischen Ressource.Was daraus folgt, wäre eine tektonische Verschiebung im globalen Kapitalgefüge, die die These einer schleichenden Entdollarisierung der Welt ver- stärken würde. Angeschlagenes Vertrauen Diese Prognose machte Napier am 2. April – wenige Stun- den darauf erfolgten die ersten Zollankündigungen, der US- Dollar-Index verlor 5,3 Prozent – ein Ausschlag, der ihn un- ter die Untergrenze seiner zweijährigen Handelsspanne drückte. Seither hat sich der Index zurückgekämpft, er steht jedoch weiterhin unter Beobachtung. Entscheidend ist aus Sicht von QCAM Currency Asset Management nicht der Der Dollar wurde als Weltwährung schon des Öfteren totgesagt. Während das laut Sprichwort für ein prolongiertes Weiterleben sprechen würde, spricht diesmal dagegen, dass die USA selbst am Ende der Weltwährungsordnung mitwirken. Requiescat in Dollar? KONGRESS 2025 INSPIRED BY 84 N o . 2/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Weltreservewährung FOTO: © BRENDAN MACNEILL » Wenn China die Freiheit erhält, beliebig Geld zu drucken, wird es zu weiteren Handelszöllen kommen. « Russel Napier, Finanzhistoriker, am 2. April 2025 auf dem IMK Russell Napier im Interview: IM 03/24: im-online.com/ NAP225
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