Institutional Money, Ausgabe 2 | 2025
so eine Balance und eine gewisse Unabhängigkeit von den USA zu scha en. Dies ist heute wichtiger denn je. Auf der anderen Seite gab es zuletzt zwei bemerkenswerte Ereignisse in Sachen KI-Kontrolle. Max Schrems verklagte Meta wegen der Datennutzung fürs KI-Training, und in den USA gab es ein Gerichtsurteil gegen Anthropic, das ja Amazon gehört. Sehen Sie darin möglicherweise nicht eine Gegenbewegung? Sandra Wachter: Ich ho e sehr, dass es tatsächlich eine Ge- genbewegung gibt.Wenn Max Schrems etwas unternimmt, unterstütze ich das in der Regel, denn ich bin ein großer Fan seiner Arbeit. Ohne ihn wären wir heute nicht da, wo wir sind. Seine Disziplin und sein Durchhaltevermögen sind bewundernswert. Allerdings ist derzeit schwer abzuschätzen, in welche Richtung sich die Rechtsprechung entwickeln wird. Die geopolitische Situation beein usst leider stark, wie Richter derzeit entscheiden – man sieht es deutlich in Groß- britannien und auch in der Europäischen Kommission, die zuletzt massivem Druck der USA nachgegeben hat. Ich ho e also sehr, dass Schrems Erfolg haben wird und am be- tre enden Tag der richtige Richter die Sache behandelt. Ähnliche Entwicklungen beobachte ich in den USA,wo vor der jüngsten Machtübergabe noch vielversprechende Kartellrechtsverfahren gegen Tech-Konzerne angestoßen wurden. Diese Dynamik ist inzwischen leider wieder ein- geschlafen. Insgesamt bin ich daher skeptisch, dass sich in den nächsten Jahren viel in Richtung Regulierung bewegen wird. Welche Art von Druck meinen Sie? Sandra Wachter: Sowohl die direkte als auch die indirekte Ein ussnahme. Ein konkretes Beispiel ist die KI-Haftungs- richtlinie, die die EU-Kommission vor einiger Zeit auf den Weg gebracht hat. Doch Anfang dieses Jahres kritisierte die US-Vizepräsidentschaft ö entlich, Europa reguliere viel zu stark und müsse dies reduzieren, wenn man weiterhin gute Beziehungen zu den USA p egen wolle. Zwei Tage nach dieser Äußerung wurde das gesamte Projekt gestoppt – ein eindeutig kausaler Zusammenhang. Auch in Großbritan- nien sind ähnliche Entwicklungen sichtbar. Es gibt sowohl o enen, direkten Druck – etwa wenn Behörden ihre regu- latorischen Aufgaben zurückfahren – als auch subtilere Ein- üsse. Beispielsweise berichten Bibliotheken, dass sie indirek- ten Druck erhalten, bestimmte Bücher aus den Regalen zu nehmen. Dies hat schon fast Orwell’sche Züge. Es zeigt sich deutlich, dass diese neue Machtsituation Auswirkungen auf viele Lebensbereiche hat – weit über den Tech-Sektor hinaus –, insbesondere auf grundlegende Werte wie Gleichheit, Fair- ness, Transparenz und Verantwortlichkeit. Wenn wir das Ganze noch einmal konkret auf die KI-Thematik fokussieren: Welche konkreten Sorgen haben Sie bezüglich fehlen- der Regulierung? Welche Missbrauchsszenarien befürchten Sie? Sandra Wachter: Ich habe zwei wesentliche Sorgen: einmal ex ante und einmal ex post. Ex ante, also bevor KI-Produkte Austro-KI-Forscherin in Oxford tige Österreicherin Sandra Wachter ist Professorin für e und Regulierung an der University of Oxford am Ox- net Institute und Humboldt-Professorin für Technologie ierung am Hasso-Plattner-Institut. Am Oxford Internet eitet und koordiniert sie das Forschungsprogramm rnance of Emerging Technologies (GET), das sich mit rechtlichen und ethischen Implikationen von KI, Big Data Robotik befasst. Sie berät Regierungen, Unternehmen NGOs und publiziert in führenden Fachzeitschriften, da- r Science und Nature , mit Fokus auf rechtliche, ethi- und technische Aspekte von KI. Sie ist Mitglied und as- tes Mitglied zahlreicher Institutionen – dazu gehören u. erkman Klein Center for Internet & Society an der Har- ersity , das Global Futures Council on Values, Ethics and des Weltwirtschaftsforums oder die UNESCO . Die gebür Technologi ford Inter und Regul Institute l Gove den oder und runte sche soziier a. das B vard Univ Innovation 72 N o . 2/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Sandra Wachter | Universität Oxford FOTO: © NIKOLA HAUBNER » Die geopolitische Situation beeinflusst leider stark, wie Richter derzeit entscheiden – man sieht es deutlich im UK und auch in der Europäischen Kommission, die zuletzt massivem Druck der USA nachgegeben hat. « Prof. Sandra Wachter, Oxford
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