Institutional Money, Ausgabe 2 | 2025

D ie Klimathematik beziehungsweise -problematik zählt zu den Reizthemen unserer Zeit. Wer sich damit beschäftigt, erregt unweigerlich Aufmerk- samkeit. Das zeigte kürzlich auch Allianz-Vorstandsmitglied Günther Thallinger, der in einem viel beachteten LinkedIn- Artikel die Befürchtung äußerte, dass zunehmende Extrem- wetterereignisse aufgrund steigender globaler Durchschnitts- temperaturen dazu führen könnten, dass die Versicherbarkeit von Immobilien in einigen Regionen zukünftig gefährdet ist. Das wiederum könnte auch für die Finanzmärkte und sogar für den Kapitalismus insgesamt bedrohlich werden. Verkürzt dargestellt könnte man Thallingers Bedenken so zusammenfassen: Wenn Immobilien nicht oder nur teuer versicherbar sind, wird es auch schwierig bis unmöglich, sie fremdzu nanzieren. Das hätte massive Auswirkungen auf die wirtschaftlich wichtigen Immobilienmärkte und damit auch auf viele andere Branchen. Ein Quanti zierung, wie hoch der Prozentsatz an derart gefährdeten Immobilien sein könnte, ist zwar nicht leicht, in dicht verbauten Küstenregio- nen dürfte er aber hoch sein. So warnte etwa das australi- sche Climate Council im April, dass mehr als 70.000 Häuser und Geschäftsimmobilien in Hochrisikozonen lägen und damit kaum oder gar nicht versicherbar seien. Die Zahl der Grundstücke, die ein moderates bis hohes Risiko aufweisen, von Extremwetterereignissen beeinträchtigt zu werden, bezif- fern die Australier mit 2,2 Millionen, was etwa zehn Prozent des Gesamtbestands entspricht. Auch in den USA konzen- triert sich die Besiedelung auf die Küsten, und einige große Versicherer haben sich aus bestimmten Regionen wie Kali- fornien, Florida oder Texas wegen Waldbrand- oder Wirbel- sturmgefahr zurückgezogen beziehungsweise bieten keine neuen Policen mehr an. Staatliche Ersatzlösungen wie der California FAIR Plan oder die Citizens Property Insurance in Florida bieten nur eingeschränkten Schutz. Glaubt man den Angaben führender Rückversicherer wie Swiss Re oder Munich Re, haben sich die Schadenssummen infolge von Wetterkatastrophen in den letzten 25 Jahren auf mehr als 100 Milliarden US-Dollar etwa verdreifacht, die Prämieneinnahmen sind im selben Zeitraum deutlich lang- samer gestiegen. Das jährliche Plus bei Sachversicherungs- prämien liegt in den entwickelten Volkswirtschaften im Bereich zwischen zwei und vier Prozent. Nun gibt es ein Faktum, das überhaupt nicht in dieses Bild passt: Die Aktienkurse sehr vieler Versicherungsunter- nehmen entwickeln sich seit vielen Jahren prächtig. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder haben die Versicherer die Problematik längst er- kannt und gelöst, indem sie ihre Geschäftsmodelle angepasst (andere Sparten wie „Leben“ oder „Kranken“ forciert), ihre Prämien erhöht oder ihre Tarife angepasst haben (mehr Selbstbehalt und weniger Deckungsumfang) beziehungs- weise Risiken mit Instrumenten wie Cat Bonds ausgelagert haben. Oder wir sind Zeugen eines gewaltigen Marktver- sagens. Letzteres wäre dann der Fall, wenn die für die Versi- cherungs- und die Rückversicherungsbranche bestehenden Klimarisiken nicht in den Aktienkursen abgebildet werden. Für institutionelle Investoren dürfte es jedenfalls sinnvoll sein, das eigene Portfolio unter diesem Gesichtspunkt zu durchleuchten – das betri t die Versicherungsaktien, die man hält, ebenso wie die Immobilien. Der erwähnte Höhen ug der Versicherungsaktien wurde nämlich in der letzten Dekade einmal bei fast allen Titeln scharf unterbro- chen: Bei Ausbruch der Pandemie sahen viele Kurse Rück- setzer in der Größenordnung von bis zu 50 Prozent. Gerhard Führing und Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Markt versagen ? BRIEF DER HERAUSGEBER 4 N o . 2/2025 | institutional-money.com

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