Institutional Money, Ausgabe 2 | 2025
D ie Vermutung ist, dass das Geld bei der ö entli- chen Hand jetzt lockerer sitzt. Zum einen dürfte dies angesichts der großen Aufgaben, die Europa und die einzelnen Mitgliedsstaaten zu stemmen haben, der Fall sein; zum anderen, weil die Verschuldungsmöglichkei- ten deutlich erweitert wurden. In Deutschland kam es zu- nächst zur Lockerung der deutschen Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, und kurz darauf wurde zusätzlich das Sondervermögen Infrastruktur eingerichtet. Bündnis 90/ Die Grünen ist es dann noch gelungen, es deutlich in Rich- tung Verwirklichung der Klimaneutralität bis 2045 nach- zuschärfen, obwohl die Partei in der Bundestagswahl 2025 lediglich auf 11,6 Prozent der Stimmen kam. Die 500 Mil- liarden Euro, die jetzt für Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 ausgegeben werden dürfen, sind für die stockende Wirtschaft vermutlich kein Pappen- stiel.Wie Investoren dies sehen und ob sie ihre Allokationen in der Kapitalanlage daraufhin verändern und womöglich ihre Nachhaltigkeits-Brille anders schärfen, das haben wir sie gefragt. ANKE DEMBOWSKI Locker sitzende Milliarden Der Bundestag hat ein gigantisches Paket zur Neuverschuldung aufgelegt. Wir gehen der Frage nach, wie Investoren in ihrer Kapitalanlage auf die großen Son- dervermögen reagieren. Wir gehen für die kommenden Jahre von einem konjunk- turellen Rückenwind in Deutschland und Europa durch die geplanten Investitionen aus dem Infrastruktur-Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro sowie die EU-weite Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 800 Milliarden Euro aus. Die Aktienmärkte in Europa und Deutschland haben bereits posi- tiv auf die verbesserten Wachstumsperspektiven reagiert. Seit Jahresanfang entwickeln sie sich spürbar besser als die US- Aktienindizes, und dies auch schon vor den Turbulenzen durch die US-Zölle. Davon konnte der KENFO über seine ausgewogenen strategische Asset Allocation profitieren. Diese sieht eine deutlich höhere Gewichtung von Aktien aus Europa vor als der MSCI World. Durch die Fiskalpakete werden vor allem Unternehmen aus dem Infrastruktursektor, dem Baugewerbe und der Rüstungsindustrie im Fokus der Investitionen stehen. Der KENFO investiert insbe- sondere im Bereich seiner illiquiden Anlagen in den Sektor Infra- struktur. Von der Erhöhung der Verteidigungsausgaben können nicht nur die großen Aktienwerte profitieren, sondern auch der Maschi- nenbau und Zulieferer aus dem deutschen Mittelstand, die dabei sind, ihr Geschäftsmodell an die Herausforderungen im Rüstungs- bereich anzupassen. Nach Bekanntgabe der großen Fiskalpakete stieg die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen innerhalb eines Handelstages so stark an wie seit 1990 nicht mehr. Anschließend konnte der Bund von einer Flucht aus US-Schuldtiteln profitieren, ausgelöst durch die erratische Wirtschaftspolitik von US-Präsident Trump. Zehn- jährige Bundesanleihen rentieren aktuell bei 2,5 Prozent. Das entspricht ungefähr dem Niveau vor einem Jahr. Anja Mikus, Vorstands- vorsitzende und Chief Investment Officer des KENFO – Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung in Berlin Wie sehen Sie das Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro, das kürzlich verabschiedet wurde, und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben (EU-weit 800 Milliarden Euro)? Und wie reagieren Sie darauf in der Kapitalanlage? Die jüngsten politischen Initiativen – 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen sowie 800 Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben EU-weit – markieren eine neue Phase aktiver Industrie- und Sicherheitspolitik. Für institutio- nelle Anleger, insbesondere Pensionskassen mit langfristigem Anlagehorizont, ergeben sich daraus neue strategische Frage- stellungen. Auch wenn eine direkte Allokation in Infrastrukturanlagen oder verteidigungsnahe Bereiche für viele Pensionskassen strukturell oder regulatorisch nicht umsetzbar ist, sind die Auswirkungen auf Kapitalmärkte dennoch hoch relevant. Infrastrukturprojekte im Bereich Energie, Digitalisierung oder Mobilität werden künftig verstärkt durch öffentliche Mittel angestoßen – mit potenziellen Spillover-Effekten auf angrenzende Sektoren wie Bau, Maschi- nenbau, Rohstoffe, Versorger oder Technologiedienstleister und andere Assetklassen. Diese indirekten Impulse können sich in Aktienkursen, Bewertungen oder Unternehmensgewinnen nie- derschlagen – und somit auch in breiter aufgestellten Portfolios Wirkung entfalten. Ähnlich verhält es sich mit dem sicherheitspolitischen Kurswech- sel. Auch wenn der Verteidigungssektor für viele Anleger ethisch ausgeschlossen bleibt, profitieren Industrie, Cybersicherheit, Technologie und Logistik von der gestiegenen Nachfrage. Für Pensionskassen bedeutet das: beobachten, analysieren, indirekte Wirkungen identifizieren – und das Portfolio konzeptionell auf resiliente, geopolitisch stabile Strukturen ausrichten. Ralf Langhoff, Vorsit- zender des Vorstands, Babcock Pensionskasse VVaG, Oberhausen 36 N o . 2/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Institutional Money Meinungsradar FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH I KENFO, CHRISTOPH HEMMERICH I IMK Viele Investoren rechnen aufgrund der großen Aus- gabenpakete mit konjunkturellem Rückenwind in Deutschland und Europa. » « » «
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