Institutional Money, Ausgabe 2 | 2025

Zeitraum von 1990 bis 2023 für die durchschnittliche Ano- malie und drei Monate im Voraus 70 Basispunkte bezie- hungsweise annualisiert 2,8 Prozent waren (siehe Gra k „Zu- sätzliche Rendite durch Antizipation“) . Dabei handelt es sich um zusätzliche Renditen, die zu dem hinzukommen, was im Anschluss durch die Anomalien erzielt wird, sobald die genauen Portfolios feststehen. Allerdings sind 70 Basispunkte weit weniger als die Hälfte dessen, was unter perfekter Voraussicht möglich wäre (171 Basispunkte). Angesichts der hohen durchschnittlichen Pro- gnosegüte erscheint das enttäuschend. Eine Erklärung liefert die separate Analyse der Renditen für korrekte, falsch-positi- ve und falsch-negative Vorhersagen. Zwar überwiegen kor- rekte Prognosen, aber falsche sind insgesamt teurer. Wäh- rend korrekte Vorhersagen in den drei Monaten vor Bekannt- werden jährlicher Anomaliesignale insgesamt 127 Basis- punkte erzielen, büßen die Portfolios aufgrund falsch-positi- ver Vorhersagen 60 Basispunkte ein. Den größten E ekt haben aber falsch-negative Signalpro- gnosen. Diese erzielen in den gleichen drei Monaten eine erstaunliche Rendite von 297 Basispunkten beziehungsweise annualisiert 12,42 Prozent. Das bedeutet, dass Aktien, von denen nicht erwartet wurde, dass sie im jährlichen Long- Short-Anomalieportfolio enthalten sind, es dann aber tat- sächlich sind, besonders hohe Renditen erzielen. Genau die- se fehlen aber in den antizipierten Portfolios (siehe Gra k „Teure Fehlprognosen“) . In der letztenWoche vor Bekanntgabe der jährlichen Informationen wird der E ekt noch deut- licher. Allein dann erzielen die falsch-negativen Aktien 108 Basispunkte beziehungsweise annualisiert 74,82 Prozent. Während diese Erkenntnisse in der Literatur neu sind, dürf- ten sie es in der Praxis kaum sein.Das zeigt eine Analyse der damit erzielten Renditen in den letzten Jahren. Von 1990 bis 2006 lieferte das Modell der perfekten Vorausschau für die durchschnittliche Anomalie in den drei Monaten vor Be- kanntwerden der tatsächlichen jährlichen Portfolios ganze 279 Basispunkte. Von 2007 bis 2023 waren es nur noch 92 Basispunkte. Zwar blieben die Modelle über den gesamten Zeitraum hinweg gleichbleibend genau. Doch die damit verbundenen Renditen wurden wahrscheinlich durch Arbi- trage reduziert. In den letzten Jahren des Untersuchungszeit- raums konnten in der Praxis kaum noch positive Renditen mit dreimonatigem Antizipieren der Anomalieportfolios erzielt werden. Richtige Prognosen wurden dabei immer weniger pro tabel, während falsch-negative Prognosen einen noch größeren Anteil der Renditen als zuvor ausmachten. Anders als die vergleichsweise gut vorhersehbare Kompo- nente besteht der kaum vorhersehbare Teil der Anomalie- renditen also nach wie vor. Interessant ist aber ein Wechsel der betrachteten Zeitebene. Geht man sechs statt drei Monate vor Bekanntwerden der jährlichen Anomalieport- folios zurück, gab es auf Basis des Martingale-Modells wei- terhin vorhersehbare Renditen. Die Tendenz geht also dahin, dass Signale noch früher an- tizipiert werden. Ein vergleichbarer Vorziehe ekt war auch beim Verschwinden des Indexe ekts zu beobachten, der im- mer früher antizipiert wurde (siehe „Im Rauschen ver- schwunden“, Institutional Money 4/2021). Das dürfte wohl der natürliche Werdegang regelbasierter Systeme an den Märkten sein. DR. MARKO GRÄNITZ Zusätzliche Rendite durch Antizipation Mittlere Anomalierenditen vor und nach Bekanntgabe der Informationen Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Renditen des durch- schnittlichen Anomalieportfolios vor und nach dem Datum des jeweiligen Jahresabschlusses. 3 Monate vor der Veröffentlichung nach dem Martingale-Modell zu handeln, brachte 70 Basispunkte zusätzlich beziehungsweise annualisiert 2,8 Prozent (Untersu- chungszeitraum 1990 bis 2023). Das ist weniger als die Hälfte dessen, was bei perfekter Voraussicht möglich wäre. Im Anschluss an die Bekanntgabe der Informationen wurden die klassischen Anomalierenditen erzielt. Hinweis: Die Renditen sind am Tag der Informationsveröffentlichung auf null skaliert. Quelle: Boone, B. / Reed, A. V. / Ringgenberg, M. C. / Thornock, J. R. (2023), Predicting Anomalies Handelstage vor bzw. nach Bekanntgabe der Informationen -2 -1 0 1 2 -60 -40 -20 0 20 40 60 Martingale-Modell Perfekte Voraussicht Kumulative Rendite in % Teure Fehlprognosen Anomalierenditen der einzelnen Kategorien Dargestellt sind die Renditeprofile von Portfolios mit richtigen, falsch-positiven und falsch-negativen Vorhersagen aus dem Mar- tingale-Modell. Es zeigt sich, dass falsche Prognosen sehr teuer sind: Falsch-positive kosten Rendite, während falsch-negative bei der Performance fehlen. Zusammen sind sie der Grund, weshalb das Antizipieren der Signale mit dem Martingale-Modell nicht einmal die Hälfte der Rendite von perfekter Voraussicht brachte. Quelle: Boone, B. / Reed, A. V. / Ringgenberg, M. C. / Thornock, J. R. (2023), Predicting Anomalies Handelstage vor bzw. nach Bekanntgabe der Informationen -3 -2 -1 0 1 2 3 -60 -40 -20 0 20 40 60 Falsch-positiv Falsch-negativ Korrekte Vorhersagen Kumulative Rendite in % N o . 2/2025 | institutional-money.com 117 Anomalierenditen | THEORIE & PRAXIS

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