Institutional Money, Ausgabe 2 | 2025
» J ahresabschlüsse werden nicht mehr mit der Post ver- schickt.“Mit diesem Statement zielt das Paper „Anomaly Time“ etwas überspitzt darauf ab, dass sich traditionelle Methoden zur Überprüfung von Anomalieportfolios oft auf veraltete Informationen stützen. Zum Zeitpunkt der Port- foliobildung können sie schon seit Wochen oder Monaten ö&entlich verfügbar sein. Die Konsequenzen sind absehbar: Anomalieportfolios, die jährlich oder quartalsweise über- prüft werden, reagieren zu spät, sodass ihnen ein erheblicher Teil der Prämien entgeht. Möglichst schnell reagieren Die Studie verwendet Daten von Compustat Snapshot. Da- rin ist das genaue Datum der erstmaligen Verö&entlichung von Rechnungslegungsdaten enthalten. Basierend darauf zei- gen die vier Autoren Boone Bowles (Texas A&MUniversity), Adam Reed (University of North Carolina), Matthew Ring- genberg (University of Utah) sowie Jacob Thornock (Brig- ham Young University), dass die Renditen der damit verbun- denen Anomalien vor allem im ersten Monat nach Erstver- ö&entlichung der jeweiligen Daten anfallen (siehe Gra k „Ab- nehmende Anomalierenditen“) . Die Botschaft liegt auf der Hand: Anleger sollten ihre Portfolios möglichst sofort im Anschluss an das Bekanntwerden der Daten anpassen. Eine Herausforderung bei Untersuchungen dieser Art besteht darin, in Rückrechnungen den Look-Ahead Bias zu vermeiden. Dabei handelt es sich um eine Fehlerquelle, bei der Informationen, die zum jeweiligen Zeitpunkt noch nicht bekannt waren, rückblickend miteinbezogen werden. Die Autoren schreiben aber, dass der Bias vermieden werden kann, indem bis zur Einreichung des Jahresabschlusses ge- wartet und die Portfolios erst am Tag danach erstellt werden. Auf diese Weise hätte es im gesamten Stichprobenzeitraum seit 1990 keinen solchen Bias gegeben. Gleichzeitig ermög- licht diese Vorgehensweise eine deutliche Verringerung der Zeitverzögerung traditioneller Anomaliesignale, die auf Rechnungslegungsdaten basieren. Vorhersehbare Anomalien Man könnte nun meinen, dass es bereits optimal ist, Ano- malieportfolios möglichst sofort nach Bekanntwerden der neuesten Daten anzupassen. Schließlich ist der Renditee&ekt im ersten Monat am größten. Doch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Was in der bisherigen Literatur übersehen wurde, ist der Zeitraum vor Verö&entlichung der Signale: Könnte man diese schon im Vorfeld mit ausrei- chend hoher Genauigkeit prognostizieren, würden wahr- scheinlich auch Teile der damit verbundenen Renditen bereits dann realisiert. Tatsächlich zeigen die vier genannten Forscher genau die- sen E&ekt im auf den vorherigen Erkenntnissen aufbauen- den Paper „Predicting Anomalies“. Sie analysieren die Ren- diten in den Tagen, Wochen und Monaten vor Verö&ent- lichung der Rechnungslegungsdaten. Unter Annahme per- fekter Voraussicht ein Quartal vor den eigentlichen Signalen wäre demnach im Mittel über 28 untersuchte Anomalien eine zusätzliche Rendite von 171 Basispunkten beziehungs- weise annualisiert 7,1 Prozent zustandegekommen. Einen Monat im Voraus wären es noch 120 Basispunkte bezie- hungsweise 20,4 Prozent gewesen. Eine Vorwegnahme der Daten im letzten Monat vor dem eigentlichen Termin hätte also einen besonders großen E&ekt gehabt. Prognosemodelle Zwar verfügen Marktteilnehmer in der Praxis nicht über eine Kristallkugel, die eine perfekte Voraussicht der genauen Renditeanomalien, die auf Rechnungslegungsdaten basieren, sind nichts Neues. Doch was, wenn man die Signale mit relativ hoher Genauigkeit vorwegnehmen könnte? Einer Studie zufolge ist das nicht nur möglich, sondern bereits gängige Praxis. Vorgezogener Renditeeffekt 114 N o . 2/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Anomalierenditen FOTO: © UNIVERSITY OF UTAH Was in der bisherigen Literatur übersehen wurde, ist der Zeitraum vor Veröffentli- chung der Signale . » Die meisten Anomaliesignale, die auf Rechnungslegungsdaten basieren, lassen sich gut vorhersehen. « Matthew C. Ringgenberg, Professor of Finance, David Eccles School of Business, University of Utah
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