Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025
Inwiefern? Robert Merton: In meiner Arbeit zum Intertemporal Capital Asset Pricing Model habe ich von „dimensionalem Alpha“ gesprochen, weil es zur Identi zierung von Risikoprämien verwendet werden kann, die über das traditionelle Markt- risiko zu einem bestimmten Zeitpunkt hinausgehen, das die Grundlage des ursprünglichen Capital Asset Pricing Model (CAPM) bildet. Diese Risikoprämien sind mit zusätzlichen systematischen Risiken verbunden, die sich aus Veränderun- gen zukünftiger Investitionsmöglichkeiten ergeben, zum Beispiel Änderungen der Zinssätze oder Volatilitäten. Daher unterscheiden sich traditionelles und dimensionales Alpha in einigen wichtigen Aspekten. Wie zum Beispiel? Robert Merton: Es beginnt mit der Quelle des Alphas. Tradi- tionelles Alpha wird in der Regel durch Informationsine - zienzen oder unvollkommene Märkte generiert. Es basiert auf der Fähigkeit eines Managers, über bessere Informatio- nen oder eine bessere Analyse zu verfügen als andere Markt- teilnehmer. Dimensionales Alpha hingegen wird durch die Bereitschaft der Anleger generiert, eine Prämie für die Über- nahme zusätzlicher systematischer Risiken zu zahlen, die sich aus zukünftigen Veränderungen in der Anlageland- schaft ergeben können.Diese Risikodimensionen sind nicht auf Informationsine zienzen zurückzuführen, sondern auf die systematischen Risiken, die sich aus der Unsicherheit zukünftiger Marktbedingungen ergeben. Was bedeutet das für die Nachhaltigkeit der jeweiligen Alpha- Generierung? Robert Merton: Die Vorteile, auf denen traditionelles Alpha beruht, also bessere Informationen oder überlegene Analyse- ergebnisse, sind oft nicht nachhaltig, weil Informationsvor- teile oder die Überlegenheit von Analysebedingungen auf- grund zunehmender Markte zienz verloren gehen können. Dimensionales Alpha gilt daher als nachhaltiger, weil es auf systematischen Risiken beruht, die jederzeit und dauerhaft vorhanden sind und daher auch von der Gesamtheit der Anleger entsprechend wahrgenommen werden. Das bedeu- tet auch, dass traditionelles Alpha nur schwer oder gar nicht skalierbar ist, weil es von sehr spezi schen und etwas vola- tilen Marktine zienzen abhängt. Dimensionales Alpha hingegen kann skalierbar sein, weil es auf breiten und sich verändernden Marktbedingungen basiert, die für viele oder alle Investoren grundsätzlich relevant sind. Was bedeutet das in der Praxis für Investoren? Robert Merton: Durch die Erweiterung des ursprünglichen Kapitalmarktpreisbildungsmodells und die Berücksichti- gung der zeitlichen Dimension von Investitionen befassen sich professionelle Anleger heute nicht mehr nur mit der aktuellen Marktrisikoprämie zu einem bestimmten Zeit- punkt. Die heutigen Modelle berücksichtigen, dass Anleger über mehrere Jahre und möglicherweise sehr lange Zeit- räume hinweg auf den Märkten aktiv sind und daher auch mögliche zukünftige Marktbedingungen in ihre Entschei- dungen einbeziehen. Wie gesagt führt dies zu zusätzlichen systematischen Risiken, die durch zufällige Veränderungen in der Investitionslandschaft verursacht werden können. Und es hat dazu geführt, dass professionelle Investoren nicht mehr nur das Marktportfolio halten, sondern versuchen, zu- sätzliche Absicherungspositionen in ihre Strategien zu inte- grieren, um sich besser gegen solche potenziellen zukünfti- gen Risiken und Unsicherheiten wie ungünstige Zinsände- rungen oder Volatilitäten abzusichern. Dies hat auch zur Entwicklung von Multifaktor-Anlagestrategien beigetragen, die heute in der Finanzindustrie weit verbreitet sind, um neben dem reinen Marktrisiko auch andere systematische Risiken zu berücksichtigen.Um hier noch besser zu werden, brauchen wir nicht nur eine wissenschaftliche Basis, sondern auch eine ständige Weiterentwicklung in Form von Finanz- innovationen, die es uns ermöglichen, die relevanten Erkennt- nisse besser in die Praxis umzusetzen. Wir danken für das Gespräch! HANS HEUSER 52 N o . 1/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Robert Merton | MIT Cambridge FOTO: © KATHY TARANTOLA » Die heutigen Modelle berücksichtigen, dass Anleger über mehrere Jahre und möglicherweise sehr lange Zeiträume hinweg auf den Märkten aktiv sind. « Robert Merton, Professor am MIT in Cambridge
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