Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025

Und wo findet die Bank am ehesten einen besseren Anbieter? Robert Merton: Am sinnvollsten ist es, einen weniger streng regulierten Marktteilnehmer zu suchen, zum Beispiel einen Hedgefonds, der keine Eigenkapitalanforderungen für den Kauf von Anleihen hat.Da er ohne Gebühr absichern kann, kann er der Bank die gewünschte Portfolioposition über einen Swap zu, sagen wir, zehn Basispunkten an Kosten anbieten und einen Gewinn erzielen. Am Ende pro tieren beide Parteien. Die Bank kann ihre gewünschte Position in Staatsanleihen durch den Swap zu Kosten von zehn Basis- punkten aufbauen, statt 20 Basispunkte aufzuwenden, wenn sie die Anleihen auf dem Spotmarkt oder von einer anderen Bank kaufen würde. Und auch der Hedgefonds ist zufrie- den, denn er verdient mit der Transaktion zehn Basispunkte, die nicht nur seine Kosten decken, sondern ihm auch einen Gewinn einbringen. ImGegensatz zum traditionellen Alpha, bei dem es wie erwähnt Gewinner und Verlierer gibt, han- delt es sich hier um eine Win-win-Lösung, von der beide Parteien pro tieren. Zählt die Wertpapierleihe nach Ihrer Definition nicht auch zu den Möglichkeiten, durch ein Finanzdienstleistungs-Alpha Über- renditen zu erzielen? Robert Merton: Absolut richtig! Denn letztlich handelt es sich um nichts anderes als um eine Finanzdienstleistung, die Marktteilnehmer nutzen können, um ihre eigenen Rendi- ten deutlich zu verbessern. Davon können auch Anbieter von passiv gemanagten ETFs pro tieren. Für den Anbieter eines ETFs auf einen Index wie den S&P 500 oder den Russell 1000 ist es unerlässlich, die Rendite des zugrunde liegenden Index so genau wie möglich nachzubilden und den Tracking Error jederzeit zu vermeiden. Obwohl Divi- denden und Kapitalgewinne oder -verluste der entsprechen- den Indexbestandteile in die Berechnung der Indexrenditen ein ießen, werden die Erträge aus der Wertpapierleihe, die der ETF-Anbieter verbuchen kann, nicht berücksichtigt, sodass ein Alpha gegenüber dem Index entsteht. Die Wert- papierleihe ist auch eine robuste Möglichkeit, Alpha im Rahmen einer Finanzdienstleistung zu generieren, da sie selbst in vollkommen transparenten Märkten funktioniert, nachhaltig und skalierbar ist. Sie haben eine dritte Quelle möglicher Überrenditen erwähnt, die Sie als „dimensionales Alpha“ bezeichnen. Worum geht es dabei? Robert Merton: Das geht auf meine eigene Arbeit am soge- nannten Intertemporal Capital Asset Pricing Model, kurz ICAPM, zurück, das mehrere systematische Risikofaktoren vorhersagt. Die spätere empirische Forschung von Eugene Fama und Kenneth French zu ihrem sogenannten Drei- oder Vier-Faktoren-Modell steht im Einklang mit der ICAPM-Theorie. Sowohl das ICAPM als auch das Fama- French-Modell führen zu einer mehrdimensionalen Risiko- bewertung. Beide erkennen an, dass Investoren ihre Port- folios anpassen müssen, um auf unterschiedliche Risiko- dimensionen zu reagieren. Beide Modelle berücksichtigen zudem, dass Investoren eine Prämie für die Übernahme zusätzlicher Risiken verlangen.Das dimensionale Alpha um- fasst daher Risikodimensionen, die über das traditionelle Marktrisiko hinausgehen. Zu diesen Dimensionen gehören verschiedene systematische Risiken, die sich aus Veränderun- gen zukünftiger Investitionsmöglichkeiten ergeben. Können Sie uns ein oder zwei Beispiele dafür nennen? Robert Merton: Dazu gehören beispielsweise Veränderun- gen der Zinssätze oder der Volatilität der Kapitalmärkte, die die erwarteten Renditen von Vermögenswerten beein- flussen und zu zusätzlichen Risiken führen können. Dazu gehören auch Veränderungen des Verbraucherverhaltens oder der Verbrauchererwartungen, die ebenfalls zu syste- matischen Risiken werden können. Nicht zuletzt kann es auch makroökonomische Risiken geben, das heißt Fakto- ren wie Inflation,Wirtschaftswachstum und andere makro- ökonomische Variablen, die die Investitionsbedingungen beeinflussen. Das ist im Grunde der grundlegende Unter- schied zwischen einem dimensionalen und einem traditio- nellen Alpha. 50 N o . 1/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Robert Merton | MIT Cambridge FOTO: © KATHY TARANTOLA » Für den Anbieter eines passiven ETF ist es unerlässlich, die Rendite des zugrunde liegenden Index so genau wie möglich nachzubilden. « Robert Merton, Professor am MIT in Cambridge

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