Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025

I nstitutionelle Anleger denken nicht in Quartalen, son- dern in Jahrzehnten, was grundsätzlich ein Vorteil ist. Die langfristig erwartbaren Erträge und Risiken der wichtigen Anlageklassen sind bekannt und lassen sich ma- nagen, wenn man über ausreichend Zeit verfügt. Basis dafür sind unsere „Erfahrungswerte“ – also etwa die letzten 150 Jahre Kapitalmarktgeschichte.Der Satz „Dieses Mal ist es an- ders“genießt dabei keinen guten Ruf, weil er häu"g verwen- det wurde und sich stets als Irrtum erwiesen hat. Was aber, wenn es tatsächlich zu grundlegenden Veränderungen kom- men sollte? Ausgeschlossen ist das nicht, und derzeit sind sogar zwei solche neuartigen Herausforderungen in Sicht: die demogra"sche Entwicklung und das beginnende Zeit- alter der künstlichen Intelligenz. Während Letzteres in sei- nen Auswirkungen viel Raum für Spekulationen lässt, gibt es bezüglich der Demogra"e wenig Unklarheit. Die Welt- bevölkerung altert rapide – und zwar in nahezu allen indus- trialisierten Staaten.Der Demogra"eexperte Stephen J. Shaw zeigte auf einer Konferenz der Alliance for Responsible Citizenship, dass sich die Geburtenzahl in Ländern mit einer Reproduktionsrate von 1,4 bis 1,5, wie sie für die meis- ten Industriestaaten gilt, alle 30 Jahre halbiert und dass sich der Trend zur Kinderlosigkeit weiter beschleunigt. Nun kann eine solche Entwicklung für die betro enen Volkswirtschaften nicht folgenlos sein. Unser Wirtschafts- modell ist – bisher – nicht für abnehmende Bevölkerungs- zahlen konzipiert. Das „Wachstum“, das wir in marktwirt- schaftlich organisierten Systemen grundsätzlich anstreben, benötigt im Optimalfall auch eine wachsende, zumindest aber eine stagnierende Bevölkerung. Hat man es aber mit einer überalterten, schrumpfenden Bevölkerung zu tun, könnten auch die alten Faustregeln bezüglich der Erträge und Risiken von Aktien, Anleihen und Immobilien obsolet sein. Da sich, so die Einschätzung von Stephen Shaw, der Trend zur Kinderlosigkeit bisher nirgendwo umgekehrt hat, ist Migration die einzig mögliche Antwort. Die bringt zwar Arbeitskräfte, verursacht aber auch Probleme.Hinzu kommt, dass mit Zunahme des Demogra"eproblems der Wettbe- werb um die am besten quali"zierten Zuwanderer wächst. In diesem Zusammenhang ist eine Einschätzung von BlackRock-Chef Larry Fink bemerkenswert. Er stellte die These auf, dass der traditionelle Zusammenhang zwischen Bevölkerungsrückgang und negativemWachstum überdacht werden muss. Länder mit schrumpfender Bevölkerung und restriktiver Einwanderungspolitik könnten mithilfe von Robotik und KI gegensteuern, indem sie die Produktivität mittels Automatisierungstechnologien so stark steigern, dass die Wirtschaftsleistung trotz der demogra"schen Misere gehalten oder sogar verbessert werden kann. Japan oder Süd- korea sind Staaten, in denen ein entsprechender Trend bereits sichtbar ist. Aus Anlegersicht hieße das, eine Um- schichtung von Kapital hin zu Technologieunternehmen zu prüfen, die Automatisierungslösungen (Robotik, Software, KI-gestützte Dienstleistungen) sowie die dafür benötigte Infrastruktur anbieten. Investoren könnten dies außerdem als Signal werten, ihre geogra"sche Allokation zu überden- ken. Länder ohne Zuwanderung, die auf Technologie setzen, könnten trotz politischer Risiken stabile oder sogar über- durchschnittliche Renditen bieten, da sie weniger von Arbeitsmigration abhängig sind. Noch ist dafür Zeit, man sollte sie nicht ungenützt verstreichen lassen. Wir freuen uns schon darauf, dieses und andere interes- sante Themen mit Ihnen am Institutional Money Kongress 2025 in Frankfurt diskutieren zu können. Gerhard Führing und Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Sind Roboter die Lösung? BRIEF DER HERAUSGEBER 4 N o . 1/2025 | institutional-money.com

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