Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025
aber zu lange beibehalten. Damit haben Regierungen und Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks zur Inflation beigetragen.Wir zeigen außerdem auf,warum die Schulden- bremse Investitionen eben nicht verhindert. Es ist eine Frage der politischen Präferenzen. Ein immer stärker eingreifender Staat wird die Krise nicht überwinden, sondern dürfte die Probleme verstärken. Deutschland braucht einfach bessere Rahmenbedingungen für Investitionen und die Produktion, um seine derzeitige wirtschaftliche Schwäche zu überwin- den und sich zukunftsfähig aufzustellen. Bleiben wir noch kurz bei den Forderungen, die Sie und Ihre Kol- legen in besagtem Papier formuliert haben: Wie sehen diese kon- kret aus? Veronika Grimm: Bei der Unternehmenssteuerbelastung schla- gen wir eine Absenkung von etwa 30 auf 25 Prozent vor. Der Solidaritätszuschlag sollte abgeschafft werden. Wir ma- chen Vorschläge zur Gegenfinanzierung durch Einsparun- gen auf der Ausgabenseite sowie Streichungen von Steuer- vergünstigungen. Die Arbeitskosten könnte man durch strukturelle Reformen der sozialen Sicherungssysteme redu- zieren, die die Beiträge im Rahmen halten. In der gesetzli- chen Rentenversicherung gelingt dies durch eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die längere Lebenserwartung, die Abschaffung der Rente ab 63 und die Wiedereinführung des Nachhaltigkeitsfaktors. Stärkere Arbeitsanreize im Bür- gergeld und ein Zusammenfassen von Bürgergeld, Wohn- geld und Kinderzuschlag könnten Kosten und Bürokratie reduzieren. Auch die Arbeitszeitregulierung könnte flexibi- lisiert werden. Nach all dem sieht es in der neuen politischen Gemengelage al- lerdings nicht aus. Veronika Grimm: Das ist leider offensichtlich, wenn man sich die Ergebnisse der Arbeitsgruppen aus Unionsparteien und SPD anschaut. Das ändert aber nichts daran: die aktuelle Wirtschaftsschwäche lässt sich nur überwinden,wenn es sich wieder lohnt, zu arbeiten, zu investieren und Risiken zu übernehmen. Das gängige Klein-Klein der vergangenen Jah- re, auf das es auch jetzt scheinbar wieder hinausläuft, wird uns nicht weiterbringen. Wichtig ist es, dass wir Unterneh- men die Chance eröffnen, bei Zukunftsfeldern dabei zu sein, anstatt Entwicklungen durch Regulierung zu verhin- dern, bevor die Innovationen überhaupt entstehen können. Datenschutz, Umweltrecht, Baurecht und technologiespezi- fische Vorgaben müssen konsequent darauf überprüft wer- den, ob sie über das Ziel hinausschießen.Wir brauchen Re- gulierung, um fairen Wettbewerb sicherzustellen, aber nicht, um Innovationen zu verhindern oder komplizierter zu ma- chen. Was sind Ihre Vorschläge zu den anderen Politikfeldern, die Sie eben genannt haben? Veronika Grimm: In der Energiepolitik ist eine stärkere euro- päische Integration in Verbindung mit regional differenzier- ten Preisen wichtig. Insbesondere am Strommarkt spiegeln die Preise die tatsächlichen Knappheiten nicht wider, was zu Ineffizienzen führt. Der Zubau von Gaskraftwerken kann günstiger realisiert werden, wenn zunächst konventionelle Kraftwerke zugebaut werden, die man erst später auf Was- serstoff umstellt – wenn dieser in ausreichender Menge ver- fügbar ist. BeimWasserstoff sollte man zudem technologie- offen agieren, also auf auf blauen Wasserstoff setzen. Zudem schreitet die Elektrifizierung nicht so dynamisch voran wie erwartet. Wenn man dies bei der Netzplanung berücksich- tigt, ließen sich die Ausbauplanungen strecken und besser priorisieren. In der Klimapolitik sollte der EU-Emissionshan- del als Leitinstrument gestärkt werden und im Gegenzug technologiespezifische Regulierungen abgeschafft werden. Zusätzlich müssten wir uns von unrealistischen Energieein- sparvorgaben verabschieden. Am Ende erreicht man das Ziel Klimaneutralität nur durch die richtigen Anreize und vor allem eine Stärkung der internationalen Kooperation. 38 N o . 1/2025 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Veronika Grimm | Wirtschaftsweise FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » In der Energiepolitik ist eine stärkere europäische Integration in Verbindung mit regional differenzierten Preisen wichtig. « Prof. Veronika Grimm, Technische Universität Nürnberg
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