Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025
D ie Banken haben schon länger eine eigene Abwicklungsrichtlinie, die Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD). Unmittelbar nach der Finanzkrise 2007/08 hat sich die EU-Kommission Gedanken über Alternativen zum regulären Insolvenzver- fahren gemacht, da ein solches bei den großen und stark ver- netzten Unternehmen der Finanzbranche teilweise schwer umsetzbar war und außerdem in erheblichem Umfang Steuergelder eingesetzt werden mussten. Für Versicherer kam 2023 ein ähnliches Verfahren: Die Insurance Recovery and Resolution Directive (IRRD) schreibt den Häusern EU-einheitlich vor, dass sie Sanierungs- und Abwicklungspläne in der Schublade haben müssen. Damit stellen Versicherungsunternehmen ihre Abwicklungsfähig- keit sicher, denn auch hier soll es nicht dazu kommen, dass für eine Rettung Steuergeld eingesetzt werden muss. Auch für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors gibt es eine Alternative zum Insolvenzverfahren: das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Un- ternehmen (StaRUG). In Kraft getreten ist es am 1. Januar 2021 (Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie in deut- sches Recht), und Ende des Jahres steht dessen Evaluation an. Aktuell bringen sich die Stakeholder dazu in Stellung. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit „Anders als bei den Abwicklungsrichtlinien für Banken und Versicherungen ist der Restrukturierungsplan nach StaRUG nichts, was die Unternehmen präventiv erstellen. Sie fangen vielmehr erst dann damit an,wenn eine drohende Zahlungs- unfähigkeit gegeben ist“, erklärt Prof. Dominik Skauradszun. Er lehrt an der Hochschule Fulda und beschäftigt sich im Rahmen seiner Forschung über deutsches und europäisches Restrukturierungsrecht mit dem StaRUG. „Ein zentraler As- pekt des Gesetzes ist die Verp ichtung zur Implementierung eines Systems zur Krisenfrüherkennung, woraus sich Anfor- derungen an das Krisenmanagement ableiten lassen“, sagt Skauradszun. Eine für das StaRUG erforderliche Situation tritt ein, wenn das Unternehmen innerhalb der nächsten 24 Monate voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die be- stehenden Zahlungsp ichten imZeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. „Das Herzstück ist der Restrukturierungsplan. Mit dessen Hilfe soll sich das Unternehmen am Ende ohne In- solvenzverfahren selbst beziehungsweise zusammen mit den Gläubigern sanieren“, so Skauradszun.Der Plan muss von ei- ner Mehrheit getragen werden,wobei die Planbetro enen in Gruppen eingeteilt werden: „Beispielsweise kann es Gruppen für gesicherte Gläubiger, ungesicherte Gläubiger und Aktio- näre geben. Eine Gruppe kann sogar insgesamt überstimmt werden. In Deutschland gilt allerdings die absolute Prioritäts- regel, das heißt,wer einen besseren Rang hat, kann von nach- rangigen Gläubigern mit ihrer Gruppe nur überstimmt wer- den, wenn die rangniedrigen Gruppen nichts erhalten. Die Richtlinie hätte auch eine relative Prioritätsregel ermöglicht, aber in Deutschland möchte man speziell die Fremdkapital- geber schützen“, sagt Skauradszun. Auswahl der Gläubiger möglich Dr. Frank Schä er hebt eine weitere Besonderheit des Ver- fahrens hervor: „Während das Insolvenzverfahren ein Ge- samtgläubiger-Verfahren ist, kann das Unternehmen beim StaRUG-Verfahren auch nur einen Teil der Gläubiger einbe- ziehen.“Schä er ist Rechtsanwalt und Partner bei der Kanz- lei Grub-Brugger und hat kürzlich den Restrukturierungs- plan für die Varta AG ausgearbeitet. Gesamtgläubiger-Verfah- ren bedeutet beim Insolvenzverfahren, dass alle Gläubiger Am 1. Januar 2021 ist das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungs- gesetz (StaRUG) in Kraft getreten. Mithilfe eines StaRUG-Verfahrens können Unter- nehmen, die eine Zahlungsunfähigkeit befürchten müssen, frühzeitig restrukturiert werden. Ende des Jahres steht die Evaluation des Gesetzes an. Krisen früherkennung 252 N o . 1/2025 | institutional-money.com STEUER & RECHT | StarRUG FOTO: © K&L GATES LLP Durch die Restruk- turierung nach StaRUG soll ein Insolvenzverfahren vermieden werden. » Als Equity-Holder laufen sie Gefahr, durch ein StaRUG-Verfahren die Gesellschafterstellung zu verlieren. « Nadja Raiß, Rechtsanwältin und und Partnerin bei der Kanzlei K&L Gates LLP in Frankfurt
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