Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025
den Weg für neue Forschung: In einem weiteren For- schungsprojekt könnte man die private Altersvorsorge in verschiedenen Ländern vergleichen, um gegebenenfalls Rückschlüsse für Deutschland und Österreich ziehen zu können. Wie geht man in den anderen Ländern mit der demografischen Entwicklung um? Das heißt, wie löst man die Herausforderung, Generationengerechtigkeit herzustellen? Dr. Muriel Petersilie: Man versucht in beiden Ländern, das Rentenalter anzuheben, in Frankreich war beziehungsweise ist dies mit sehr viel Tumult verbunden, was ja auch durch die Presse ging. Da wurde monatelang gestreikt. In Frank- reich wurde im Jahr 2023 die Regelaltersgrenze von 62 auf 64 angehoben. In UK liegt die Regelaltersgrenze derzeit bei 66 Jahren. Sie wird in den nächsten Jahren sowohl für Män- ner als auch Frauen schrittweise ansteigen, um dann zwi- schen 2044 und 2046 von 67 auf 68 Jahre anzusteigen. Welche Anstrengungen werden unternommen, die Anzahl der Beitragszahler zu erweitern? Was ist beispielsweise mit der Ver- sorgung der Beamten? Haben diese ein gesondertes, privilegiertes System? Dr. Muriel Petersilie: In Frankreich haben die Beamten wie in Deutschland ein gesondertes Rentensystem. In UK ähnelt die Versorgung der Beamten mittlerweile derjenigen der Privatwirtschaft. Angesichts der demografischen Situation in fast allen westlichen Ländern ist es für Politiker nicht gerade attraktiv, sich um das Thema Altersvorsorge zu kümmern, denn meistens stehen unpo- puläre Maßnahmen an: Erhöhung des Renteneintrittsalters, Anheben der Beiträge oder Absenken der Rente. Das überlässt man doch lieber seinem politischen Nachfolger. Sehen Sie ein Mittel gegen dieses Dilemma? Dr. Muriel Petersilie: Mein Vorschlag wäre, zu diesem Thema ein Gremium wie die Wirtschaftsweisen einzurichten, das die Politiker berät – so wie es auch in Deutschland der Fall ist. In diesem Gremium sollten darüber hinaus Vertreter sein, die die Bedürfnisse der Arbeitnehmerseite verstehen und richtig kommunizieren. Wenn Sie Sozialministerin wären, was würden Sie an den Alters- vorsorgesystemen in Deutschland ändern? Dr. Muriel Petersilie: Wenn ich Sozialministerin wäre, würde ich sofort ein verp ichtendes misch nanziertes bAV-System einführen, und zwar ächendeckend, für alle Sektoren, nicht unterschieden nach tarifgebunden und nicht tarifgebunden. Dabei denke ich, dass ein nicht ganz so rigides System wie in UKmit der Möglichkeit des Opting out gut passen könn- te. Das schon erwähnte „Nudging“ würde ich einführen. Schon in der Schule würde ich im Lehrplan verp ichtende Unterrichtseinheiten zu den Themen Rente, Versicherung und Aktien anbieten.Darüber hinaus würde ich mich dafür einsetzen, Komplexität aus dem Thema bAV herauszu- nehmen und neutrale Multiplikatoren einzusetzen, die das Thema der betrieblichen Altersversorgung verständlich erklären und den Menschen nahebringen. Bei solch einem komplexen Thema wie der bAV brauchen die Menschen Unterstützung und Orientierung. Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Verteidigung Ihrer Dissertation! ANKE DEMBOWSKI 246 N o . 1/2025 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Dr. Muriel Petersilie | Fidelity FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Ich sehe überall die Herausforderungen der demografischen Entwicklung – also unten in der Pyramide weniger Beitrags- zahler und oben drohende Altersarmut. « Dr. Muriel Petersilie, Head of Implementation and Service Delivery bei Fidelity
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