Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025

Dr. Muriel Petersilie: Vielleicht ist das französische System etwas zu starr, um es eins zu eins auf Deutschland über- tragen zu können. Auch das Thema mit der Regelaltersgren- ze ist meines Erachtens in Frankreich noch nicht nal gelöst. In UK hat man erst nach zehn Jahren Beitragszahlung einen Anspruch auf eine Rente aus der ersten Säule. Das ist viel- leicht etwas lang. Was halten Sie im Altersvorsorgesystem in Deutschland für beson- ders gut gelöst, sodass man es eventuell in anderen Ländern über- nehmen könnte? Dr. Muriel Petersilie: Zum einen ist es gut, an die Selbstver- antwortung der Bürger und Arbeitgeber zu appellieren, indem man sehr auf die Freiwilligkeit bei der Einrichtung eines Vorsorgesystems setzt (mal abgesehen von BRSG 1). Auch ist es gut, mehrere Optionen zu haben. In Deutsch- land gibt es immerhin fünf Durchführungswege zur Ein- richtung einer bAV. Zum anderen ist es natürlich ein sehr komplexes Thema, wo Arbeitgeber gerade mittelständischer Unternehmen sowie auch die Mitarbeiter Unterstützung benötigen. Immerhin müssen sie eine für sie langfristige Entscheidung tre en. In Deutschland fällt auf, dass es in tarifgebundenen Branchen wie z.B. der Chemie- oder Metallbranche gut funktioniert – warum nicht in anderen Branchen? Gibt es dafür vielleicht historische Gründe? Welche Förderung für die zweite Säule der Altersvorsorge – die betriebliche Vorsorge – gibt es in den von Ihnen untersuchten Ländern? Dr. Muriel Petersilie: Sowohl in Frankreich als auch in Groß- britannien gibt es in der zweiten Säule misch nanzierte Sys- teme mit echten Arbeitgeberbeiträgen, das heißt, die Beiträ- ge sind gesplittet. Außerdem werden sie in beiden Ländern aus dem Brutto entrichtet, das heißt, auf den Teil fallen keine Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge an. Außerdem können Unternehmen in beiden Ländern ihre Beiträge zu gewissen Teilen als Betriebsausgaben geltend machen. Wie wird die private Vorsorge, also die dritte Säule, in den von Ihnen untersuchten Ländern gefördert? Dr. Muriel Petersilie: In Frankreich gibt es in der dritten Säule das Modell PERCO (plan d’épargne pour la retraite collectif). Das ist eine Lösung, die es ermöglicht, während des Ruhestands ein zusätzliches Einkommen zu erhalten; möglicherweise mithilfe des Arbeitgebers und innerhalb günstiger steuerlicher und sozialer Rahmenbedingungen. Mit einem PER (plan d’épargne pour la retraite) können auch Selbstständige in Frankreich fürs Alter vorsorgen. In UK zahlen Personen in der dritten Säule freiwillig Beiträ- ge in private Vorsorgefonds. Insbesondere für Selbstständige ist diese Art der Rentenvorsorge wichtig, da sie weder staat- liche Zusatz- noch Betriebsrenten ansparen können. Sie bekommen dann noch Steuererleichterungen. Das ebnet Internationaler Durchblick Muriel Petersilie ist Jahrgang 1977 oppelte Staatsangehörigkeit Deutsch/Französisch. Sie ist in eiden Ländern aufgewachsen und hat dort jeweils studiert Deutsch-französisches Doppeldiplom in Interkultureller Kommunikation (Universität des Saarlandes / Université de Metz) MBA in International Management (Euro-FH Hamburg) • Mehr als 15 Jahre Erfahrung in der bAV, davon auch im Consulting mehrerer namhafter Beratungshäuser • Seit 2022 als Head of Implementation and Service Delivery bei Fidelity tätig • • D b • • 244 N o . 1/2025 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Dr. Muriel Petersilie | Fidelity FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien gibt es in der zweiten Säule mischfinanzierte Systeme mit echten Arbeitgeberbeiträgen, das heißt, die Beiträge sind gesplittet. « Dr. Muriel Petersilie, Head of Implementation and Service Delivery bei Fidelity

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