Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025
quantitative Teil fokussiert sich auf den Ländervergleich von Deutschland, UK und Frankreich. Für den qualitativen Part habe ich o ene Interviews mit 19 Mitarbeitenden aus dem Chemiesektor in Deutschland geführt. Der quantitative Part gibt den Kontext,mit dem qualitativen wollte ich sehen, ob meine Erkenntnisse aus dem quantitativen Part bestätigt und möglicherweise auch erweitert werden. Die Chemie- branche habe ich gewählt, weil man zum einen sein Thema eingrenzen muss und ich zum anderen diesen Sektor recht gut kenne. Die Chemie ist generell auch gut versorgt in Deutschland. Können Sie eine allgemeine Aussage über den Zustand der Alters- vorsorgesysteme in Europa machen? Und was sind die drei größ- ten Herausforderungen bei der Altersvorsorge in Europa? Dr. Muriel Petersilie: Da ich nur einen kleinen Ausschnitt beleuchtet habe – und zwar vor allem im Rahmen der bAV und mit vorde nierten Indikatoren –, kann ich hierzu keine generelle Aussage tre en. Da ist weitere Forschung nötig. Aber ich sehe überall die Herausforderungen der demo- gra schen Entwicklung – also unten in der Pyramide weni- ger Beitragszahler und oben drohende Altersarmut, die übrigens zuletzt in Deutschland bei den über 65-Jährigen bei 19,6 Prozent lag. Info-Kasten Frankreich Wie funktionieren die drei Säulen der Altersvorsorge? Es gibt in Frankreich eine 1. Säule, in die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber einzahlen müs- sen. Beide müssen darüber hinaus in die 2. Säule einzahlen. Die 3. Säule ist freiwillig. Ist die 1. Säule umlagefinanziert oder kapitalgedeckt? Sie ist – wie in Deutschland – komplett umlage- finanziert. Wie hoch sind die prozentualen Sätze vom Bruttogehalt, die Bürger (insgesamt) für ihre Altersvorsorge aufwenden? Die Beitragssätze für die Sozialversicherung in Frankreich betragen 8,55 % (Arbeitgeber) und 6,9 % (Arbeitnehmer). Die 2. Säule ist zweigeteilt in sogenannte „Tranches“ (Scheiben): Tranche 1 bis zur französischen Beitrags- bemessungsgrenze (BBG) (2025: 3.925 Euro): Arbeitgeberbeitrag 4,72 % des pensionsfähigen Ein- kommens + 3,15 % Arbeitnehmerbeitrag. Tranche 2 über die BBG hinaus bis zur 8-fachen BBG: Arbeitgeberbeitrag 12,95 % des pensionsfähigen Einkommens + Arbeitnehmerbeitrag 8,64 % des pensionsfähigen Einkommens. Bis zur BBG zahlt man in Frankreich also 23,32 % (für Tranche-1-Mitarbeiter) und 37,04 % (für Tranche- 2-Mitarbeiter) in die 1. und 2. Säule. Wie viel die Menschen in die 3. Säule einzahlen, ist individuell unterschiedlich. Wie hoch sind die Renten der Bürger im Durchschnitt (1. und 2. Säule)? In Frankreich sind es zirka 1.474 Euro, allerdings ist dies nur ein Durchschnitt aus der 1. und 2. Säule. Hinzuzufügen ist, dass in Frankreich die Lebens- haltungskosten tendenziell höher sind als in UK. Sind Beamte in einem Sondersystem oder im allgemeinen System? In Frankreich sind Beamte in einem gesonderten (privilegierten) System. Wann war die letzte große Altersvorsorgereform? Die letzte Reform war 2023, da sollte das Regelalter von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Weitere Reformen des Systems sind zu erwarten, da die demografische Entwicklung weiter eine Heraus- forderung für die Rentensysteme in Europa bleibt. 242 N o . 1/2025 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Dr. Muriel Petersilie | Fidelity FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH » In UK gibt es seit 2012 ein sogenanntes Auto-Enrolment (AE) System, das in etwa dem in Deutschland viel diskutierten Opting-out-Modell entspricht. Ein Arbeitgeber kann seinen Mitarbeiter nach drei Jahren wieder fragen, ob er es sich nicht noch einmal anders überlegen möchte. ›Nudging‹ (Schubsen) nennt man das in Großbritannien. « Dr. Muriel Petersilie, Head of Implementation and Service Delivery bei Fidelity
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