Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025
bringt das erhebliche nanzielle und handwerkliche An- strengungen mit sich“, warnt Rothbart. Ob die schwächer werdende Lust auf Sustainability in den USA auch nach Europa überspringen werde? „Ich glau- be nicht, dass Nachhaltigkeit in Europa aus dem Fokus ge- raten wird“, meint Rothbart, „aber die neue Regierung ver- steht vielleicht eher, dass sich Nachhaltigkeit nur dann nach- haltig erreichen lässt, wenn man dabei das Ökonomische nicht aus dem Blick verliert.“ Er ist für eine bessere Balance in der Debatte. „Es geht nicht mit der Brechstange, und jede Investition muss sich am Ende des Tages am Markt rentie- ren. Sie kennen die Diskussion über den Bundeshaushalt, daher lässt sich auch nicht alles subventionieren.“ Letztlich sei aber der Nachhaltigkeitsgedanke bei den Versorgungs- werken immer noch stark verankert, glaubt Rothbart. Rentnerberg kommt unterschiedlich schnell Im Auge behalten müssen die Versorgungswerke auch die Altersentwicklung ihrer Mitglieder, denn die demogra sche Entwicklung macht vor den freien Berufen nicht halt. „Frei- beru er arbeiten tendenziell länger als der Durchschnitt, und die Zusammensetzung der Versicherten ist von Versor- gungswerk zu Versorgungswerk sehr unterschiedlich“, so Rothbart. Viele Werke wurden in den 1960er-Jahren gegrün- det, wobei das älteste 100 Jahre alt ist, und die Werke in den neuen Bundesländern wurden erst nach der Wiedervereini- gung im Jahr 1990 gegründet. „Aber diejenigen, die jetzt größere Alterskohorten haben, die sich in den Ruhestand verabschieden,müssen natürlich ein besonderes Augenmerk auf ihre Liquiditätssteuerung legen“, mahnt Rothbart. Das werde sich dann auch auf die Diversi zierung der Assetklas- sen auswirken. „Liability-Driven Investing war schon immer in den Genen der Versorgungswerke, wird aber künftig noch stärker in den Fokus der Steuerung geraten“, so Roth- bart. Er ist aber überzeugt, dass die Versorgungswerke damit umzugehen verstehen. „Das Thema der alternden Gesell- schaft ist ja nicht neu, daher hat man lange Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Sowohl das Ehrenamt als auch das Hauptamt in den Versorgungswerken haben sich frühzeitig damit auseinandergesetzt.“ Wir kommen auf die Entwicklung der Lebenserwartung zu sprechen: „Wir haben über viele Jahrzehnte einen fast linearen Anstieg der Lebenserwartung gesehen. Aber zuletzt kam es auch hier zu einer Änderung des Verlaufs. Nach der Corona-Pandemie, die zu einer höheren Sterblichkeit geführt hat, ist die Lebenserwartung nicht wieder wie im früheren Trend angestiegen.Hier muss man sehen, wie sich das entwickelt; da gibt es eine gewisse Unsicherheit“, meint Rothbart. Das sei aber eine Sache, die bei allen Altersvor- sorgeinstitutionen und -produkten eine Rolle spielt. Spaßeshalber spekulieren wir darüber,warum die verkam- merten Berufe eine längere Lebenserwartung haben als der Durchschnitt. „Ich war zuletzt knapp zehn Jahre beim Zen- tralverband des Deutschen Handwerks. Da hatte ich mit Menschen zu tun, deren Berufe körperlich sehr anstrengend sind, was vermutlich auch Ein uss auf deren Lebenserwar- tung hat. Dass Freiberu er eine höhere Lebenserwartung haben, mag an deren weniger unfallträchtigen Arbeitsplät- zen liegen. Vielleicht auch an der höheren Bildung, in der sich dann oft auch eine etwas gesündere Lebensführung widerspiegelt. Vermutlich kommen da sehr viele Dinge zu- sammen“, ist sich Rothbart nicht ganz sicher, woran es liegt. Trotz der Langlebigkeit von Freiberu ern gebe es von diversen politischen Richtungen immer mal Überlegungen, ein einheitliches Rentensystem in Form einer Bürgerversi- cherung zu scha en. „Genauso wie Herr Dr. Krüger ho e ich, dass das System der Versorgungseinrichtungen für die verkammerten Berufe an sich so bleibt. Eine Zusammenfüh- rung der Systeme in einer allgemeinen Bürgerversicherung würde zwar kurzfristig zu entsprechenden Liquiditätszu üs- sen führen, aber wir haben ja auch Anwartschaften, die zu erfüllen sind. Die würden dann entsprechende Aufwendun- gen nach sich ziehen, sodass am Ende nichts gewonnen wäre“, meint Rothbart. Er verweist auf Untersuchungen, die belegen, dass es auf längere Sicht ein Minusgeschäft wäre, wenn alle Gruppen in das Umlagesystem der allgemeinen Rentenversicherung einbezogen würden. Gefragt, was er sich künftig von der Regulatorik wünscht, antwortet Rothbart: „Als Erstes würde ich gern weg von der aktuellen Anlageverordnung mit ihren strikten Kriterien und Schubkästchen und hin zu einem risikobasierten Modell. Die Erfüllung einer Quote allein sagt ja noch nicht 100-prozentig etwas darüber aus, wie das Risiko einer Anla- ge aussieht.“ Zeitgemäß bleiben Auch für das BRSG II und das ZuFinG II hätte er noch einige Änderungswünsche. „Nehmen Sie das Zukunfts- nanzierungsgesetz: Viele Versorgungswerke halten hohe Mittel in Immobilien-Spezialfonds. Angesichts der Energie- wende sollten solche Fonds unbegrenzt PV-Anlagen auf die Dächer und Ladesäulen in den Tiefgaragen einbauen dür- fen.Das war bisher jedenfalls nicht ganz klar und sollte klar- gestellt werden“, meint Rothbart. Schließlich sollte es ohne steuerliche Nachteile möglich sein, Bestandsimmobilien zeit- gemäß auf Vordermann zu bringen. Die Entwicklung von gesellschaftlichen Strömungen, des Kapitalmarktes und von Produkten bleibe schließlich nicht stehen. Die große Aufgabe eines Verbands wie der ABV sei es zu beobachten, wo sich etwas verändert und wie man diese Veränderungen am besten in der Regulatorik und im Steuerrecht berücksichtigt. „Als Versorgungswerke müssen wir nicht nur das Versicherungsaufsichtsrecht, sondern auch das allgemeine Kapitalanlagerecht im Blick behalten – und das dann auch noch im Zusammenspiel mit dem Steuer- recht. Ich sehe es als meine Aufgabe bei der ABV an, hier im Zusammenspiel mit Politik und Verwaltung für opti- male Rahmenbedingungen zu sorgen“, sagt Rothbart. Dabei merkt man ihm an, dass er auf eine gehörige Portion Ver- bandsexpertise zurückgreifen kann. ANKE DEMBOWSKI 230 N o . 1/2025 | institutional-money.com PORTRÄT | Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV)
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