Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025

„Nur bei Exportkontrolle potenziell ethisch“ Interview mit Tommy Piemonte, Head of Sustainable Research bei der Bank für Kirche und Caritas W ie sehen institutionelle, ESG-ausgerichtete Investoren das Thema Rüstung? Wir haben bei der Bank für Kirche und Caritas nachgefragt. Herr Piemonte, wie ordnen Sie die aktuelle ESG- Diskussion im Kontext mit der Rüstungsindustrie ein? Tommy Piemonte: ESG wird als Mittel zur Ver- besserung der Welt dargestellt, obwohl es nur ein Risikomanagement-Tool für Investoren ist. Nachhaltige Investments und ESG müssen klar voneinander getrennt werden. Wird das Thema Rüstung in der ESG-Debatte richtig eingeordnet? Tommy Piemonte: Nein, ESG wird oft fälsch- licherweise mit Nachhaltigkeit gleichgesetzt. In Wahrheit ist es nur ein Risikomanagementansatz für Investoren. Nachhaltige Geldanlagen hinge- gen müssen aktiv soziale und ökologische Ver- besserungen bewirken – das ist bei Rüstung nicht der Fall. Welche Folgen hat es, wenn Rüstung als ESG- konform gilt? Tommy Piemonte: Es verwässert den Begriff nachhaltiger Investitionen. Verbraucher werden verunsichert, weil plötzlich auch kontroverse Branchen als nachhaltig gelten. Das kann die Glaubwürdigkeit des ESG-Marktes beschädigen. Warum versuchen Rüstungsfirmen, sich als nach- haltig darzustellen? Tommy Piemonte: Sie wollen gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen. Die Lobbyarbeit ist massiv, insbesondere seit dem Ukrainekrieg. Es geht nicht primär um Finanzierung, sondern darum, nie wieder infrage gestellt zu werden. Haben große Rüstungskonzerne überhaupt Finan- zierungsprobleme? Tommy Piemonte: Nein, sie haben keinen Mangel an Kapital. Die Behauptung, nachhaltige Geldanlagen müssten Rüstungsfirmen unter- stützen, weil sie sonst keine Finanzierung hät- ten, ist schlicht falsch. Wie könnte man Rüstungsunternehmen wirklich nachhaltig machen? Tommy Piemonte: Indem sie eine eigene Sorg- faltsprüfung einführen und sich verpflichten, nicht an Diktaturen oder menschenrechtsver- letzende Staaten zu liefern. Aber selbst dann bleibt die Frage, ob Waffenproduktion überhaupt nachhaltig sein kann. Ist Rüstung investierbar, wenn Exporte strenger reguliert werden? Tommy Piemonte: Es wäre ethischer, aber nicht nachhaltig. Waffen zerstören Umwelt und Leben – sie haben per Definition eine negative soziale und ökologische Wirkung. Gibt es eine EU-weit einheitliche Regelung für Rüstungsexporte? Tommy Piemonte: Nein, das entscheidet jedes Land für sich. Während Deutschland bestimmte Exporte verbietet, können französische oder österreichische Firmen dieselben Waffensysteme in problematische Länder verkaufen. Das zeigt, dass es keine einheitliche europäische Vertei- digungsstrategie gibt. Warum sind deutsche Rüstungsexporte proble- matisch? Tommy Piemonte: Deutsche Rüstungsunter- nehmen exportieren Waffen an Staaten wie Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei – und das auch während der Ukrainekrise an Russland. Die- se Staaten sind für Menschenrechtsverletzungen bekannt, aber der Export läuft weiter mit staat- licher Genehmigung, Handeln Banken, die Rüstungsfirmen finanzieren, aus Ihrer Sicht nachhaltig? Tommy Piemonte: Nein, aber es wäre akzep- tabel, wenn die Firmen keine Waffen in men- schenrechtsverletzende Staaten liefern. Zurzeit passiert das jedoch fast überall. Wir danken für das Gespräch! Deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien Für ethisch orientierte Investoren stellen diese Exporte einen Ausschließungsgrund dar. Exporte wie diese schließen für Tommy Piemonte von der Bank für Kirche und Caritas ein Invest- ment in die Rüstungsindustrie unter den Prädikaten „nachhaltig“ oder „ethisch“ aus. Zum Vergleich: 2024 machten die Exporte in die Ukraine rund acht Milliarden Euro aus. Quelle: Statista.de 0 250 500 750 1.000 1.250 2023 2022 2021 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 2010 Mio.Euro Wert der Einzelgenehmigungen für den Export von deutschen Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien von 2010 bis 2023 Tommy Piemonte äußert massive Zweifel an der Nachhaltigkeit von Rüstungsinvestments. 222 N o . 1/2025 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Rüstung FOTO: © BANK FÜR KIRCHE UND CARITAS » Wenn man Rüstung als ESG-konform bezeichnet, verwässert das den Begriff der nachhaltigen Investition. « Tommy Piemonte, Head of Sustainable Research, Bank für Kirche und Caritas

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