Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025

und der quillt. Die Stadt hob sich um mehrere Zentimeter pro Monat, was kostspielige Schäden an Gebäuden und demGasnetz verursachte. Lange Zeit wurde darüber gestrit- ten, wer dafür aufzukommen hat – Bauherr, Bauingenieur- büro, Bohr rma –, denn auch natürliche Ursachen waren denkbar, schließlich handelte es sich um ein tektonisch aktives Gebiet. Die Gesamtschadensumme wurde mit über 50 Millionen Euro bezi ert, was für eine kleine Gemeinde ein Desaster ist. Nach diesem Vorfall hat das Umweltminis- terium von Baden-Württemberg neue Leitlinien Qualitäts- sicherung Erdwärmesonden (LQS EWS) erlassen, die bei Geothermiebohrungen unter anderem eine verschuldungs- unabhängige Versicherung vorschreiben. Ähnliche Vorfälle mit Hebungen und Senkungen nach Erdwärmebohrungen gab es auch in anderen Regionen. Geothermieheizwerk Unterföhring Doch es gibt auch positive Beispiele, etwa das Geother- mieheizwerk in Unterföhring bei München.Die Anlage ver- kauft jährlich eine Wärmemenge von rund 51 MWh und versorgt damit rund 3.900 Haushalte sowie 73 gewerbliche Kunden und 30 kommunale Gebäude mit Fernwärme. Betrieben wird die Anlage von der Geovol Unterföhring GmbH, die zu 100 Prozent im Besitz der Gemeinde ist. Die erste Doppelbohrung wurde 2009 vorgenommen, und weil das Projekt gut funktionierte, erfolgte 2014 eine weitere Doppelbohrung. Mittlerweile hat die Gemeinde rund 64 Millionen Euro in ihre geothermische Wärmeversorgung investiert. Die Gemeinde rechnet damit, dass die Verluste 2033 aufgewogen sein werden – rund 24 Jahre nach Beginn der ersten Wärmelieferung. „Diese Amortisationszeit ist eine für neue Kraft- oder Heizwerke nicht unübliche Größenord- nung, insbesondere bei einer zwischenzeitlichen Verdopp- lung der Kapazität“, schreibt Geovol in ihrem Newsletter. Auch wenn Geothermie viele Vorteile bietet, stellt sie nicht für jeden Investor ein ideales Investment dar. „Auf der Versicherungsseite beschäftigen wir uns bereits seit 20 Jahren damit, wie Geothermie technisch funktioniert. Dort sitzen viele Ingenieure, und wir haben umfangreiches Datenmate- rial imMolassebecken des Alpenvorlandes“, erklärt Matthias Tönnis, Geologe und Underwriter bei Munich Re.Diese hat die Fündigkeitsversicherungen für Geothermiebohrungen erfunden und ist der weltweit einzige Anbieter für dieses Pionierprodukt. Sie trägt damit einen Teil des Risikos, das Projektentwickler oder Eigentümer mit Geothermieanlagen haben und ist maßgeblich an den Entscheidungen beteiligt, wo eine Bohrung nanziert und abgesichert wird und wo nicht. Tobias Kerschbaumer aus dem Infrastructure Equity Team bei MEAG, dem Asset Manager der Münchner Rück- Versicherung, erklärt: „Zumindest am Anfang haben wir gesehen, dass es bei mehreren Projekten technische Proble- me gab. Da sind einige operative Risiken zutage getreten, zum Beispiel dass die Pumpen anfällig sind, wenn es sehr weit in die Tiefe geht.Daher haben wir uns bei MEAG noch nicht zu investieren durchgerungen, sondern haben anderen Technologien, die ebenfalls mit erneuerbarer Energie arbei- ten, zunächst den Vorzug gegeben“, so Kerschbaumer. Kleinteiligkeit als Hürde Das könne sich künftig ändern, fährt er fort. „Die Wärme- wende ist jetzt omnipräsent und Projektentwickler, die Geo- thermiekraftwerke bauen wollen, fragen derzeit vermehrt bei uns an“, beobachtet Kerschbaumer. Voraussetzung bei Wärmeversorgungsprojekten sei aber, dass es Abnehmer für die Fernwärme gibt. Fernwärme lässt sich nur in die nähere Umgebung verkaufen, sodass ein Netzausbau unabdingbar ist. Strom hingegen hat den Vorteil, dass sich dieser überall einspeisen und verkaufen lässt. „Stellen Sie sich den Fall einer Kleinstadt vor, in der es noch kein Fernwärmenetz gibt. Das muss erst gebaut werden, und dann müssen sich die Haus- halte anschließen. Einige haben aber vielleicht gerade eine neue Gasheizung oder eine Wärmepumpe installiert. Mög- licherweise haben Sie dann nur eine geringe Zahl von neuen Gebäuden, die sich sofort anschließen lassen“, verweist Kerschbaumer auf die Gefahr der Kleinteiligkeit. „In Neu- baugebieten können Sie mit einer Anschlussp icht arbeiten. Idealerweise wird dann auch gleich ein Schwimmbad und das Industriegebiet angeschlossen. Es muss schon einiges zusammenkommen, damit ein Finanzinvestor bei einem Geothermiekraftwerk dabei sein will.“ Wenn ein Investor einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand nehme, müssten auch Abnahmemengen und Preiskonditionen langfristig gesichert sein. „Und eine gewisse Renditeerwar- tung haben wir natürlich auch. Ein kommunaler Energie- versorger kann da bisweilen einen anderen Kernauftrag haben als wir als Finanzinvestor“, so Kerschbaumer. Quartiersentwicklungen mit Tiefengeothermieprojekten seien oft größer und kämen zunehmend zum Tragen. „Als Investor brauchen wir eine gewisse Größenordnung, sonst lohnt es den Aufwand nicht. Es stellt sich ja die Frage: Wie viel Zeit wollen wir in so ein Thema investieren?“, gibt Kerschbaumer zu bedenken. Bisher habe die MEAG noch nicht in Geothermieprojekte in Deutschland investiert. In den USA hingegen hätte man sich bereits an einer Fremd- kapital nanzierung eines Geothermiekraftwerks beteiligt, und in Island sei man leider nicht zum Zuge gekommen. Komplexe energetische Lösungen Aber eigentlich liege der Munich Re auch die Dekarboni- sierung vor Ort amHerzen. „So arbeitet Munich Re mit der KfW zusammen, um eine kombinierte Versicherungs- und Finanzierungslösung für die Tiefbohrungen anzubieten“, umreißt Geologe Tönnis die Zukunft der Fündigkeitsversi- cherung. Das könnte auch in Deutschland attraktiv sein. „Darin zu investieren, können wir uns gut vorstellen“, aber bisher gebe es in Deutschland noch nicht viele Investment- opportunitäten dieser Art. Auf jeden Fall werde man sich weiterhin mit dem Thema Geothermie beschäftigen, schon allein deshalb, weil die große Expertise auf der Versiche- rungsseite ein Wettbewerbsvorteil ist. 204 N o . 1/2025 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Geothermie Tiefe Geothermie in Deutschland 2024: Deutschland verfügt über bedeutende geothermische Ressourcen: www.im - online.com/ Geo2125 Der Geothermie- kongress findet vom 18. bis 20. No- vember 2025 in Frankfurt statt. Ressourcen: www.im - online.com/ Geo1125

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