Institutional Money, Ausgabe 1 | 2025
det, ergibt sich ein Diagramm mit im Wesentlichen dem- selben Muster, obwohl in diesem Fall der Höhepunkt der Dotcom-Blase den Covid-Höhepunkt knapp übertri t. Auch das Hinzufügen kleinerer Aktien ändert am Ergebnis wenig. Außerdem stammen die Beispiele, auf die Asness setzt, nur aus den USA, damit es eine Zahlenhistorie bis 1950 zurück gibt, globale Versionen führen jedoch zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Bei einem Set-up, wie es die meisten Quants heute benutzen, zeigen sich ähnliche Resultate für den Value Spread, aber mangels Datentiefe erst für einen Zeitraum ab 1981. AQR benutzt hier fünf aus Konkurrenzgründen nicht näher publik gemachte Messgrößen für Value, die wieder auf den Quotienten von teuren zu billigen Aktien – aber sektorbereinigt – hinauslaufen. Die Ergebnisse werden standardisiert und die einzelnen Werte in Form von Stan- dardabweichungen vom normalisierten Durchschnitt als z-Score dargestellt (siehe Gra k „Value-Spread-Entwicklung im Quant-Stil“) . Diese und alle anderen vernünftigen Versionen zeigen Drei Hypothesen Drei Hypothesen, warum die Märkte in den letzten gut 30 Jahren weniger effizient geworden sind. Hypothese Nr. 1: Die Indexierung hat den Markt ruiniert Es lässt sich nicht leugnen, dass das Wachstum der Inde- xierung mit den 30+ Jahren zusammen- fiel, um die es hier geht, obwohl Korre- lation wie immer kein Beweis für Kau- salität ist. Was wäre, wenn jeder nur in den kapitalgewichteten Index investieren würde? Niemand hat eine gute Ant- wort darauf. Wie können Preise festgelegt wer- den, wenn niemand wirklich etwas beobachtet? Diese Frage ist rein theoretisch. Die Indexierung hat in den letzten 30 Jahren stark zugenommen, deckt aber bei Weitem nicht 100 Prozent des Marktes ab. Die praktischere Frage lautet also: „Wie viel des Marktes kann indexiert werden und trotzdem noch zu vernünftigen Preisen/Ergeb- nissen führen?“ Leider kennen wir auch hier kei- ne Antwort. Asness neigt dazu, Owen Lamont zu- zustimmen, dass es übertrieben ist, der Indexie- rung die Schuld an der Schädigung des Marktes zu geben. Aber er hält es nicht für unmöglich. Obwohl es immer noch umstritten ist, gibt es Hinweise darauf, dass der Anstieg der Indexie- rung die Aktienkurse unelastischer gemacht hat. Das bedeutet, dass sich die Preise als Reaktion auf Änderungen der gewünschten Mengen stär- ker bewegen müssen. Richtung und Ausmaß sind jedoch zwei verschiedene Dinge. Dies ist ein lebhaftes Forschungsgebiet, und direkte Verbin- dungen zum Value Spread, den Asness unter- sucht, gibt es noch nicht. Doch anhand der wenigen Ergebnisse, die AQR gesichtet hat, kann sich Asness nur schwer vorstellen, dass dies einen großen Teil der sehr großen und lang an- haltenden Value Spreads erklärt, die man in den letzten 20 Jahren zweimal erleben konnte. Hypothese Nr. 2: Sehr niedrige Zinssätze über einen sehr langen Zeitraum Sollte diese Erklärung zu- treffen, gälte sie nur für die Phase 2019–2020, als die Zinssätze sehr niedrig wa- ren, und nicht für die Dot- com-Blase 1999–2000, als die Zinssätze nicht besonders niedrig waren. Es gibt viele Stimmen, die glauben, dass extrem niedrige Zinssätze (wie in der gesamten Zeit nach der globalen Finanz- krise 2007–2009 bis 2022) die Märkte verrückt machen. Asness glaubt nicht, dass das wahr sein kann, aber er hat ein gewisses Verständnis für die Idee, dass es in Wirklichkeit teilweise wahr ist. Hypothese Nr. 3: Effekt der Technologie Technologische Fortschritte sollten den Markt effizienter machen. Asness argumentiert, dass die Entwicklung auf längere Sicht wahrscheinlich in die andere Richtung geht. Seiner Ansicht nach ist dies die beste seiner drei Hypothesen. Heut- zutage kann jeder nahezu sofort auf eine riesige Datenmenge zugreifen, und die Handelskosten sind niedriger als in früheren Zeiten. Aber die Geschwindigkeit der Datenverfügbarkeit ist für die Art der Bewertung, die hier untersucht wird, nicht relevant, und obwohl Transaktionskosten eine Rolle spielen, sind sie für eine Niedrig- frequenzstrategie weit weniger wichtig als für eine Hochfrequenzstrategie. Asness konkret: „Die Verfügbarkeit von Daten war nie das Schwierigste beim Investieren. Es ist die rationa- le Verarbeitung von Informationen, die teuer ist. Und billiger Handel könnte der Weg sein, der vie- le dazu bringt zu glauben, sie könnten Dinge tun, die sie einfach nicht können.“ Im Grunde beruht jeder einigermaßen effiziente Markt auf Schwarmintelligenz. Aber ein weiser Schwarm setzt voraus, dass die Mitglieder der Masse weit- gehend unabhängig voneinander sind. Aber was ist, wenn die Masse nicht unabhängig ist, son- dern im Gleichklang handelt? Das hat das Poten- zial, die magische Weisheit der Schwarmintelli- genz nicht nur zu zerstören, sondern sie ins Negative zu verkehren. Gab es also jemals ein besseres Mittel als die sozialen Medien, um eine weise, unabhängige Masse in einen koordinier- ten, ahnungslosen, sogar gefährlichen Mob zu verwandeln, fragt sich Asness. Auch die „Gami- fication“ des Online-Aktienhandels spielt hier herein, die die Aktienkurse weit über das Ratio- nale hinaus treibt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sehr fraglich ist, ob der techno- logische Fortschritt den Markt sicherer gemacht hat, und es kann durchaus sein, dass das Gegen- teil der Fall ist. Hier passen auch Warren Buffetts berühmte Zeilen aus dem Geschäftsbericht 2023 hinein, der da schrieb: „Aus welchen Gründen auch immer, die Märkte verhalten sich heute viel mehr wie ein Casino als in meiner Jugend. Das Casino ist heute in vielen Wohnungen zu Hause und führt ihre Bewohner täglich in Versuchung.“ Vielleicht wirken auch mehrere Hypothesen zusammen. Asness glaubt, dass der Aufstieg der Indexierung und die extrem niedrigen Zinssätze der letzten zehn bis 15 Jahre genau diesen Effekt gehabt haben könnten, aber insbesondere immer mehr verrückte Onlinespekulanten an den Markt gelangen und vor allem die sozialen Medien zur Selbstüberschätzung führen, die nun einmal entsteht, wenn Leute denken, sie hätten Zugriff auf alle Daten der Welt und könnten spie- lerisch erfolgreich handeln. N o . 1/2025 | institutional-money.com 119 Effiziente Märkte | THEORIE & PRAXIS FOTO: © MIKE SEGAR | REUTERS Starinvestor Warren Buffett wittert casino- ähnliches Verhal- ten der Märkte.
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