Institutional Money, Ausgabe 4 | 2024

haltigkeit am Ende funktionieren soll. Auf einen simplen Nenner gebracht: Nicht nachhaltig agierende, braune Unter- nehmen sollten höhere Risikoprämien und damit Kapital- kosten haben als nachhaltig agierende, grüne Unternehmen. Die Frage ist aber: Kann die Wissenschaft die Evidenz liefern, die das auch wirklich untermauern würde? Prof. Alexander Kempf: Tatsächlich gibt es einige empirische Studien, die zeigen, dass grün agierende Unternehmen niedri- gere Kapitalkosten aufweisen als braun agierende. Ob diese die niedrigeren Kapitalkosten auch nutzen, ummehr zu in- vestieren und so zu wachsen, ist empirisch allerdings bisher noch nicht belegt.Man würde es zwar erwarten, aber belegt ist es eben noch nicht. Es gibt in einem anderen Kontext so- gar Studien, die gezeigt haben, dass die Senkung der Kapi- talkosten nur dann zu mehr Wachstum führt, wenn die be- treffenden Unternehmen in Bezug auf ihre Kapitalausstat- tung bisher begrenzt waren. Und Unternehmen, die ohne- hin über Kapital in Hülle und Fülle verfügen, haben die niedrigeren Kapitalkosten gewissermaßen einfach nur ein- gesteckt. Daher muss ich sagen: Die gesamte wissenschaftli- che Literatur zum Thema Nachhaltigkeit endet bisher oft noch auf der Finanzseite. Anders gesagt: Diese positiven realwirtschaftlichen Implikationen, die wir eigentlich erwar- ten würden, sind bisher noch weit weniger belegt. Woran liegt das? Prof. Alexander Kempf: Es fehlt imMoment einfach noch die empirische Evidenz. Die meisten realwirtschaftlichen Grö- ßen lassen sich eben nicht von einem Tag auf den nächsten messen. Offensichtlich brauchen Investitionen einen gewis- sen Vorlauf, um überhaupt zuWachstum führen zu können. Es handelt sich eben nicht um Aktienrenditen, die man schon über relativ kurze Zeiträume einigermaßen sinnvoll empirisch analysieren kann. Aber ich bin sicher, dass wir auch zum Thema der realwirtschaftlichen Konsequenzen nachhaltiger Anlagen mehr Studien sehen werden. Wie wird es weitergehen mit dem Thema Nachhaltigkeit? Worauf müssen sich institutionelle Investoren einstellen? Prof. Alexander Kempf: Ich glaube, ein wichtiger Schritt wird sein, anzuerkennen, dass Nachhaltigkeit nicht per se ein Renditetreiber ist. In der Vergangenheit mag das zwar in vie- len Jahren anders gewesen sein, als viele Anleger Nachhal- tigkeit noch nicht so auf dem Schirm hatten und sich erst nach und nach dem Thema zugewandt haben. In diesen Zeiten konnten Anleger, die die große Bedeutung von Nachhaltigkeit frühzeitig erkannt haben, Outperformance erzielen. Aber es gibt eigentlich kein gut fundiertes Argu- ment, warum das in der Zukunft weiter so sein sollte. Ei- gentlich müsste es umgekehrt sein. Nachhaltige Unterneh- men sollten – wenn überhaupt – niedrigere Kapitalkosten haben und damit auch niedrigere erwartete Renditen auf- weisen als nicht nachhaltig agierende Unternehmen. Dies war ja auch das Ziel der Politik: niedrigere Kapitalkosten und mehr Wachstum für grüne Unternehmen. Das wird aber nicht reichen, um die generelle Akzeptanz von mehr nachhaltigen Investments zu steigern. Prof. Alexander Kempf: Natürlich nicht. Ändern ließe sich das natürlich mit vom Regulator vorgeschriebenen Mindestin- vestments in grüne Anlagen. Oder aber dadurch, dass man braune Investments durch regulatorische Maßnahmen für Anleger uninteressanter macht. In gewisser Weise ist das ja schon heute der Fall. Ich nenne es das Titelblatt-Risiko.Wer will schon in Unternehmen investieren, die in einen irgend- wie gearteten Umweltskandal verwickelt sind oder durch die Nichtbeachtung von Nachhaltigkeitszielen morgen ganz vorn auf irgendeinem Boulevardblatt erscheinen? Da ist der Shitstorm programmiert.Oder wer will in Unternehmen in- vestieren, deren Geschäftsmodell zusammenbricht, wenn die Nachhaltigkeitsregeln weiter verschärft werden? Insofern soll- te der Grund für nachhaltiges Investieren in meinen Augen eher im Risikomanagement liegen als in der Hoffnung, dadurch langfristig höhere erwartete Renditen zu erzielen. Wir danken für das Gespräch! HANS HEUSER 58 N o . 4/2024 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Prof. Alexander Kempf | Universität zu Köln FOTO: © STEFAN GREGOROWIUS » Es gibt tatsächlich einige empirische Studien, die zeigen, dass grün agierende Unternehmen niedrigere Kapitalkosten aufweisen als braun agierende. « Prof. Alexander Kempf, Universität Köln

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